24.01.2019

Keine Unternehmereigenschaft und kein Vorsteuerabzug eines kommunalen Kurbetriebes

Aktuelles Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg

Keine Unternehmereigenschaft und kein Vorsteuerabzug eines kommunalen Kurbetriebes

Aktuelles Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg

Muss der Rotstift angesetzt werden? | © beermedia - stock.adobe.com
Muss der Rotstift angesetzt werden? | © beermedia - stock.adobe.com

Nach den Körperschaftsteuerrichtlinien (R 4.5 Abs. 7 KStR 2015) stellen Kurbetriebe einer Gemeinde unter den Voraussetzungen der R 4.1 Abs. 2 bis 5 KStR 2015 (u.  a. Vorliegen einer Einrichtung, nachhaltiger Jahresumsatz von über 35.000 €) Betriebe gewerblicher Art dar, und zwar unabhängig davon, ob eine Kurtaxe z. B als öffentlich-rechtliche Abgabe erhoben wird. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 UStG führt somit der Kurbetrieb einer Gemeinde zur Unternehmereigenschaft dieser Gemeinde.

Von der Finanzverwaltung wurde deshalb die Unternehmereigenschaft einer Gemeinde im Zusammenhang mit einem Kurbetrieb nie bestritten. Für diese Auffassung (Bestehen der Unternehmereigenschaft) sprach auch die Tatsache, dass die Kurtaxe nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 2 UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegt. Denn bei einer Nichtunternehmerschaft einer Gemeinde im Zusammenhang mit dem Kurbetrieb wäre diese Regelung überflüssig.

Streitig war in der steuerlichen Praxis jedoch der Umfang des Vorsteuerabzugs im Hinblick auf einen Kurbetrieb. Nach Auffassung der (baden-württembergischen) Finanzverwaltung gehören zum Kurbetrieb als BgA nur die klassischen Kureinrichtungen, wie z. B der Kurpark, die Musikmuschel und das Kneipptretbecken. Insoweit bestehe eine Vorsteuerabzugs-berechtigung. Auch die Vorsteuerbeträge für die Einrichtung und die Unterhaltung eines heilklimatischen Wanderwegs und eines Geocaching können nach Auffassung der Finanzverwaltung gewährt werden. Alle weiteren Aufwendungen würden aber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen.


Das nachfolgend dargestellte Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 18.10.2018 lehnt schon die Unternehmereigenschaft eines Kurbetriebs an sich ab. Es kommt zum Ergebnis, dass im Hinblick auf die Kureinrichtungen überhaupt kein Vorsteuerabzug besteht, auch nicht in dem von der Finanzverwaltung gewährten Umfang.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.10.2018, 1 K 1458/18

Sachverhalt:

Die Gemeinde G ist ein staatlich anerkannter heilklimatischer Luftkurort. Die Kurverwaltung der G wird seit 1997 kommunalrechtlich als Eigenbetrieb und körperschaftsteuerlich als Betrieb gewerblicher Art (BgA) behandelt.

Die G betreibt u.a. einen Kurpark, ein Kurhaus und sonstige Anlagen und Wege. Diese Einrichtungen waren in den Streitjahren (2009 bis 2012) für jedermann frei zugänglich. Die G erhebt eine Kurtaxe auf der Grundlage von § 4 GemO BW i. V. m. §§ 2, 8 Abs. 2, 42 KAG BW. Sie erklärte in ihren Umsatzsteuererklärungen umsatzsteuerpflichtige Umsätze (Kurtaxe) und Vorsteuerbeträge aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr. Das Finanzamt kürzte die Vorsteuerbeträge mit der Begründung, die G sei als Unternehmerin nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt. Zum BgA mit der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs würde z. B der Kurpark und das Kneipptretbecken gehören. Ein Vorsteuerabzug sei aber u. a. nicht zulässig aus Rechnungen in Zusammenhang mit Loipen, Wander- und sonstigen Sportpfaden und -anlagen außerhalb des Kurparks, Gärtnerei, Bauhof, Hundekotbeutel, Hundestationen, Abfallbehälter und Eventtagen. Für das Kurhaus könne nur ein anteiliger Vorsteuerabzug gewährt werden, soweit eine umsatzsteuerpflichtige Vermietung der Gaststätte oder eine sonstige steuerpflichtige Endnutzung von Räumen gegen Entgelt vorliege.

Die G wandte sich gegen die vom Finanzamt erfolgten Vorsteuerkürzungen. Nach ihrer Auffassung begründe die Erhebung der Kurtaxe einen BgA und somit auch die Unternehmereigenschaft der G. Der Schuldner der Kurtaxe entrichte diese u. a. für die Nutzung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen und die Möglichkeit, die im Bereich des Tourismus und Kur dargebotenen Veranstaltungen besuchen zu können. Die Kurtaxe diene somit zur Herstellung und zum Unterhalt der für einen Luftkurort erforderlichen Wege, Anlagen und Attraktionen. Die Tatsache, dass die Einrichtungen neben den zahlenden Kurgästen und Touristen auch von den übrigen Einwohnern genutzt werden könnten, ändere daran nichts, denn dies sei keine nichtunternehmerische Verwendung.

Leitsatz:

Bei richtlinienkonformer Anwendung des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i. V. m. § 4 KStG entsprechend Art. 13 MwStSystRL stellt der Betrieb von Kureinrichtungen gegen eine Kurtaxe keine unternehmerische Tätigkeit dar.

Nach Auffassung des Finanzgerichts Baden-Württemberg handele die G durch ihre Betätigung zur Erhebung einer Kurtaxe nicht unternehmerisch, weshalb ihr insoweit auch kein Vorsteuer-abzug zustehe.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sei § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i. V. m. § 4 KStG richtlinienkonform entsprechend Art. 13 MwStSystRL auszulegen. Danach sei eine juristische Person des öffentlichen Rechts (jPdöR) Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausübe, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebe. Handele sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, komme es auf weitere Voraussetzungen nicht an. Handele sie dagegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, sei sie nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Dies sei nicht gegeben, wenn es aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen im Zeitpunkt der Erbringung der Leistungen durch den Staat ausgeschlossen sei, das private Anbieter Leistungen auf den Markt bringen, die mit den staatlichen Leistungen im Wettbewerb stehen.

Unter Anwendung dieser Grundsätze habe die G im Streitfall – abgesehen von der teilweisen privatrechtlichen, entgeltlichen Überlassung des Kurhauses für Veranstaltungs- und Restaurationszwecke – auf öffentlich-rechtlicher Grundlage gehandelt. Sie habe gegenüber den Kurgästen insoweit keine Leistungen als Unternehmerin erbracht, denn eine Behandlung der G als Nichtsteuerpflichtige führe nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen.

Die Leistungen der G in ihrer Gesamtheit können nicht von privaten Anbietern erbracht werden, da private Anbieter nicht in der Lage seien, das gleiche Bedürfnis der Kurgäste zu befriedigen. Kurgäste eines anerkannten heilklimatischen Luftkurortes erwarten neben einer angemessenen Unterbringung und Verpflegung die Zurverfügungstellung von öffentlichen Gütern wie förderliche heilklimatische Bedingungen (saubere Luft und Wasser), Infrastruktur (Wanderwege), Einzelhandel und kulturelle Angebote (Veranstaltungen). Auch wenn private Anbieter zum Teil in der Lage seien, einige dieser Bedürfnisse zu bedienen, sei es ihnen dennoch unmöglich, in einer Gesamtheit – auch Sicht des Durchschnittsverbrauchers – Leistungen zu erbringen, die denen der G gleichartig seien. Zudem sei aufgrund der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung der Benutzung der kommunalen Einrichtungen ein Wettbewerb mit privaten Anbietern ausgeschlossen, da die Möglichkeit für private Anbieter, Einrichtungen unter denselben Bedingungen zur Nutzung anzubieten, rein theoretisch sei. Selbst wenn private Anbieter (zumindest teilweise) vergleichbare Einrichtungen – wie die G – zu Kur- und Erholungszwecken anbieten können sollten, könnten sie hierfür keine Kurbeiträge fordern, da derartige Abgaben ausschließlich von Trägern der öffentlichen Gewalt beschlossen und erhoben werden dürfen. Jedenfalls die rechtlichen Rahmenbedingungen von Kurleistungen führen daher aus Sicht eines Verbrauchers zu einer Unterscheidbarkeit, so dass eine größere Wettbewerbsverzerrung nicht vorliege.

Auch aus dem Umstand, dass eine jPdöR auf der Grundlage von § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG gegenüber dem Finanzamt einmalig erklären habe können, dass sie § 2 Abs. 3 UStG in der am 31.12.2015 geltenden Fassung für sämtliche nach dem 31.12.2016 und vor dem 1.1.2021 ausgeführte Leistungen weiterhin anwende, könnten keine abweichenden Schlüsse gezogen werden. Die Ausübung der Option durch die G bedeute nicht, dass im Rahmen des auch weiterhin (zeitlich befristet) anwendbaren § 2 Abs. 3 UStG eine richtlinienkonforme Auslegung unterbleiben könne, so dass es ausschließlich auf das Vorhandensein eines BgA ankomme. Es könne nämlich nur insoweit wirksam optiert werden, als § 2 Abs. 3 UStG bei richtlinienkonformer Auslegung inhaltlich von § 2b UStG abweiche, denn Behörden und Gerichte seien verpflichtet, der Auslegung zu folgen, die der EuGH bei der Anwendung von Richtlinienbestimmungen gewählt habe. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts, habe der Gesetzgeber durch die Schaffung der Optionsmöglichkeit des § 27 Abs. 22 Satz 3 UStG daran nichts ändern wollen. Zudem seien die Streitjahre schon zeitlich nicht von der Optionsmöglichkeit erfasst.

Etwas anderes folge auch nicht aus § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 2 UStG, soweit dort für die Bereitstellung von Kureinrichtungen, soweit als Entgelt eine Kurtaxe zu entrichten ist, die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes vorgesehen sei. Denn § 12 UStG setzt systematisch eine unternehmerische Betätigung voraus, könne diese aber nicht begründen. Überdies gelte der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts, so dass § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 2 UStG auch aus diesem Grund keine konstitutive Wirkung zukomme.

Da der „Betrieb der Kureinrichtungen“ gegen eine Kurtaxe keine unternehmerische Tätigkeit darstelle, seien die erklärten Umsätze aus der Erhebung der Kurtaxe im Übrigen nicht steuer-bar und folglich die bereits vom Finanzamt gewährten Vorsteuerbeträge abzuerkennen. Der Senat sei daran allerdings aufgrund des Verböserungsverbots nach § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 FGO gehindert, da der G bereits Vorsteuern in erheblichem Umfang zuerkannt und erstattet worden seien.

Selbst wenn aber die G durch den „Betrieb der Kureinrichtungen“ gegen eine Kurtaxe unternehmerisch tätig gewesen sein sollte, würde der begehrte, weitere Vorsteuerabzug jedenfalls am fehlenden Zusammenhang zwischen den Kosten für die Einrichtung, Unterhaltung und den Betrieb der Anlagen und ihrer (unterstellten) wirtschaftlichen Tätigkeit (Kurbetrieb) scheitern. Die öffentlichen Einrichtungen seien dem Allgemeingebrauch gewidmet gewesen. Eventtage, Radtouren und verkaufsoffene Sonntage hätten allgemeinen Zwecken wie der „Verbesserung der Lebensqualität der Einwohner und der Förderung des Einzelhandels“ gedient.

Gegen einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang der Eingangsleistungen mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der G spreche zudem, dass die erheblichen Investitionen in die kommunale Infrastruktur keinen Einfluss auf die Höhe des Kurbeitrags gehabt hätten.

 

Prof. Thomas Maier

Rechtsanwalt / Steuerberater,
Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl

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