31.01.2019

Neue Wege der Rauschgiftkriminalität

Veröffentlichung des Bundeslageberichts

Neue Wege der Rauschgiftkriminalität

Veröffentlichung des Bundeslageberichts

Im Jahr 2017 wurden insgesamt 330.580 Rauschgiftdelikte (davon 54.605 Handelsdelikte) registriert. | © monticellllo - stock.adobe.com
Im Jahr 2017 wurden insgesamt 330.580 Rauschgiftdelikte (davon 54.605 Handelsdelikte) registriert. | © monticellllo - stock.adobe.com

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, und der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, stellten im Mai in Wiesbaden das Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2017 vor. Für das Jahr 2017 weist das Lagebild eine Steigerung aus – einen Trend, den man seit sieben Jahren in Folge beobachten kann. Doch gerade Entwicklungen in der Drogenkriminalität sind sehr schwierig nachzuzeichnen. Die registrierten Anstiege in den meisten Bereichen können nicht kausal mit einem realen Anstieg der Drogendelinquenz gleichgesetzt werden.

Registrierte Entwicklungen

Im Jahr 2017 wurden insgesamt 330.580 Rauschgiftdelikte (davon 54.605 Handelsdelikte) registriert. Die meisten Fälle davon entfielen auf den Bereich Cannabis. Insgesamt wurden 198.782 (32.546 Handelsdelikte) verzeichnet, dies entspricht einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr von 11,8%. Zudem wurden 668 illegale Plantagen entdeckt. Etwa 7.730 Kilogramm wurden beschlagnahmt, fast 30 Prozent mehr als 2016. Auch Kokaindelikte wurden 2017 verstärkt registriert: 3.559 erfasste Handelsdelikten entsprechen einem Anstieg von 18,3 Prozent, bei einer gleichzeitigen Vervierfachung der Sicherstellungsmenge auf knapp 8,2 Tonnen. 2017 fand die Polizei in Deutschland 14 zumeist sehr kleine Rauschgiftlabore, in denen vor allem Amphetamin, Methamphetamin und LSD hergestellt wurde.

Die Substanzvielfalt ist in den letzten Jahren deutlich größer geworden. Neben den klassischen Drogen wie Cannabis und Kokain stellen sogenannte Neue psychoaktive Stoffe (NPS) ein relevantes Feld der Drogendelinquenz dar. Ihre Wirkung ist für den Nutzer unberechenbar, da nicht klar ist, welche Substanzen sie in welcher Wirkstoffkonzentration enthalten. Gerade Notärzte und Rettungssanitäter stellt dies bei einer Intoxikation vor große Probleme, binnen kurzer Zeit den geeigneten Therapieansatz zu finden, was für die Konsumenten lebensbedrohlich ist. Der Gesetzgeber reagierte auf dieses Problem 2016 mit dem „Neue psychoaktive Stoffe Gesetz“. Das Gesetz sieht ein weitreichendes Verbot des Erwerbs, Besitzes und Handels mit NPS und eine Strafbewehrung der Weitergabe von NPS vor. Dabei bezieht sich das Verbot in Ergänzung zum einzelstofflichen Ansatz des BtMG erstmals auf ganze Stoffgruppen.


Die Zahl registrierter Delikte im Rahmen der Beschaffungskriminalität ist insgesamt zwar gesunken (1.732 Straftaten), allerdings stiegen die verübten Raubdelikte zur Beschaffung von Drogen um mehr als die Hälfte auf 161 Straftaten an. Die Anzahl der Drogentoten sank im Jahr 2017 auf insgesamt 1.272 Menschen (2016: 1.333).

Aussagekraft und Trends

Für Kriminalbeamte bieten abgebildete Handelsaktivitäten rechtlich gute Möglichkeiten für verdeckte Ermittlungsmaßnahmen. Drogendelikte gelten als sog. Kontrolldelikte; das bedeutet, dass ohne Initiative und Kontrollaktivitäten der Polizei diese Delikte kaum auffallen und somit auch nicht registriert werden würden. Aufgrund dessen sagt die Anzahl der festgestellten Drogendelikte insgesamt wenig über die Verbrechensrealität in diesem Bereich aus. Es ist anzunehmen, dass durch stärkere Kontrollen mehr Straftaten in diesem Bereich festgestellt werden. Der Grundsatz mehr Polizei, mehr festgestellte Straftaten und vor allem mehr beschlagnahmte Substanzen kann hier durchaus zutreffen. Gleichzeitig kann man nicht automatisch auf die Kausalität schließen, dass mehr abgebildete Taten auch einem realen Anstieg von Drogen, Konsumenten und Handel schließen. Andersherum kann die Anzahl der festgestellten Taten aber auch gleichbleiben oder infolge seltenerer Kontrollen sogar sinken, obwohl die Zahl der begangenen Taten sich tatsächlich erhöht hat.

Konsumenten und Händler illegaler Substanzen gehen seit einigen Jahren neue Wege. So registrieren die Sicherheitsbehörden, dass sich in Zeiten des unkomplizierten und anonymen Zuganges von Peer-to-Peer-Overlay-Netzwerken (das sog. Darknet) der Handel via Internet verstärkt auf den Postweg verlagert. Damit könnten neue Konsumentengruppen erschlossen werden. Beispielsweise Frauen im mittleren Alter, die bislang keinerlei Bezug zu illegalen Substanzen hatten und auch ansonsten nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sind, können durch diese Möglichkeit angesprochen werden. Die Drogen gelangen per Post und anonym ins Wohnzimmer, ohne, dass man sich selbst an berüchtigte Orte begeben müsste. Kriminologen befürchten sie eine neue Salonfähigkeit auch besonders gefährlicher Drogen, wie Crystal Meth.

Fazit

Drogenkriminalität ist ein hochdynamischer Deliktsbereich. Die erfassten Straftaten sagen dabei allerdings weniger über tatsächliches Ansteigen oder Absinken aus, sind jedoch eine Dokumentation polizeilicher Initiativen und Kontrollen des Zolls. Auch rechtliche Änderungen könnten direkte Auswirkungen auf das Bundeslagebild haben.

Die Diskussion um die Legalisierung von Cannabis, als größtes feststellbares Feld von Rauschgiftkriminalität, taucht jährlich regelmäßig auf und spaltet die Gesellschaft. In den letzten Jahren gab es bereits erste Lockerungen, so dass Cannabis mittlerweile legal, wenngleich unter strengen Auflagen beispielsweise in der Schmerztherapie eingesetzt werden kann. In diesem Punkt sind andere Länder noch viel innovativer. Dabei muss es nicht zwangsläufig um eine Legalisierung von Cannabis gehen, dass von Befürwortern dessen gerne mit Tabak und Alkohol verglichen wird. Auch Möglichkeiten der Entkriminalisierung, die nicht mit einer Legalisierung gleichzusetzen ist, könnten ernsthaft und in Hinblick auf Länder, die diese bereits umgesetzt haben (z.B. Norwegen oder Portugal) ins Auge gefasst werden. Im Lagebild würde sich dies mit dem Wegfall der Zahlen des registrierten Konsums niederschlagen, der Handel würde weiterhin verfolgt und aufgeführt werden.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen

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