08.11.2018

Öko-Extremismus?

Gewalttätige Proteste im Hambacher Forst

Öko-Extremismus?

Gewalttätige Proteste im Hambacher Forst

Die Rodung im Hambacher Forst wurde vorübergehend gestoppt. ©pusteflower9024 - stock.adobe.com
Die Rodung im Hambacher Forst wurde vorübergehend gestoppt. ©pusteflower9024 - stock.adobe.com

Nachdem die Rodung im Hambacher Forst durch das Gerichtsurteil des nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster vom 5. Oktober 2018 vorübergehend gestoppt wurde, kehrte zunächst Ruhe in den hitzig geführten Kampf um die Erhaltung des Waldes ein. Doch nun beginnen die Proteste erneut.

Proteste im Hambacher Forst

Der Hambacher Forst ist ein etwa 200 Hektar großes Waldgebiet zwischen Köln und Aachen. Große Teile des Waldes und anliegende Gebiete mussten in den vergangenen Jahrzehnten sukzessive dem Tagebau weichen. Die ersten Protest-Gruppen gegen Umsiedlungs- und Rodungspläne bildeten sich bereits ab 1977. Mit den Rodungsvorhaben 2018 wurde der Ton rauer. Der Energiekonzern RWE hatte einen Großteil des verbliebenen Waldes abholzen wollen, um Braunkohle zu fördern, obwohl Deutschland im Jahr 2015 bereits den Beschluss für den Kohleausstieg gefasst hatte. Direkt an Neujahr 2018 starteten Aktivisten mit Sachbeschädigungen im „Hambi“, die das gesamte Jahr über dort stattfinden und ihren vorläufigen Höhepunkt im Spätsommer des Jahres finden sollten. Es waren vor allem der Tod eines Journalisten und die gewalttätigen Proteste, die zwar nur durch eine Minderheit der Demonstranten praktiziert wurden, die aber dennoch das Bild des Widerstandes im Hambacher Forst bestimmten.

Der Polizeieinsatz

Im Sommer 2018 geriet der Protest zu einem Kampf zwischen der Polizei, die die Räumung der Baumhäuser vornehmen sollte und gewalttätigen Demonstranten. Die Aachener Polizei meldete diverse Übergriffe auf Polizeibeamte durch Steinbewurf, Beschuss mit Pyrotechnik und Zwillen, sowie Angriffen mit Eisenstangen. Dabei verdreifachte sich die Anzahl der Aktivisten und Besetzerszene nicht nur, sie wurde auch mit den „neuen Kräften“, die zum Teil auch aus dem benachbarten Ausland kamen, deutlich radikaler und gewaltbereiter. Die Polizei vermutete vor allem gewaltbereite Linksextremisten unterschiedlicher Szenen, die dem Aufruf zum Protest folgten. Die Aachener Polizei stufte den Hambacher Forst am 31. August 2018 schließlich als „gefährlichen Ort“ nach § 12 des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) ein und führte in diesem Rahmen entsprechende Identitätsfeststellungen durch, der Schwerpunkt lag dennoch weiterhin auf deeskaltiven Strategien. Allein bis Ende August wurden laut Polizei über 80 Straftaten durch Aktivisten registriert. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministeriums seien 31.000 Polizisten zwischen dem 13. September und 8. Oktober im Einsatz gewesen und haben 378.857 Einsatzstunden geleistet. Mit den gewalttätigen Aktionen in dem Waldgebiet stellt sich die Frage nach der Gefährlichkeit sog. „Öko-Extremisten“, die in ihrem Engagement für die Umwelt auch Gewalt als legitimes Mittel betrachten.


Öko-Extremismus

Bei Bewegungen, die dem Öko-Extremismus bzw. dem Öko-Anarchismus zugeordnet werden, handelt es sich um militante Gruppen, die häufig nicht nur lokal, sondern länderübergreifend agieren. Aktuelle Phänomene wie Klimawandel und Umweltverschmutzung werden dabei weniger als zu lösendes Problem begriffen, sondern als Begleiterscheinung von Herrschaftsverhältnissen. Politisch und technokratisch gedachte Lösungen werden stets als unzureichend und verlogen kritisiert, da im Endeffekt das gesamte wirtschaftliche System dem Kapitalismus diene und das Ziel der Gewinnmaximierung der Nachhaltigkeit im Weg stehe. Wie groß die Anhängerschaft konkret ist und vor allem, wie viele Personen aus diesem Spektrum tatsächlich als gewaltbereit und extremistisch eingeschätzt werden müssen, ist unklar, denn das Phänomen „Öko-Extremismus“ ist im Verfassungsschutzbericht nicht ausgewiesen. Bei Teilen der gewalttätigen Protestler, wie eben auch im Hambacher Forst, kann es sich mitunter um linksextreme Aktivisten gehandelt haben, die darin lediglich eine Plattform für ihre Protestkultur gefunden haben.

Politischer und gesellschaftlicher Diskurs

Das Medieninteresse um den Hambacher Forst liegt vor allem in den Protesten begründet. Durch sie beschäftigen sich nun auch Menschen mit dem Vorgehen von Energiekonzernen und Widersprüchen in der deutschen Umweltpolitik, die ansonsten keinerlei thematischen Bezug oder Zugang dazu gehabt hätten. Dies können die Demonstranten durchaus als einen Erfolg ihrer Aktivitäten betrachten. Die Frage, die sich an dieser Stelle jedoch zwingend stellt, ist die, ob es dazu der Gewalt und insbesondere der Gewalt gegenüber Polizeibeamten bedurft hätte. Die Polizei als staatliche Exekutive hatte den Auftrag zur Räumung. Den Umstand der Rodung publik zu machen und Rechtsmittel einzulegen, entspricht einem rechtsstaatlich konformen Prozess. Und dieser Weg wurde auch gegangen. Daher darf man nicht den Fehler machen, alle Demonstranten über einen Kamm zu scheren. Doch denjenigen, die sich stets neue Formen der Gewalt gegen Polizeibeamte ausdachten, u.a. das Eimerweise Bewerfen mit Fäkalien, ist kein guter Wille zu unterstellen. Auch darf bei einem Teil der Demonstranten bezweifelt werden, dass sie wirklich der Naturschutz in das Waldgebiet geführt hat, oder nicht vielmehr eine Form des linksextremen Eventtourismus, in dem der eigentliche Anlass völlig nachrangig zur gewollten Gewalteskalation steht.

Fazit

In der Diskussion um das Vorgehen von RWE und der politischen Entscheidung dahinter zeigten sich diverse gesellschaftliche Zweifel. Und es gab auch Bilder vom Protest, auf denen ein Polizist Aktivisten half, einen Baum zu pflanzen und diese ihr Essen mit den Beamten teilten. Den Auftrag der Polizei, geltendes Recht durchzusetzen, bedeutet nicht, dass der einzelne Polizist gegen die Demonstranten und für die Rodung des Waldes ist. Doch gerade extremistische Gewalttäter sind nicht dafür bekannt, zu differenzieren. Insofern liegt es hier an den Demonstranten, die an einem friedlichen Protest interessiert sind, keinerlei Solidarität mit Gewalttätern zu zeigen. Doch auch die Polizei und insbesondere deren Kommunikation und Einsatztaktik steht unter genauer Beobachtung der Öffentlichkeit. Die kommenden weiteren Einsätze werden auch zeigen, wie sich der gesellschaftliche und politische Diskurs um Kohleausstieg, Waldrodung und der Position von (Energie-)Großkonzernen entwickelt.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen

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