15.11.2018

Fanatische Fans

Ein Albtraum nicht nur für Sportler

Fanatische Fans

Ein Albtraum nicht nur für Sportler

Penetrantes Verfolgen, Terror per Telefon oder Massen-E-Mails sind keine Kavaliersdelikte: Nachstellung ist in § 238 StGB unter Strafe gestellt. | © Jürgen Fälchle - stock.adobe.c
Penetrantes Verfolgen, Terror per Telefon oder Massen-E-Mails sind keine Kavaliersdelikte: Nachstellung ist in § 238 StGB unter Strafe gestellt. | © Jürgen Fälchle - stock.adobe.c

Die weltweit bekannte Eiskunstlauf-Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin Katarina Witt hat in einem Interview 2013 konstatiert, dass insbesondere Prominente von fanatischen Fans verfolgt werden können und dass es Stalking immer geben werde.[1] Besonders betroffen sind Sportler, Musiker, Schauspieler und sonstige Künstler. Opfer von Stalking kann aber letztlich jeder Mensch werden, egal ob prominent oder nicht.

Rechtsschutz gegen Stalking

„Stalking wird juristisch als Nachstellung bezeichnet, mithin als willentliches und wiederholtes (beharrliches) Verfolgen oder Belästigen einer Person, deren physische oder psychische Unversehrtheit dadurch unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedroht und geschädigt werden kann. Stalking ist in vielen Staaten ein Straftatbestand und Gegenstand psychologischer und kriminologischer Untersuchungen.“[2] In Deutschland sahen sich Opfer von Stalking lange Zeit von der Rechtsordnung und staatlichen Institutionen nicht hinreichend ernst genommen und geschützt. Erst zum 31. März 2007 wurde mit § 238 StGB der Straftatbestand der Nachstellung in das StGB eingeführt. Der englische Begriff „Stalking“ wurde indessen nicht im Gesetz verankert.

Diverse bei der Nachstellung vorkommende Verhaltensmuster wurden zwar schon zuvor durch andere Straftatbestände erfasst, wie beispielsweise den der Bedrohung, der Nötigung, der Beleidigung, des Hausfriedensbruchs, der Sachbeschädigung oder Verstöße gegen Verfügungen nach dem Gewaltschutzgesetz. Gesetzgeberische Triebfeder war es aber richtigerweise, mit dem Straftatbestand der Nachstellung, einen noch effektiveren Opferschutz sicherzustellen und Regelungslücken zu schließen. Rechtspolitisch wurde der Opferschutz im Bundesgebiet unterschiedlich nachhaltig befördert. Engagierte politische Statements kamen unter anderem aus Baden-Württemberg vom früheren Landesjustizminister Prof. Dr. Ulrich Goll, der zusammenfasste „Penetrantes Verfolgen des Ex-Partners, Telefonterror oder Massen-E-Mails sind keine Kavaliersdelikte“ und sich dafür einsetzte, dass der Bundesrat die damalige baden-württembergisch-hessische Initiative zur Bestrafung von Stalking beschließen konnte.[3] Zu einer Verbesserung des Opferschutzes führte auch eine Gesetzesnovelle vom 1. März 2017. Nach neuer Rechtslage reicht nunmehr eine Eignung der beharrlichen Nachstellungen zur schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung einer anderen Person aus. Der tatsächliche Eintritt einer solchen Beeinträchtigung beim Opfer ist damit nicht mehr erforderlich. Auch wenn sich der Rechtsschutz in Bezug auf die strafrechtliche Sanktionierung und durch diverse im Zivilrechtsweg erfolgreich durchgesetzte Entscheidungen gegen Stalker nachhaltig verbessert hat, so konnte das Phänomen des Stalkings noch nicht von der Bildfläche verdrängt werden. Nach wie vor werden Menschen Opfer von Stalking. Gerade im Sport tummeln sich Stalker, vornehmlich im Frauentennis, aber auch in anderen Sportarten, wie die „Welt“ 2013 diese Abgrunderscheinung sonniger sportlicher Erfolge zusammenfasste: „Monica Seles war der Anfang: Stalking ist im Sport weit verbreitet, gerade Tennis-Spielerinnen leiden unter dem Fanterror“.[4] Sportlern und Prominenten wird landläufig nachgesagt, dass sie für ihre eigene Sicherheit aufgrund unterstellter überdurchschnittlicher pekuniärer Möglichkeiten alles Erforderliche tun könnten, um in Frieden und Freiheit unbehelligt wirken und leben zu können. Diese Annahme wird ebenso in den Bereich der Übertreibungen gehören wie die Befürchtung, als „Normalo“ hätte man praktisch kaum Chancen gegen Stalker vorzugehen. Denn sowohl strafrechtlich wie auch zivilrechtlich gibt es verschiedene Möglichkeiten sich erfolgreich gegen Stalking zur Wehr zu setzen und entstandene materielle und immaterielle Schäden ersetzt zu verlangen.


Aktuelle Rechtsprechung zum Stalking

Dies zeigt auch ein aktueller Fall, den die Autoren begleitet haben. Einer Frau wurde entgegen ihrem ausdrücklich erklärten Willen über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren ständig im Bereich der Arbeitsstätte und der Wohnung nachgestellt. Darüber hinaus schrieb der Stalker der Frau und deren Arbeitskollegen zahlreiche E-Mails mit Liebesbekundungen, Beleidigungen und sexuellen Anzüglichkeiten. Nachdem eine Gefährderansprache durch die Polizei erfolglos blieb, erwirkte die Frau zunächst mehrere einstweilige Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz. Diese untersagten dem Stalker sich der Frau zu nähern sowie jegliche Kontaktaufnahme. Jedoch unterließ es der hartnäckige Stalker auch nach dem Erlass von Gewaltschutzanordnungen und der Verhängung von Ordnungsgeldern/ -haft und einer an ihn gerichteten Abmahnung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht, die Frau weiter zu belästigen.

Im gegen den Stalker angestrengten Zivilverfahren hat das Landgericht Stuttgart[5] den beklagten Stalker letztlich zu einer Geldentschädigung von 12.000,00 € sowie zur Erstattung von Anwaltskosten wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§ 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) und Verstoßes gegen den „Stalking-Paragraphen“ (§ 823 Abs. 2 i. V. m. § 238 Abs. 1 StGB) verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Stalkers hat das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss vom 18. 12. 2017[6] als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. Das Landgericht Stuttgart wertete die hartnäckigen Belästigungen durch den Stalker als schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin. Bei der Bemessung der Geldentschädigung wurde unter anderem berücksichtigt, dass der Stalker die Klägerin in fast allen Lebensbereichen behelligt hat, indem er sie an deren Arbeitsstätte und Wohnort aufgesuchte und fortdauernd per E-Mail kontaktierte. Auch sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Stalker die Frau in große Angst versetzt und sie ihrer Unbekümmertheit und Lebensfreude beraubt hat. Ebenfalls berücksichtigte das Gericht die Präventivfunktion der Geldentschädigung[7] und nahm Bezug auf ein Urteil des Landgerichts Kiel[8], welches in einem anderen Stalking-Fall eine Geldentschädigung in Höhe von 20.000,00 € für angemessen erachtete. Den Einwand der fehlenden Prozessfähigkeit, beruhend auf der Behauptung der Stalker leide am sog. De-Clérambault-Syndrom (Liebeswahn), wiesen die Gerichte mangels ausreichender Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit zurück. Auch zur Einholung eines medizinisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens sahen sich die Gerichte aufgrund der konkreten Umstände nicht veranlasst. In einem nachfolgenden Strafverfahren wurde der Stalker wegen Nachstellung und mehrerer Verstoße gegen das Gewaltschutzgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstraße von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Die Strafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt, was für große Erleichterung bei dem Stalking-Opfer sorgte.

Fazit

Diese zivil- und strafrechtlichen Urteile stärken die Rechte von Stalking-Opfern und zeigen, dass diesen erhebliche Geldentschädigungsansprüche gegen Stalker zustehen und gegen hartnäckige Stalker durchaus auch empfindliche Freiheitsstrafen verhängt werden können.

Dieser Beitrag stammt aus dem Wirtschaftsführer.

[1] www.planet-interview.de/interviews/katarinawitt/35716

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Stalking sowie

www.polizei-beratung.de/medienangebot/detail/ 45-stalking/

[3] https://fdp-bw.de/druckversion_presse.php?num=1020

[4] www.welt.de/print/wams/sport/article115670081/Stalker-tummeln-sich-gern-im-Frauen-Tennis.html

[5] LG Stuttgart, Urteil vom 16. 03. 2017 – 6 O 77/16 – unveröffentlicht

[6] OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. 12. 2017 – 6 O 77/16

[7] Vgl. BGH, Urteil vom 17. 12. 2013 – VI ZR 211/12 Rn. 38

[8] LG Kiel, Urteil vom 03. 07. 2012 – 17 O 77/11

Dr. Thomas A. Degen

Dr. Thomas A. Degen

Fachanwalt für IT-Recht; Zertifizierter Datenschutzbeauftragter TÜV Süd (DSB-TÜV); Lehrbeauftragter an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart (DHBW); Partner der Jordan & Wagner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Stuttgart
 

Benjamin Krahmer

Rechtsanwalt,
Maître en droit (Aix-en-Provence)
BSB Quack Gutterer, Stuttgart

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