15.08.2019

„Mitgegangen – mitgefangen“?

Die Haftung des Projektkoordinators bei EU-Förderverträgen für eigene und fremde Versäumnisse

„Mitgegangen – mitgefangen“?

Die Haftung des Projektkoordinators bei EU-Förderverträgen für eigene und fremde Versäumnisse

Projektkoordinatoren drohen Haftungsrisiken bei EU-Förderverträgen … | © Sven Hoppe - Fotolia
Projektkoordinatoren drohen Haftungsrisiken bei EU-Förderverträgen … | © Sven Hoppe - Fotolia

Eine Projektförderung durch die EU ist attraktiv, aber nicht ohne Mühe zu erhalten. Dazu muss ein kompetentes und effizientes Konsortium zusammengestellt werden, in der Regel mit Partnern aus mehreren Mitgliedstaaten und damit auch verschiedenen nationalen Rechtsordnungen. Es müssen dazu überzeugende Anträge vorbereitet, abgestimmt und eingereicht werden. Ziele, Deliverables, Zeitrahmen und Finanzierungen sind mit den Dienststellen der Europäischen Kommission oder den EU-Agenturen zu besprechen, die mit der Ausführung und Überwachung des jeweiligen Förderprojekts und der damit verbundenen Verträge betraut sind. In aller Regel trifft den Projektkoordinator die Aufgabe, diese Themen voranzutreiben. Bei der anschließenden Durchführung des Projekts kommt ihm ebenfalls im Verhältnis zur EU eine Sonderrolle zu, die Licht- und Schattenseiten hat. Vielfach wird übersehen, dass mit dieser Sonderrolle auch eine besondere Haftung gegenüber der EU verbunden ist, die sich auch aus Versäumnissen anderer Projektpartner ergeben kann, auf welche der Projektkoordinator nur bedingt, wenn überhaupt Einfluss hat. Im Folgenden werden die besondere Haftung des Projektkoordinators dargestellt und mögliche Vorkehrungen erläutert.

Förderrechtlicher Rahmen

Im Haushalt der EU sind erhebliche Mittel für Förderprogramme vorgesehen, die selten vollständig ausgeschöpft werden. Der Großteil des Fördervolumens (ca. 80 %) wird im Wege der sogenannten geteilten Mittelverwaltung über die Mitgliedstaaten vergeben. Unter die direkte Mittelverwaltung durch Stellen der EU fällt insbesondere die Forschungsförderung (insbes. „Horizont 2020“ bzw. künftig „Horizont Europa“, Mittelausstattung 2014-2020: ca. EUR 80 Mrd.). Aber auch zahlreiche andere Ziele der EU werden mit speziellen Programmen durch die EU gefördert. Darunter fallen etwa „Erasmus+“, das Programm zur Förderung von Bildung, Jugend und Sport (Mittelausstattung 2014-2020: ca. EUR 15 Mrd.) sowie aus dem Fond für innere Sicherheit (ISF, Mittelausstattung 2014-2020: ca. EUR 3,8 Mrd.) finanzierte Maßnahmen. Bei diesen Programmen werden sowohl Instrumente direkter als auch geteilter Mittelverwaltung angewandt.

Da die direkte Mittelverwaltung im Verhältnis zur EU und außerhalb eines nationalen Förderkontexts erfolgt, gilt – neben den Bestimmungen des jeweiligen Fördervertrages (Finanzhilfevereinbarung bzw. Grant Agreement) – grundsätzlich ausschließlich EU-Recht. Nur ergänzend sind die Förderverträge einem spezifischen nationalen Recht unterworfen, wobei die Kommission oder die EU-Agenturen oftmals belgisches Recht als subsidiär anwendbar vereinbaren, da dies das Recht ihres Sitzstaates ist. Den einzelnen Förderprogrammen liegen unterschiedliche Rechtsvorschriften zugrunde. Daraus ergeben sich im Detail abweichende Förderbedingungen. Bei allen Förderprogrammen gelten jedoch die Förderbedingungen der EU-Haushaltsordnung. Danach sind Kosten grundsätzlich nur zu erstatten, wenn sie identifizierbar, überprüfbar oder begründet sind sowie den Grundsätzen einer soliden Finanzverwaltung entsprechen. Zudem sind nach der EU-Haushaltsordnung Finanzhilfen im Falle von Unregelmäßigkeiten (d.h. Verstößen, die zu einer Schädigung des EU-Haushalts führen) auszusetzen, zu kündigen oder zu kürzen.


Außenverhältnis: Haftung gegenüber der EU

Die Rechte und Pflichten der einzelnen Begünstigten und die Rolle des Koordinators werden in den Finanzhilfevereinbarungen im Einzelnen geregelt. Dabei können die Regelungen geringfügig oder auch erheblich voneinander abweichen, je nachdem welches Förderprogramm oder auch welche Förderperiode einschlägig ist. Förderempfänger (z.B. Hochschulen), die eine Vielzahl von Förderverträgen aus unterschiedlichen Sachbereichen und Zeitperioden ausführen, können daher unterschiedlichen Rechtsregimen unterworfen sein, die es im Einzelfall sauber zu ermitteln gilt.

Der Inhalt der Finanzhilfevereinbarungen ergibt sich primär aus Mustervereinbarungen, die für die einzelnen Förderprogramme bestehen, und die bei der Anwendung auf die einzelnen Projekte allenfalls geringfügig modifiziert werden. Die Mustervereinbarungen der unterschiedlichen Förderprogramme unterscheiden sich im Falle von Projekten mit mehreren Begünstigten allerdings hinsichtlich der Ausgestaltung der Haftung des Koordinators gegenüber der EU zum Teil deutlich. Den Finanzhilfevereinbarungen ist zwar das Leitbild gemeinsam, dass jeder Begünstigte für seinen Teil der Förderung verantwortlich ist. Dies bedeutet, dass jedem Begünstigten die Kosten erstattet werden, sofern sie nach dem Vertrag förderfähig sind. Sind dagegen bestimmte Kosten nicht förderfähig, entfällt für ihn die entsprechende Förderung und die bereits gewährte Förderung muss zurückerstattet werden. Jedoch sind die Regelungen uneinheitlich hinsichtlich der Rückforderung, falls die Projektpartner die Mittel nicht (rechtzeitig) zurückzahlen.

Für diesen Fall ist in einigen Finanzhilfevereinbarungen (z.B. Tempus IV-Programm, Version Januar 2013; Erasmus+, Version März 2018) vorgesehen, dass der Koordinator den Betrag erstattet, selbst wenn er nicht der Endbegünstigte der von der Rückforderung betroffenen Förderung war. Andere Musterfinanzhilfevereinbarungen (z.B. Programme des Internal Security Fund, Version 2.0) sehen dies ebenfalls als Standardregelung vor, optional kann jedoch eine gesamtschuldnerische Haftung aller Begünstigten vereinbart werden. Dagegen ist nach der allgemeinen Musterfinanzhilfevereinbarung für das Programm Horizont 2020 (Fassung 5.0) die finanzielle Verantwortung von jedem Begünstigten für den Fall einer Wiedereinziehung auf den Betrag beschränkt, den dieser Begünstigte der Kommission bzw. der EU-Agentur schuldet. Die Kommission oder EU-Agentur, welche den Vertrag verwaltet, kann die überzahlte Horizont 2020-Förderung nur dann vom Koordinator einziehen, wenn dieser keinen Bericht über die Verteilung der Zahlungen eingereicht hat.

Die Regelungen zur Rückforderung gegenüber dem Koordinator tragen dem Interesse der EU Rechnung, den Koordinator als Hauptansprechpartner zu haben und ihn auch im Zweifelsfall in Anspruch nehmen zu können. Nach negativen Erfahrungen in der Vergangenheit sollen diese vergleichsweise strengen Regelungen sicherstellen, dass die Kommission und die Agenturen Rückforderungen auch praktisch durchsetzen können. Die Durchsetzung gegenüber einer Vielzahl von (potenziellen) Schuldnern wäre aufwendig, zumal sie die Verantwortung der einzelnen Begünstigten in der Regel nicht beurteilen können. Die großzügigere Lösung im Rahmen von Horizont 2020 ist offenbar damit gerechtfertigt, dass 5 % der bewilligten Höchstfördersumme in einen Garantiefonds einbezahlt werden, auf den die EU bei Rückforderungen zurückgreifen kann.

Für den Koordinator führen diese Bestimmungen in den Finanzhilfevereinbarungen dazu, dass ihn eine Rückforderung treffen kann, wenn den Zahlungen der EU keine förderfähigen Kosten gegenüberstehen. Dies kommt beispielsweise in Betracht, wenn sich Belege als nicht hinreichend belastbar oder sogar inkorrekt erweisen oder Personalkosten nicht korrekt erfasst und nachgewiesen werden. Daher können die finanziellen Konsequenzen eines Verstoßes in einigen Konstellationen – je nach konkretem Inhalt der Finanzhilfevereinbarung – den Koordinator treffen, obwohl im Grundsatz jeder Begünstigte dafür verantwortlich ist, dass die von ihm geltend gemachten Kosten förderfähig sind. Das kann insbesondere dann in Konsortien praktische Probleme aufwerfen, wenn Projektpartner mit unterschiedlichen Ressourcen und Erfahrungen zusammenarbeiten. Aber auch dann gilt im Zweifel „mitgegangen, mitgefangen“.

Innenverhältnis: Haftungsprävention und Haftungsregelungen im Konsortium

Eine Rückforderung lässt sich bis zu einem gewissen Grad durch die Auswahl zuverlässiger Konsortialpartner und die Kommunikation mit ihnen vermeiden. Der Projektkoordinator sollte darauf hinwirken, dass die Konsortialpartner mit den Anforderungen, die sich aus der Finanzhilfevereinbarung ergeben, vertraut sind und Maßnahmen zu deren Umsetzung ergreifen. Dazu sollte er den Partnern die erforderlichen Hinweise geben. Die Kommission und die EU-Agenturen stellen in der Regel recht umfangreiche Informationen zur Verfügung, die bei der Durchführung des Projekts hilfreich sein können. Viele Fehler lassen sich zudem durch eine gewisse Erfahrung und Routine vermeiden. Um das dazu erforderliche Know-how aufzubauen und zur Verfügung zu stellen, ist es sinnvoll, in Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen, die wiederholt an EU-geförderten Projekten beteiligt sind, zentrale Ansprechpartner zu bestimmen.

Allerdings können Fehler auch durch eine gute Auswahl, Kommunikation und Organisation nicht vollständig vermieden werden. Der Koordinator hat zudem auf die Umsetzung bei den Partnern nur begrenzten Einfluss. Daher sollte der Koordinator prüfen, ob und, falls ja, wie er sich gegen die Haftung für Fehler von Projektpartnern absichert. Dies ist desto wichtiger, je höher die Fördervolumina sind.

Das Verhältnis der Begünstigten untereinander (einschließlich des Koordinators) lässt sich in einem Konsortialvertrag regeln. Dabei wird vielfach eines der DESCA Model Consortium Agreements als Grundlage verwendet und an das spezifische Projekt angepasst. Durch einen Konsortialvertrag kann zwar nicht die Haftung gegenüber der EU modifiziert werden, die sich aus der jeweiligen Finanzhilfevereinbarung ergibt. Im Innenverhältnis können aber Regelungen zu den Rechten und Pflichten der Projektpartner getroffen werden. Zu denken ist etwa an eine Freistellung des Koordinators von durch einen Begünstigten verursachten Rückforderungen. Dabei sollten die Voraussetzungen eines Freistellungsanspruchs und insbesondere die Nachweisobliegenheiten klar geregelt werden. Es kann auch erwogen werden, ob im Einzelfall ein Ausfallrisiko besteht, das es rechtfertigt, Sicherheiten von den Projektpartnern zu verlangen.

Fazit

EU-Projekte leben davon, dass sie von einem Koordinator initiiert und vorangetrieben werden. Selbst bei einem Konsortium von zuverlässigen, engagierten und kompetenten Projektpartnern bringt diese Rolle eine erhebliche Verantwortung mit sich. Der Koordinator kann seine Aufgaben teilweise auf Dienstleister auslagern, bleibt aber letzten Endes dafür verantwortlich. Daher sollte sich der Koordinator bereits in der Planungs-/Antragsphase seine eigene Stellung klarmachen und mit den Projektpartnern die Aufteilung der Verantwortung besprechen. Um das Haftungsrisiko zu minimieren, sollten in den Konsortialvertrag klare Regelungen für den Fall von Rückforderungen aufgenommen werden. Dies gilt umso mehr, wenn, wie zumeist, die Projektpartner in unterschiedlichen Mitgliedstaaten und damit Rechtsordnungen ansässig sind.

 

Prof. Dr. Robin van der Hout

Rechtsanwalt / Advocaat, Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel
 

Dr. Christian Wagner

Rechtsanwalt, Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel

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