11.02.2022

Mindset, Karriereplanung und Disziplin

Welche Schritte bereits im Jurastudium sinnvoll sind

Mindset, Karriereplanung und Disziplin

Welche Schritte bereits im Jurastudium sinnvoll sind

Ein Blick über den Tellerrand hinaus ist nicht nur „nice to have“, sondern heutzutage essenziell. © Matthias Enter - stock.adobe.com
Ein Blick über den Tellerrand hinaus ist nicht nur „nice to have“, sondern heutzutage essenziell. © Matthias Enter - stock.adobe.com

Am Ende der juristischen Ausbildung muss nicht zwingend eine klassische juristische Tätigkeit stehen. Wie Karriereplanung gelingt und welche Schritte bereits im Studium sinnvoll sind, beschreibt der folgende Beitrag.

Jurastudenten* und Referendare sind es gewohnt, einem vorgezeichneten Pfad zu folgen: Studium, Referendariat und danach Rechts- bzw. Staatsanwalt, Richter, Verwaltungsbeamter oder Angestellter in einer Rechtsabteilung. Dieser Beitrag möchte dazu anregen, den Blick vom Paragraphen-Dschungel für eine Weile gegen einen Blick aus der Vogelperspektive einzutauschen, um so ein neues Spektrum an Möglichkeiten für die eigene (Karriere-) Entwicklung kennenzulernen. In einem zweiten Schritt geht es darum, wie man diszipliniert den selbst ausgearbeiteten Plan in die Tat umsetzt. Viele Juristen erachten es aufgrund des starren Ausbildungscurriculums für nicht notwendig, ihre Karriere weit im Voraus zu planen. Ist diese These sinnvoll?

Möglichkeiten der Karriereentwicklung

Studium und Grundprinzipien


Zu Beginn des Studiums sind neben den Klausuren auch Hausarbeiten zu schreiben, die i.d.R. in den Semesterferien bearbeitet werden. Da bleibe einem gar keine Zeit mehr, denkt sich der Student im ersten Semester. Doch weit gefehlt: Was hält den Studenten davon ab, die Hausarbeit in zwei arbeitsintensiven und konzentrierten Wochen zu schreiben und die restlichen acht Wochen ein Praktikum zu absolvieren? So kommt man bei einer Studienzeit von sechs Semestern zzgl. Examensvorbereitung auf sechs Praktika. Aber ist das nicht irgendwann langweilig? Vielleicht, jedenfalls wenn man immer in der gleichen Branche, der gleichen Unterspezialisierung und in der gleichen Firma seine Praktika absolviert. Doch empfiehlt es sich, möglichst verschiedene Branchen und Spezialisierungen kennen zu lernen, je nach Neigung, Bedarf und Talent: beispielsweise das erste in einer Menschenrechtsorganisation, das zweite in einer Großkanzlei, das dritte in einem Ministerium, das vierte in einer Unternehmensberatung.

Es müssen – und diese Erkenntnis ist wichtig – auch keine genuin juristischen Bereiche sein, in denen man ein Praktikum macht: Von Landtags- bzw. Bundestagsabgeordneten, politischen Interessenverbänden, über Unternehmensberatungen und Industrie- bzw. Dienstleistungsunternehmen bis hin zu staatlichen Einrichtungen, wie z. B. Flüchtlingshilfe oder auch Theater bzw. Oper ist alles möglich.

Unter einigen Studenten haben Praktika den Ruf, man werde als günstige Arbeitskraft eingesetzt und so seiner wertvollen Freizeit beraubt. Doch weit gefehlt. Gerade diese Praktika sind wie Raumsonden, die man entsenden kann, um herauszufinden, welche beruflichen Bereiche einem liegen und welche nicht. Hierin liegt die erste Erkenntnis aus der Vogelperspektive: Ein Umdenken dahingehend, dass Praktika sehr wertvoll sein können und man das Privileg, solche absolvieren zu können, eifrig nutzen sollte. Die zweite Erkenntnis liegt im universitären Bereich: Die meisten Jurastudenten neigen dazu, sämtliche universitären Angebote, die nicht unmittelbar examensrelevant sind, zu ignorieren. Die Anwesenheitszahlen bei solchen Veranstaltungen bestätigen dies. Mit Sicherheit muss dem Studium der examensrelevanten Inhalte die höchste Priorität eingeräumt werden. Ein Blick über den Tellerrand hinaus (z. B. ein Kurs zu Verhandlungsführung oder entlegenen Rechtsgebieten) ist jedoch nicht nur „nice to have“, sondern heutzutage essenziell: zum einen, um sich von anderen abzuheben, und zum anderen, um seine eigene Persönlichkeit als Jurist und Mensch zu entwickeln und zu festigen.

Die dritte Erkenntnis liegt im privaten Bereich. Der Ökonom und Nobelpreisträger F. A. von Hayek stellte bereits fest, dass man einen schlechten Ökonomen daran erkennen könne, dass er nur Ökonom sei. Das gilt auch für Juristen. Die private Beschäftigung mit und die Muße für Themen wie Kunst, Kultur, Literatur, Architektur usw., aber auch das ehrenamtliche Engagement sorgen nicht nur dafür, dass der Jurist als solcher ein besserer und fähigerer wird, sondern auch dafür, dass man als Mensch und Gesprächspartner interessanter wird. Privates und Berufliches lässt sich also doch nicht so scharf trennen, wie es sich die Work-Life-Balance-Bewegung wünscht.

Referendariat und Master

Zunächst ist festzustellen, dass sämtliche, oben dargestellten Erkenntnisse auch auf Referendariat, wissenschaftliche Mitarbeit und Promotion übertragbar sind. Gerade die richtige Wahl der Stationen ist aufgrund des immer näher rückenden Berufseinstieges von hoher Wichtigkeit. Insbesondere bei der Wahl des Masterstudiengangs herrscht im Wesentlichen ein sehr enger Blickhorizont. Die meisten Juristen absolvieren noch immer juristische Master, dabei gibt es viele unterschiedliche Programme, unter denen man wählen kann, allen voran der MBA (Master of Business Administration). Hier empfiehlt es sich, einen Schritt zurückzugehen und sich zunächst zu fragen, ob es überhaupt ein juristischer Master sein soll.

Berufseinstieg

Wer bewusst viele verschiedene Praktika absolviert und seine Referendariatsstationen klug gewählt hat, kann eine viel fundiertere und reflektierte Entscheidung über den eigenen Berufseinstieg fällen. Die Gefahren eines misslungenen Berufseinstiegs sind stets präsent: Ein schneller Wechsel wirkt auf spätere Arbeitgeber eher unattraktiv.

Planerstellung

All diese Gedanken sollten nicht lose im Kopf herumschwirren, sondern schriftlich in einem Plan fixiert werden. Dazu empfiehlt es sich, diese beispielsweise jeden zweiten Sonntag drei Stunden nach dem Frühstück zu dokumentieren. Die kontinuierliche Beschäftigung mit dem eigenen Plan ist essenziell, denn einen solchen zu entwickeln, ist ein Prozess, und dies geschieht nicht über Nacht. Parallel dazu lohnt es sich, einschlägige Literatur zu lesen, auszuwerten und für die eigene Planerstellung nutzbar zu machen.1

Zwischenfazit

Die Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Ein Jurist muss nicht notwendigerweise als reiner Jurist tätig sein.
  2. Viele Praktika während des Studiums zu absolvieren, ist sehr wertvoll.
  3. Die universitären Angebote außerhalb der Examensrelevanz sind zu nutzen.
  4. Die private Beschäftigung mit nichtjuristischen Themen und das ehrenamtliche Engagement sind notwendige Bedingungen, um als Jurist bzw. Mensch besser und interessanter zu werden.
  5. Referendariatsstationen sollten im Hinblick auf die spätere Berufswahlentscheidung gewählt werden.
  6. Ein Jurist darf auch einen nicht-juristischen Master absolvieren.
  7. Der eigene Plan muss in einem kontinuierlichen Prozess ausgearbeitet und aufgeschrieben werden.

Umsetzung des eigenen Karriereplans

Die Ausarbeitung des eigenen Karriereplans ist der gedankliche Sockel, auf dem alles Weitere aufbaut. Doch unabhängig davon, wie gut der eigene Plan ist: Er ist maximal so gut wie seine Umsetzung. Ohne optimale Umsetzung ist er wertlos. Ideen und Pläne gibt es heutzutage zu viele. Die wichtigste Erkenntnis zuerst: Das Umsetzen von Vorhaben lernt der Jurist in seiner Ausbildung nicht. Das bedeutet, er muss es sich eigens im Selbststudium und durch Ausprobieren beibringen.

Richtige Formulierung des Karriereplans

Die richtige Formulierung von Plänen und Zielen ist eine Wissenschaft für sich. Grundsätzlich gilt die SMART-Methode, die von einem Ziel verlangt, dass es spezifisch, messbar, aktivierend, realistisch und terminiert sein muss.2 Die Antwort auf die eingangs erwähnte These fällt leicht: Wer selbst nicht plant, wird von anderen für deren Zwecke eingeplant. Gleichzeitig gilt es, den eigenen Plan nicht mit Scheuklappen zu verfolgen, sondern stets wachsam für sich bietende Gelegenheiten zu sein.

Konkreter Tipp: Disziplin

Zur Umsetzung eines Plans ist neben vielen anderen Eigenschaften, wie z. B. Kreativität, Langfristigkeit und Bedacht, insbesondere Disziplin notwendig. Auch wenn Disziplin heute einen spießigen Ruf hat, lohnt es sich, sich die Wortherkunft genauer anzuschauen. Disziplin kommt vom lateinischen ‚discipulus‘ und bedeutet ‚gänzlich erfassen‘. Das heißt: Wer diszipliniert ist, erfasst eine Sache in ihrer Gesamtheit. Um etwas in seiner Gesamtheit zu erfassen, muss man alles aus sich herausholen. Es wäre also Verschwendung, wenn man unter seinem Potenzial bleiben würde. Sich selbst zu disziplinieren folgt ähnlichen Mustern wie die sonstige eigene Disziplinierung: entscheidend sind Konditionierung, „Sanktion“ und Belohnung. Diese gilt es für sich selbst jeweils im Voraus festzulegen.

Zusätzlich kommt es darauf an, die für einen selbst relevanten messbaren Statistiken herauszufinden (z. B. effektive Lernstunden pro Tag, abrechenbare Arbeitsstunden pro Monat, Klausurergebnisse usf.). Die Belohnungen und „Sanktionen“ sollten dann an das (Nicht-)Erfüllen vorgegebener Mindestwerte der eigenen Statistiken gebunden sein.

Erfolgskontrolle und Reflexion

Vier Mal im Jahr empfiehlt es sich, eine ausführliche Kontrolle und Reflexion über die Umsetzung der eigenen Ziele vorzunehmen.3

 

Dieser Beitrag stammt aus dem Wirtschaftsführer für junge Juristen, Ausgabe 1/2021.

 

*) Im Interesse der besseren Lesbarkeit wird nicht ausdrücklich in geschlechtsspezifischen Personenbezeichnungen differenziert. Die gewählte männliche Form schließt alle anderen Formen gleichberechtigt ein.

1) Zu empfehlen sind u. a. Römermann/Paulus, Schlüsselqualifikationen für Jurastudium, Examen und Beruf, 2003, sowie Moritz/Rimbach, Soft Skills für Young Professionals, 2006.

2) Vgl. hierzu Moritz/Rimbach (Fn. 1); ebenfalls empfehlenswert der Management-Klassiker von Peter Drucker, The Effective Executive, New York 1967.

3) Eine hervorragende Anleitung hierzu bieten Assig/Echter, Ambition. Wie große Karrieren gelingen,2019.

 

Valentin L. Fischer

Rechtsreferendar und Doktorand, Humboldt-Universität zu Berlin
n/a