15.08.2012

Konversion ehemaliger Militärflächen

Wie bleibt die Gemeinde Herrin des Verfahrens?

Konversion ehemaliger Militärflächen

Wie bleibt die Gemeinde Herrin des Verfahrens?

Bei der Bewältigung der Folgen des Bundeswehrabbaus werden Kommunen zu Hauptakteuren von Konversionsprojekten. | © pb press - Fotolia
Bei der Bewältigung der Folgen des Bundeswehrabbaus werden Kommunen zu Hauptakteuren von Konversionsprojekten. | © pb press - Fotolia

In Deutschland existieren noch immer viele ehemalige Militärflächen. Nicht nur in den bekannten Garnisonsstädten, sondern über die gesamte Republik verteilt befinden sich vormals militärisch genutzte Liegenschaften der Bundeswehr und der verbündeten Streitkräfte. Die vorgenommene Truppenreduzierung und der Abzug der alliierten Streitkräfte brachten es seit den 1990er Jahren mit sich, dass zahlreiche militärische Liegenschaften in Deutschland für eine zivile Nutzung freigegeben wurden. Seit 1990 hat der Bund, zuletzt über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA), rund 50.000 ehemalige Militärflächen mit einem Gesamtverkehrswert von über 15 Milliarden € verkauft und einer zivilen Nutzung zugeführt. Im Jahre 2009 verfügte die Bundeswehr noch über weitere 2500 abzugebende Liegenschaften mit einer Grundstücksfläche von mehr als 300.000ha.

Grundsätzlich unterliegen militärische Flächen nicht der Planungshoheit der Gemeinde und können daher nicht einfach durch einen Bebauungsplan überplant werden. Zuvor ist zur Freigabe der Liegenschaft eine Abgabeerklärung des Bundesministers der Verteidigung erforderlich; erst danach erfolgt der Wechsel zurück zur kommunalen Planungshoheit. Anders als bei eisenbahnrechtlich gewidmeten Flächen ist hierfür eine förmliche Entwidmung nicht erforderlich.

Flächen, die demnach aufgegeben und von der Nutzung durch Bundeswehr oder alliierte Streitkräfte geräumt wurden, verbleiben zunächst im Eigentum der BIMA. Für die Kommunen als Träger der Planungshoheit stellt sich dann die Frage, wie diese Flächen, die oftmals in zentralen innerstädtischen Lagen oder auf „Filetgrundstücken“ im Gemeindegebiet liegen, künftig einer angemessenen und zukunftsweisenden städtebaulichen Entwicklung zugeführt werden können.


Dabei sind die Zielsetzungen der Gemeinden häufig klar: Viele Gemeinden sind bestrebt, die Entwicklung von neuen, lebendigen Stadtteilen mit gemischten Nutzungen strukturiert zu fördern. Gerade auch für Gelände, die grundsätzlich für verschiedene Nutzungen geeignet sind, wollen Gemeinden eine geordnete städtebauliche Entwicklung vollziehen. Dabei ist primäres Ziel, „Herrin“ des Planungsverfahrens zu sein und damit die städtebauliche Entwicklung auch in Zukunft koordinieren zu können. Hierfür ist zu entscheiden, ob die Kommunen sich die Option sichern wollen, Flächen des Konversionsareals selbst zu erwerben und sie dann einer Entwicklung und Erschließung zuzuführen oder ob sie lediglich die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine künftige nichtmilitärische Nutzung durch private Investoren schaffen wollen.

Insofern können sich die Kommunen auch die weitere Option offenhalten, mit dem jeweiligen Eigentümer der Flächen im Zuge von Vereinbarungen auch ohne einen Erwerb sicherzustellen, dass die kommunalen Entwicklungsziele umgesetzt werden. Wichtig für Kommunen ist regelmäßig, dass die Entwicklung der Konversionsfläche nicht zu unvertretbaren Kosten führt bzw. dass die aus der Entwicklung entstehenden Kosten im gesetzlich zulässigen Rahmen auch unter den Verfahrensbeteiligten aufgeteilt werden können. Die Planungsvorstellungen der übrigen Verfahrensbeteiligten sind ebenfalls häufig identisch: Aus Sicht der BIMA ist ein kurzfristiger Verkauf der Grundstücke angestrebt. Für private Nutzer, die von der BIMA erwerben, gilt es regelmäßig, möglichst schnell Baurecht für neue Projekte zu schaffen.

Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen

Aus Sicht der betroffenen Kommunen kommen städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen nach BauGB für das gesamte Konversionsareal in Betracht. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen sind Instrumente für besonders gelagerte städtebauliche Situationen, insbesondere auch für Konversionsflächen, in denen die übrigen städtebaulichen Instrumente voraussichtlich nicht zum angestrebten Erfolg führen. Der Einsatz städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen muss daher grundsätzlich zurückhaltend erfolgen, wenn auf der Grundlage von Beschlüssen der Gemeinde für das gesamte örtliche Konversionsareal ein Satzungsbeschluss über die förmliche Festlegung und Bezeichnung des städtebaulichen Entwicklungsbereichs zu treffen ist. Vorteil dieses Verfahrens ist die Möglichkeit für die Kommunen, Kosten für Maßnahmen, die der Vorbereitung und Durchführung der Gebietsentwicklung dienen, im Wege von Ausgleichsbeiträgen auf die Grundstückseigentümer, also auch auf die BIMA bzw. deren Käufer, umzulegen. Damit kann die Erhöhung des Bodenwertes der Grundstücke abgeschöpft werden. Hier tritt die Bodenwertabschöpfung an die Stelle des Umlegungs- und Erschließungsbeitragsrechts. Die Abschöpfung würde diejenigen Eigentümer treffen, die ihre Grundstücke im Entwicklungsbereich behalten, an denen also die Kommune selbst kein Eigentum erwirbt. Sie haben deshalb einen Ausgleichsbeitrag in Höhe der entwicklungsbedingten Wertsteigerung an die Gemeinde zu entrichten. Nachteil solcher städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen ist jedoch grundsätzlich ihre längere Verfahrensdauer. Regelmäßig laufen solche Maßnahmen bis zum vollständigen Abschluss im gesamten Entwicklungsgebiet und erfordern zusätzlich die Aufstellung von Bebauungsplänen. Einzelne Grundstücke können nach der förmlichen Einleitung des Verfahrens nur ausnahmsweise vor Beendigung der Gesamtmaßnahmen wieder aus dem Entwicklungsgebiet entlassen werden. Auch sind Baugenehmigungen für Eigentümer, die Umnutzungen vornehmen wollen, grundsätzlich genehmigungsbedürftig; die Genehmigung ist am Ziel der Entwicklungsmaßnahmen zu messen.

Reine Bebauungsplanlösung

Alternativ kann die Gemeinde eine reine Bebauungsplanlösung für das gesamte Konversionsareal umsetzen, um die Entwicklungsziele zu erreichen. Die Durchführung eines solchen „klassischen“ städtebaulichen Mittels kann häufig ausreichen, um die Planungsvorstellungen der Gemeinde ohne Durchführung eines zeitintensiven Entwicklungsverfahrens umzusetzen. Nachteil dieser Lösung ist jedoch, dass aufgrund einer noch nicht feststehenden Eigentümervielzahl häufig Bebauungsplanverfahren nicht allen künftigen Planungsvorstellungen gerecht werden können. Konversionsflächen ermöglichen häufig flächenintensive Nutzungen. Es ist eine große Herausforderung, solche Flächen vollständig zu entwickeln, ohne förmliche Instrumente städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen heranzuziehen. Die Entwicklung eines Konversionsareals zieht zumeist auch erhebliche Kosten nach sich, insbesondere für die Altlastensanierung und Schaffung von Verkehrsinfrastruktur. Wenn im Rahmen eines reinen Bebauungsplanverfahrens nicht alle Eigentümerinteressen, insbesondere die Interessen künftiger Eigentümer als Rechtsnachfolger der BIMA, bekannt sind, besteht die Gefahr, dass die Gemeinde an dem prognostizierten künftigen Bedarf „vorbeiplant“, jedenfalls aber Kosten aufwendet, die sie dann wohl nicht auf die späteren Eigentümer umlegen kann.

Kombinierte Lösung

Schließlich kann eine Gemeinde auch eine reine Bebauungsplanlösung nur für diejenigen Flächen treffen, deren künftige Nutzung bereits feststeht und im Übrigen städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen für das restliche Konversionsareal einleiten. Wenn und soweit bereits für einzelne Grundstücke konkrete Planungsvorstellungen der Investoren vorliegen und sich damit für diese Grundstücke der verfolgte Entwicklungszweck nicht realisiert, das heißt, dass das Gemeinwohl ihre Einbeziehung in den Entwicklungsbereich nicht mehr fordert, kann sich die Möglichkeit der Gemeinde, solche Grundstücke aus dem Entwicklungsbereich auszunehmen, sogar zu einer Rechtspflicht verdichten. Für solche Grundstücke kann es zweckmäßig sein, in einem Durchführungsvertrag zu einem Vorhaben- und Erschließungsplan die Beteiligung an den Kosten der Gebietsaufwertung einschließlich der Erschließungsanlagen zu vereinbaren oder dies im Rahmen eines „klassischen“ städtebaulichen Vertrages zu regeln. Der Vorteil dieser Lösung besteht darin, dass trotz des Wegfalls der Wertabschöpfung im Wege von Ausgleichsbeiträgen die Kommune im Rahmen von städtebaulichen Verträgen die Kosten der Gebietsentwicklung als Folgekosten auf den Grundstückseigentümer umlegen kann. Folgekostenfähige Maßnahmen sind demnach auch Aufwendungen für soziale Einrichtungen, die der Versorgung des Gebietes dienen. Hierzu gehören unter anderem die Errichtung oder Erweiterung von Kindergärten oder Kindertagesstätten, Grundschulen, Kinderspielplätzen, Bolzplätzen oder anderer Sportanlagen sowie von Freizeit- und Erholungsflächen.

Entwickelt die Gemeinde einen ganzen Stadtteil neu, kann der Kreis der städtebaulichen Maßnahmen unter Umständen noch weiter gefasst werden und auch ÖPNV-Anschlüsse für neue Bus- oder Stadtbahnlinien, Bürgerzentren und Kulturzentren enthalten. Solche Kostenvereinbarungen in städtebaulichen Verträgen würden dazu führen, dass die Gebietsaufwertungskosten einschließlich der Erschließungskosten weitgehend auf den Grundstückseigentümer abgewälzt werden könnten, so dass dieser mit den Eigentümern im förmlich festgesetzten Entwicklungsgebiet wirtschaftlich gleichgestellt wäre.

Fazit

Im Ergebnis bestehen für Kommunen, in deren Gemeindegebiet Konversionsflächen liegen, verschiedene Möglichkeiten, ihre städtebaulichen Ziele umzusetzen, Herrin des Verfahrens zu bleiben und gleichermaßen den Interessen der weiteren Verfahrensbeteiligten Rechnung zu tragen. Für welchen Weg sich die Kommune entscheidet, hängt maßgeblich von den Planungsvorstellungen der Kommune selbst, aber auch von den Nutzungsinteressen der Investoren ab. Allen Maßnahmen ist gemein, dass die Kommune – über kurz oder lang – rechtliche Möglichkeiten hat, die ihr für die Entwicklung des Areals entstehenden Kosten ganz oder zum großen Teil auf die späteren Grundstückseigentümer umzulegen. In einer solchen komfortablen Situation bleibt genügend Raum für eine geordnete städtebauliche Planung.

 

Prof. Dr. Stefan Pützenbacher, Notar

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Kanzlei Kapellmann und Partner, Frankfurt am Main; Honorarprofessor für Baurecht an der Frankfurt University of Applied Sciences
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