15.08.2012

Globales Denken lokal verankern

Aktuelle Studie zur Nachhaltigkeitssteuerung in den Kommunen

Globales Denken lokal verankern

Aktuelle Studie zur Nachhaltigkeitssteuerung in den Kommunen

Nachhaltigkeit ist bereits ein kommunales Thema – Nachhaltigkeitssteuerung sollte es werden. | © DOC RABE Media - Fotolia
Nachhaltigkeit ist bereits ein kommunales Thema – Nachhaltigkeitssteuerung sollte es werden. | © DOC RABE Media - Fotolia

Nachhaltigkeit ist nicht erst seit dem UN-Jubiläumsgipfel „Rio +20“ im Juni dieses Jahres in aller Munde und obwohl die Enttäuschung über die Ergebnisse zum Teil groß ist, sollte nicht vernachlässigt werden, dass seit dem Weltgipfel in Rio de Janeiro 1992 doch einiges geschehen ist. Neben zahlreichen zivilgesellschaftlichen Bewegungen, zum Beispiel den Agenda-21-Gruppen, wurden in den letzten 20 Jahren Ansätze zur Förderung von Nachhaltigkeit und einer nachhaltigen Entwicklung auf allen föderalen Ebenen (Bund, Länder und Kommunen) etabliert.

Beispielhaft seien hier nur die 2002 auf Bundesebene verabschiedete nationale Nachhaltigkeitsstrategie, die kontinuierlich evaluiert und fortentwickelt wird, sowie die Verabschiedung von weiteren Nachhaltigkeitsstrategien in einigen Bundesländern genannt. Am vielfältigsten sind die Entwicklungen wohl auf der kommunalen Ebene. „Think global, act local“ ist eines der Schlagwörter der globalen Nachhaltigkeitsbewegung. Auch im Abschlussdokument der diesjährigen „Rio +20“-Konferenz wurde die Bedeutung der Kommunen an verschiedenen Stellen erneut hervorgehoben und dazu aufgefordert, gerade auf dieser Ebene das Thema Nachhaltigkeit weiter voranzutreiben. Wie weit sind hier die deutschen Kommunalverwaltungen? Dieser Frage widmet sich die jüngst veröffentlichte Studie „Kommunale Nachhaltigkeitssteuerung – Umsetzungsstand bei großen Städten und Landkreisen“ des Instituts für den öffentlichen Sektor e.V. in Kooperation mit der Leuphana Universität Lüneburg sowie der Stadt Freiburg im Breisgau.

Für die Studie wurden Ende 2011/Anfang 2012 erstmalig die (Ober-) Bürgermeister und Landräte der 371 größten deutschen Kommunen (Städte über 40.000 Einwohner, Landkreise über 200.000 Einwohner) zum Statusquo der Nachhaltigkeitssteuerung in ihren Kommunen befragt. Hierbei geht es vor allem darum, dass die Kommunalverwaltungen selbst ihr eigenes nachhaltiges Handeln durch eine systematische Steuerung verbessern. Zu einer integrativen Nachhaltigkeitssteuerung zählen für die Autoren dieser Studie unter anderem ein in einem Zielsystem konkretisiertes Leitbild, ein aussagekräftiges Berichtswesen, ein indikatorengestütztes Monitoring sowie eine systematische Integration von Nachhaltigkeitsanforderungen in Aufbau- und Ablauforganisation der Verwaltung (vergleiche Oppenrieder/Heinrichs (2011): Nachhaltige Verwaltung – Ein integratives Konzept in PublicGovernance Sommer 2011). Ziel der Studie war neben einer Bestandsaufnahme auch die Identifizierung von wertvollen Ansätzen, um das Thema auch in Zukunft voranzutreiben.


Zusammenfassung der Studienergebnisse

Die Aussagen der 118 teilnehmenden Kommunen zeigen deutlich, dass Nachhaltigkeit in der Kommunalverwaltung ein wichtiges oder sehr wichtiges Thema ist, wobei in fast allen Kommunen in den letzten Jahren nach eigener Aussage eine Bedeutungszunahme zu beobachten war. Für eine Mehrheit der Teilnehmer zählen zu einer nachhaltigen Verwaltung die wirtschaftspolitische Leistungsfähigkeit, die Sozialpolitik, die vorausschauende Bearbeitung neuer Herausforderungen sowie die Verfolgung von fachbereichsübergreifenden Zielen. Trotz des breiten Verständnisses von Nachhaltigkeit hat nur eine Minderheit eine fachbereichsübergreifende Koordinierungsstelle eingerichtet. Dies mag darin begründet sein, dass bei über der Hälfte der Städte und Landkreise die politische Führung ([Ober-] Bürgermeister, Landräte sowie die Fach- und Ressortleiter) die Verantwortung für das Thema Nachhaltigkeit trägt. Bei kleineren Kommunen mag daher eine zusätzliche Koordinierungsstelle nicht zwingend notwendig sein, wenn die Verantwortung bei den Verwaltungschefs angesiedelt ist. Derzeit findet die Umsetzung von Nachhaltigkeitsvorhaben und -projekten den Studienergebnissen nach vor allem in den Fachbereichen Umwelt, Stadtplanung/Stadtentwicklung und Verkehr sowie in den Querschnittsbereichen Beschaffung und Finanzen statt. In anderen Bereichen wie Bildung und Soziales sowie Personal und IT< scheint hingegen noch Nachholbedarf zu bestehen.

Um Nachhaltigkeit langfristig in der Kommunalverwaltung zu verankern, bedarf es der Etablierung von Instrumenten zur Nachhaltigkeitssteuerung. Um deren Umsetzungsstand zu erfahren, wurden die Kommunen in der Studie nach der Nutzung folgender Steuerungsinstrumente befragt: Controlling/Monitoring, Zielsystem, Indikatoren/Kennzahlen, nachhaltige Beschaffungsrichtlinie, Personalbereitstellung/Personalentwicklung, Weiterbildung/Schulung, Verwaltungsanweisung, Nachhaltigkeitsstrategie, Evaluation sowie öffentlicher Nachhaltigkeitsbericht. Wie die Ergebnisse zeigen, werden Monitoring/Controlling, Zielsysteme sowie Indikatoren/Kennzahlen weitaus häufiger bereits von den Verwaltungen genutzt als Evaluationen oder die Veröffentlichung eines Nachhaltigkeitsberichts. Auch hier bleibt also noch einiges zu tun. Wenn Kommunen Nachhaltigkeit in bereits bestehende verwaltungsinterne Steuerungsinstrumente integriert haben, geschieht dies hauptsächlich im Haushaltswesen bzw. bei den Ziel- und Leistungsvereinbarungen.

Das Vorantreiben der Nachhaltigkeitsthematik in der Kommunalverwaltung wird wesentlich von den Rahmenbedingungen geprägt, in denen kommunales Handeln stattfindet. Um deren Relevanz besser einschätzen zu können, wurden die Teilnehmer gebeten, bestimmte Rahmenbedingungen hinsichtlich ihrer kurz-, mittel- und langfristigen Bedeutung für die eigene Kommune zu bewerten. Als kurzfristige und somit akute Themen werden von den Kommunen die Haushaltskonsolidierung, die Wirtschaftsförderung und Arbeitsplätze sowie die Bildung angeführt. Klassische Nachhaltigkeitsthemen wie Naturschutz und demografischer Wandel werden demgegenüber eher als langfristig wichtig eingestuft. Neben den Rahmenbedingungen ist es auch noch wichtig, wie und vor allem von wem das Thema Nachhaltigkeit in den einzelnen Kommunen vorangetrieben wird bzw. welche Hindernisse bewältigt werden müssen. Derzeit sehen die Kommunen die Verwaltungschefs, die Fach- und Ressortleiter, die Zivilgesellschaft sowie die Kommunalpolitik und den Gemeinderat als wesentliche Treiber für das Thema Nachhaltigkeit in ihrer Kommune an. Als Hindernis wird neben der Bundes- und Landespolitik vor allem die Haushaltslage wahrgenommen.

Da für die kommunale Nachhaltigkeitssteuerung nicht nur die Kernverwaltung relevant ist, sollten die Kommunen auch angeben, welche externen Akteure sie bei diesem Thema mit einbeziehen. Hier zeigt sich, dass die meisten kommunalen Unternehmen selbst Nachhaltigkeitsvorhaben durchführen, worüber sie jedoch nur selten berichten. Über zwei Drittel der Kommunen integrieren ihre kommunalen Unternehmen auch in eigene Nachhaltigkeitsprojekte und -vorhaben. Bei der Hälfte werden Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen beteiligt und immerhin bei über einem Drittel auch privatwirtschaftliche Unternehmen. Die größte Rolle bei den externen Akteuren spielt dessen ungeachtet die Zivilgesellschaft, deren Einbindung jedoch bei einem Großteil der Kommunen eher informell über bürgerschaftliches Engagement, Bürgerbefragungen, etc. erfolgt.

Um den Stand der integrativen Nachhaltigkeitssteuerung bei den deutschen Kommunen abschließend besser einordnen zu können, entwickelte das Autorenteam ein Set der wichtigsten Kriterien für eine gute kommunale Nachhaltigkeitssteuerung. Eine Einstufung der teilnehmenden Kommunen nach diesen Kriterien zeigt, dass derzeit nur eine Minderheit bereits große Fortschritte verzeichnen kann. Dies korrespondiert durchaus mit der Selbsteinschätzung der Kommunen, wobei sich mehr als die Hälfte beim Vergleich mit anderen Kommunen selbst mit der Note drei oder schlechter bewertet. Die Kommunen sehen somit durchaus Verbesserungspotenzial bei sich selbst. Dieses gilt es zu nutzen. Basierend auf der Tatsache, dass viele Kommunen bereits einen Teil der Kriterien des Autorenteams erfüllen, ist davon auszugehen, dass eine integrative Nachhaltigkeitssteuerung zumindest teilweise bereits in die deutsche Kommunalverwaltung Einzug gehalten hat und sich weiter durchsetzen wird.

Ausblick

Diese Bestandsaufnahme bestätigt also die Abschlusserklärung der „Rio +20“-Konferenz, dass das Thema Nachhaltigkeit auf der kommunalen Ebene bereits vorangetrieben wurde und wird. Der Statusquo zeigt jedoch auch deutlich, dass hier noch weitere Anstrengungen erforderlich sind, um eine integrative Nachhaltigkeitssteuerung in der Kommunalverwaltung fest zu etablieren. Hierzu wird das Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk, dem das Institut für den öffentlichen Sektor e.V., die Leuphana Universität Lüneburg sowie die Städte Lüneburg und Freiburg im Breisgau angehören, in den nächsten Monaten einen weiteren Beitrag leisten. In einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten dreijährigen Projektvorhaben werden sie den Ansatz der integrativen Nachhaltigkeitssteuerung beispielhaft in den Modellstädten Lüneburg und Freiburg im Breisgau weiterentwickeln und erproben. Interessierte Städte und Gemeinden sowie andere Akteure sind herzlich dazu eingeladen, an diesem Diskussions- und Entwicklungsprozess teilzunehmen. Nähere Informationen hierzu sowie die vollständige Studie sind unter www.publicgovernance.de/nachhaltigkeit zu finden.

 

Stefanie Beck

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für den öffentlichen Sektor e.V., Berlin
 

Dr. Ferdinand Schuster

Geschäftsführer, Institut für den öffentlichen Sektor e.V., Berlin
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