15.08.2012

Gemeinsam stärker

Die eingetragene Genossenschaft im Bereich der Erneuerbaren Energien

Gemeinsam stärker

Die eingetragene Genossenschaft im Bereich der Erneuerbaren Energien

\"Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele.\" (F.W. Raiffeisen) | © iQoncept - Fotolia
\"Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele.\" (F.W. Raiffeisen) | © iQoncept - Fotolia

Bedeutung im Bereich der Erneuerbaren Energien

In Zeiten, in denen Shareholder-Value-Systeme in Verruf geraten, gewinnen Genossenschaften mit ihren flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten für gemeinschaftliches Engagement zur Erreichung gemeinsamer Ziele zunehmend an Attraktivität.

Seit der Novellierung des Genossenschaftsgesetzes 2006 ist die eingetragene Genossenschaft als so unbürokratische wie flexible Rechtsform, die Gesellschaft, um kommunale Dienstleistungen und Infrastruktur durch ein breites Bündnis von Bürgern, örtlicher Wirtschaft und Kommune interessengerecht zu gestalten. Genossenschaften kombinieren die Vorteile des öffentlichen und privaten Sektors und erfreuen sich speziell für Projekte im Bereich der Erneuerbaren Energien großer Beliebtheit. Allein in den letzten 5 Jahren wurden – mit steigender Tendenz – etwa 300 Genossenschaften in diesem Bereich gegründet.

Die Genossenschaft ist eine Gesellschaft ohne geschlossene Mitgliederzahl mit dem Zweck, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs zu fördern. Das ursprüngliche Ziel der Genossenschaft ist also die Selbsthilfe der Mitglieder durch gegenseitige Förderung. Entsprechend diesem Grundgedanken finden sich in der Genossenschaft Menschen zusammen, um in ihrer Region für ihre Region Projekte zu realisieren. Die Gestaltungsmöglichkeiten des Genossenschaftsgesetzes erlauben dabei einen individuellen Zuschnitt der Satzung auf die jeweiligen Erfordernisse der Genossenschaft und der Interessen ihrer Mitglieder. So wird gerade im kommunalen Bereich die Leistungsfähigkeit eines privaten Unternehmens mit der Verantwortung für die Gewährleistung öffentlicher Aufgaben verbunden. Oft kann die Gemeinde allein den für ein Projekt erforderlichen Betrag nicht finanzieren und auch regionale Stadtwerke und Energieversorger sind oft nicht in der Lage, aus eigener Kraft tätig zu werden. Dann nehmen immer öfter die Bürger die Sache selbst in die Hand Die Genossenschaft ist demokratisch strukturiert, das heißt, alle Mitglieder haben unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung nur eine Stimme und damit das gleiche Mitspracherecht. Sie kann somit auch nicht von einem externen Investor aufgekauft werden. Die Genossenschaft ist mit einer Insolvenzquote von nur 0,1 Prozent die sicherste Rechtsform in Deutschland.


Gründung einer Genossenschaft

Die Initiative zur Gründung einer Energiegenossenschaft kann von ganz unterschiedlichen Personengruppen ausgehen. Neben engagierten Bürgern, die sich vor Ort für eine saubere und sichere Energieversorgung einsetzen möchten, geht der Impuls häufig von der Kommune oder dem örtlichen Energieversorger aus. Auch die vor Ort ansässigen Landwirte oder die lokale Wirtschaft werden oft aktiv. In vielen Fällen schließen sich auch Vertreter unterschiedlicher Bereiche zusammen, um gemeinsam eine Energiegenossenschaft zu gründen. Es ist zu erwarten, dass unter dem Stichwort „Regionalstrom“ Genossenschaften künftig auch im Bereich der Netzstruktur und Versorgung an Bedeutung gewinnen werden. Denn der Vorteil der Genossenschaft liegt auf der Hand: Es werden nicht nur verschiedene Interessen gebündelt, sondern auch kaufmännisches oder technisches Wissen mit eingebracht.

Nach dem Genossenschaftsgesetz (GenG) und dem Handelsgesetzbuch (HGB) ist die eingetragene Genossenschaft eine juristische Person und somit selbst Träger von Rechten und Pflichten. Für ihre Gründung bedarf es der Aufstellung eines Finanzplans und einer Satzung durch mindestens drei Mitglieder. Diese können natürliche oder juristische Personen (z.B. Kommunen) sowie jede Personengesellschaft, darunter auch die BGB-Gesellschaft, sein. Für die Satzung genügt die privatschriftliche Form, notarielle Beurkundung ist nicht erforderlich. Hier sind bei kommunaler Beteiligung allerdings regelmäßig die Vorgaben aus der Gemeindeordnung zu beachten – speziell in Bezug auf finanzielle Engagements.

Jedes Mitglied zeichnet einen oder mehrere Geschäftsanteile, deren jeweilige Höhe für alle Mitglieder gleich ist; Einzelheiten regelt die Satzung. Die Zeichnung erfolgt entweder im Rahmen der Gründung oder eines späteren Beitritts. Da sich das Kapital aus den Einlagen der Mitglieder zusammensetzt, ist es abhängig von der Mitgliederzahl.

Zu den Geschäftsanteilen haben sich nachrangige Darlehen als ergänzendes Finanzierungsmittel bewährt. Damit können sich einzelne Mitgliedergruppen gezielt an bestimmten Energieprojekten beteiligen. Vorteil: Die unterschiedlichen Projekte mit ihren unterschiedlichen Chancen und Risiken werden zwar unter dem Dach der Genossenschaft, aber nicht aus einem „Topf“ finanziert. Gerade die Kombination mit Genussscheinen hat sich bewährt, z.B. indem aus der Gemeinderücklage Genussscheine von der Genossenschaft gekauft werden, die zu verzinsen und spätestens nach 20 Jahren zurückzuzahlen sind. Durch die extrem sichere Rechtsform der Genossenschaft sind diese auch als äußerst kreditwürdig angesehen.

Jede Genossenschaft muss sich einem Prüfungsverband anschließen, dem die turnusmäßige Pflichtprüfung des Jahresabschlusses und der Vorstandstätigkeit obliegt. Überdies hat der Prüfungsverband im Rahmen einer Gründungsprüfung zu untersuchen, ob nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere der Vermögenslage der Genossenschaft, eine Gefährdung der Belange der Mitglieder oder der Gläubiger der Genossenschaft zu besorgen ist.

Struktur einer Genossenschaft

In der Regel hat die Genossenschaft drei Organe: Generalversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand. Alle Organe sind mit eigenen Mitgliedern zu besetzen (Prinzip der Selbstorganschaft).

In der Generalversammlung üben die Mitglieder ihre Rechte in den Angelegenheiten der Genossenschaft aus.

Der Aufsichtsrat wird von der Generalversammlung gewählt und besteht aus mindestens drei Mitgliedern. Die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats besteht in der Überwachung des Vorstands. Bei Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern kann durch Satzung auf einen Aufsichtsrat verzichtet werden.

Der grundsätzlich von der Generalversammlung zu wählende Vorstand führt die Geschäfte der Genossenschaft und vertritt sie nach außen. Der Vorstand besteht aus mindestens zwei Mitgliedern. Bei Genossenschaften bis zu 20 Mitgliedern genügt jedoch ein Vorstandsmitglied.

Kommunen können auch ohne eigenes Engagement als Genosse wertvolle Beiträge für den Erfolg einer Energiegenossenschaft liefern, indem sie als oder zusammen mit Experten die notwendige Vorarbeit leisten und durch Veranstaltungen informieren und insbesondere infrastrukturelle Unterstützung bieten oder operativ Projekte anschieben, etwa durch Bereitstellung geeigneter großer Dachflächen etwa auf Schulen, Schwimmbädern oder vergleichbaren Gebäuden. Auch über die Bauleitplanung – z.B. in Gewerbegebieten – können entsprechende Anreize geschaffen werden. So profitieren alle Einwohner von den zusätzlichen Steuereinnahmen, den Aufträgen für Planung und Handwerk, den nachfolgenden Investitionen und nicht zuletzt dem Klimaschutz. Auch die Gründung flankierender Fördervereine hat sich bewährt.

Haftung

Für Verbindlichkeiten haftet grundsätzlich nur das Vermögen der Genossenschaft. Jedoch besteht eine Nachschusspflicht für den Insolvenzfall, wenn Gläubiger aus dem vorhandenen Vermögen der Genossenschaft nicht befriedigt werden können. Die Satzung kann jedoch die Nachschusspflicht ausschließen oder zumindest beschränken.

Besteuerung

Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sind unbeschränkt körperschaftssteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG) und unterliegen in vollem Umfang der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Von der Steuer befreit sind jeweils nur Sonderformen wie Vermietungsgenossenschaften (§ 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG, § 3 Nr. 15 GewStG) sowie land- und forstwirtschaftliche Nutzungs- und Verwertungsgenossenschaften (§ 5 Abs. 1 Nr. 14 KStG; § 3 Nr. 8 GewStG).

Da Genossenschaften meist den Unternehmerbegriff erfüllen, sind sie umsatzsteuerpflichtig. Es kommen die Regelungen des UStG zur Anwendung; besondere Vorschriften für Genossenschaften enthält das UStG nicht.

 

Katja Fleschütz

Rechtsanwältin, BTU Simon, München
 

Dr. Michael Lingenberg

Rechtsanwalt/Fachanwalt f. SteuerR BTU Simon, München
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