14.04.2021

Ist Rufbereitschaft Arbeitszeit?

EuGH: Nur bei „erheblicher Beeinträchtigung“

Ist Rufbereitschaft Arbeitszeit?

EuGH: Nur bei „erheblicher Beeinträchtigung“

Entscheidend, so der EuGH, sind die Umstände des Einzelfalls. ©arabel0305 - stock.adobe.com
Entscheidend, so der EuGH, sind die Umstände des Einzelfalls. ©arabel0305 - stock.adobe.com

Sind Zeiten, in denen sich Arbeitnehmer für den Arbeitgeber nur zur Verfügung halten müssen, also streng genommen nicht „arbeiten“, Arbeitszeit? In zwei aktuellen Urteilen, darunter der Fall eines deutschen Feuerwehrmannes, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) seine Rechtsprechung präzisiert. Danach kommt es auf die dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen an und seine Möglichkeit, während dieser Zeit seine Freizeit zu gestalten. Nur wenn dessen Freizeitmöglichkeiten „ganz erheblich beeinträchtigt“ sind, handelt es sich um Arbeitszeit, so der EuGH.

Im Alarmfall 20 Minuten

In dem einen Fall handelt es sich um einen Techniker, der den Betrieb von Fernsehsendeanlagen in den slowenischen Bergen sicherzustellen hat, auch in Form von Rufbereitschaft, bei der er telefonisch erreichbar sein muss und in der Lage, innerhalb einer Stunde am Einsatzort zu sein; großartige Freizeitmöglichkeiten bieten sich in der abgelegenen Region nicht (Rs. C-344/19). Im anderen Fall geht es um einen deutschen Feuerwehrmann aus Offenbach a. M. Im Alarmfall wird erwartet, dass der Beamte innerhalb von 20 Minuten die Stadtgrenzen erreichen kann (Rs. C-580/19).

Der EuGH hatte die Frage, ob Rufbereitschaft Arbeitszeit sein kann, bereits 2018 auf dem Tisch. Damals ging es um einen freiwilligen Feuerwehrmann aus Belgien, der in der Lage sein musste, innerhalb von acht Minuten am Einsatzort zu sein. Der EuGH entschied, dass eine erhebliche Einschränkung vorliegt, da der Arbeitnehmer die Bereitschaftszeit zu Hause verbringen und dabei dem Ruf zum Einsatz innerhalb kurzer Zeit Folge leisten muss.


Eingeschränkte Freizeitgestaltung

In den aktuellen, etwas anders gelagerten Fällen setzte der EuGH nun neue Akzente. Er entschied, dass (nur) dann eine Einstufung als Arbeitszeit zu bejahen ist, „wenn die dem Arbeitnehmer auferlegten Einschränkungen dessen Möglichkeit, während dieser Zeit seine Freizeit zu gestalten, ganz erheblich beeinträchtigen“. Dabei betonen die Richter, dass organisatorische Schwierigkeiten auf Seiten des Arbeitnehmers unerheblich sind, etwa im Fall des Technikers in den Bergen der Umstand, dass das Gebiet nur wenige Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten bietet.

Entscheidend, so der EuGH, sind die Umstände des Einzelfalls: Ist die Frist sachgerecht, innerhalb deren der Arbeitnehmer nach der Aufforderung durch seinen Arbeitgeber die Arbeit aufzunehmen hat? Muss er mit einer speziellen Ausrüstung am Arbeitsplatz erscheinen? Gibt es Erleichterungen, wie z.B. die Bereitstellung eines Dienstfahrzeugs mit Sonderrechten im Straßenverkehr?

Fazit

Mit diesen Vorgaben sorgt der EuGH erneut für Handlungsbedarf bei den betroffenen Stellen. Bereits in der Vergangenheit hatten Gerichtsurteile die Berufspraxis verändert, etwa beim ärztlichen Bereitschaftsdienst. Nach dem aktuellen Urteil werden nun ggf. u.a. Berufsfeuerwehren ihre Regelung überdenken müssen.

Der EuGH machte in seinem aktuellen Urteil allerdings auch klar, dass die Art und Weise der Vergütung von Arbeitnehmern eine gesonderte Frage darstellt und nicht von der Einstufung als Arbeits- oder Ruhezeit abhängt. Hier kann man auf kommende Gerichtsurteile gespannt sein.

 
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