11.05.2020

Gut fürs Recycling, schlecht für die Kommunen?

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes

Gut fürs Recycling, schlecht für die Kommunen?

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes

Der Gesetzentwurf soll das Recycling und die Wiederverwendung fördern. | © Rawpixel.com - stock.adobe.com
Der Gesetzentwurf soll das Recycling und die Wiederverwendung fördern. | © Rawpixel.com - stock.adobe.com

Kommunale Daseinsvorsorge und private Entsorgungswirtschaft im Spannungsfeld.

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung

Im Februar 2020 hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie beschlossen. Hinter diesem eher technischen Titel verbergen sich vor allem umfangreiche Änderungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG). Das KrWG ist das zentrale deutsche Abfallgesetz. Unter anderem regelt es, wer für die Bewirtschaftung welcher Abfälle zuständig ist und wie diese zu erfolgen hat. Gerade die Verteilung der Zuständigkeiten ist seit jeher streitanfällig. Dabei stehen auf der einen Seite die Kommunen, also vor allem die Landkreise und Städte, als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger. Sie entsorgen – mit Ausnahme der Verpackungen – die Abfälle aus Privathaushalten und decken die Kosten hierfür durch Abfallgebühren. Auf der anderen Seite steht die private Entsorgungswirtschaft, die ihre Leistungen u.a. für Gewerbeabfälle am Markt anbietet und damit naturgemäß Gewinne erzielen will. In der Praxis gibt es gleichwohl zahlreiche Verschränkungen zwischen beiden Seiten, z.B. wenn eine Kommune ein privates Entsorgungsunternehmen mit der Sammlung der Haushaltsabfälle oder dem Betrieb von Wertstoffhöfen beauftragt. Gemeinsam ist beiden Seiten, dass sie vom KrWG dazu verpflichtet sind, die gesammelten Abfälle möglichst hochwertig zu verwerten und Materialien wie Papier, Metall, Glas, Kunststoffe und Textilien zu recyclen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung soll nun nicht nur das Recycling fördern, sondern auch die Wiederverwendung von Produkten und die Vermeidung von Abfällen stärken. Zahlreiche neue Vorgaben hierzu ergeben sich aus der europäischen Abfallrahmenrichtlinie. Sie sollen u.a. durch die Stärkung des Abfallvermeidungsprogramms des Bundes und der Länder, durch höhere nationale Quoten für die Wiederverwendung und das Recycling sowie durch die Pflicht zur Getrenntsammlung von Alttextilien und Sperrmüll umgesetzt werden. Ein weiteres großes Anliegen des Gesetzentwurfs ist die Schärfung der Produktverantwortung von Herstellern und Vertreibern. Deren Produkte sollen so hergestellt und gebraucht werden können, dass die Abfallentstehung vermindert und trotzdem entstehende Abfälle umweltverträglich entsorgt werden können. Dazu sollen künftig u.a. Vorgaben des Bundes zum Produktdesign und zur Beteiligung von Herstellern und Vertreibern an kommunalen Kosten für die Reinigung der Umwelt möglich sein.


In Vielem zustimmungswürdig, einzelne Kritikpunkte

Während die genannten Änderungen des KrWG aus kommunaler Sicht größtenteils zu begrüßen sind, fällt die Zustimmung bezüglich anderer Regelungen nicht so einhellig aus. So soll künftig im Bereich der öffentlichen Beschaffung des Bundes eine Bevorzugungspflicht für umwelt- und ressourcenschonende Erzeugnisse gelten. In der Sache dürfte dies der richtige Weg sein, zumal der öffentlichen Hand fraglos eine Vorbildfunktion zukommt. Jedoch wird durch die Verortung dieser Pflicht im KrWG – und damit außerhalb des eigentlichen Vergaberechts – das schon bisher sehr komplexe Vergabewesen um eine bürokratische Facette reicher. Es ist zu erwarten, dass der praktische Aufwand, der Bedarf für Rechtsberatung und damit letztlich die Kosten steigen werden, wenn diese Bevorzugungspflicht künftig auch auf kommunale Vergabestellen erstreckt wird.

Teilweise berücksichtigt der Gesetzentwurf die tatsächlichen Verhältnisse in den Kommunen nicht hinreichend. So soll künftig Sperrmüll nicht nur getrennt zu sammeln sein, was heute bereits flächendeckend passiert, sondern der Sperrmüll soll dabei auch so schonend behandelt werden, dass eine Vorbereitung zur Wiederverwendung möglich bleibt. Dort, wo sich mit einer gezielten Sammlung von gut erhaltenen Einzelstücken aus dem Sperrmüll ein Mehrwert erzielen lässt, werden auch heute schon auf diese Weise z.B. kommunale Gebrauchtwarenkaufhäuser versorgt. In anderen Kommunen ist man dagegen zu dem Schluss gekommen, dass sich der Mehraufwand einer schonenden Sammlung neben dem Einsatz von Pressfahrzeugen nicht lohnt. Viele noch gebrauchsfähige Gegenstände werden heute über die bekannten Online-Marktplätze weitergegeben, anstatt im Sperrmüll zu landen. Eine flächendeckende Pflicht zur schonenden Sammlung würde somit in vielen Kommunen nur die Sperrmüllentsorgung verteuern, was den betroffenen Bürgern oft nicht nachvollziehbar zu vermitteln wäre.

Zugleich wurde in dem Gesetzentwurf die kommunale Forderung nicht aufgegriffen, in Reaktion auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 23.2.2018 (Az. 7 C 9.16) ausschließlich den Kommunen die Sammlung von Sperrmüll aus Privathaushalten zu erlauben. Damit können hier unter gewissen Voraussetzungen gewerbliche Sammler tätig werden, allerdings ohne zu einer schonenden Sammlung verpflichtet zu sein. Abgesehen von dem offensichtlichen Wertungswiderspruch drohen die Kommunen auf diese Weise Abfallmengen an gewerbliche Sammlungen zu verlieren.

Wenn die kommunale Seite über den Entzug von Abfallmengen durch gewerbliche Sammlungen klagt, geht es ausdrücklich nicht um das Verteidigen von abfallwirtschaftlichen Besitzständen. Vielmehr soll die grundsätzliche Zuordnung aller Haushaltsabfälle zu den Kommunen diesen Planungssicherheit ermöglichen. Das Vorhalten von Personal und Material sowie das Kalkulieren von Abfallgebühren ist den Kommunen nur dann möglich, wenn eine gewisse Sicherheit über die anfallenden Abfallmengen besteht. Die private Entsorgungswirtschaft kann ihre gewerblichen Sammlungen werthaltiger Abfälle wie Altpapier, Altmetall oder Alttextilien an die Marktlage anpassen. Die Kommunen sind unter allen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verpflichtet, ihre Aufgaben im Rahmen der Daseinsvorsorge für die Bürger zu erfüllen.

Nicht akzeptable Regelungen

Vor diesem Hintergrund gibt es in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zwei Regelungen, die aus kommunaler Sicht nicht akzeptabel sind.

Erstens formulierte der vorausgehende Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums (BMU) noch einen ausdrücklichen Anspruch der Kommunen darauf, dass die Bestimmungen des behördlichen Anzeigeverfahrens für gewerbliche Sammlungen eingehalten werden. In Reaktion auf ein Urteil des BVerwG vom 27.9.2018 (Az. 7 C 23.16) sollte diese Vorschrift die Rechtsauffassung des BMU klarstellen, dass eine Kommune notfalls auch gegen eine gewerbliche Sammlung klagen kann, um die Funktionsfähigkeit ihres eigenen Sammelsystems z.B. für Altpapier oder Alttextilien zu schützen. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde diese Regelung ersatzlos gestrichen. Bliebe dies so, könnte ein privates Entsorgungsunternehmen sämtliche Rechtschutzmöglichkeiten zur Durchsetzung einer gewerblichen Sammlung nutzen, während die kommunale Seite ihre berechtigten Interessen nicht aktiv verteidigen könnte.

Zweitens sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, dass Hersteller und Vertreiber sowohl eigene als auch gleichartige fremde Produkte zurücknehmen dürfen, wenn diese Rücknahme in Bezug auf die Sammel- und Recyclingqualität der bestehenden kommunalen Abfallsammlung entspricht. Aktuell werden solche freiwilligen Rücknahmen bereits von großen Bekleidungsketten für Alttextilien praktiziert. Auf den ersten Blick mag dies als begrüßenswerte Wahrnehmung von Produktverantwortung erscheinen. Aus kommunaler Sicht überdehnt aber insbesondere die freiwillige Rücknahme von fremden Produkten den Begriff der Produktverantwortung und birgt die Gefahr eines nicht kalkulierbaren Mengenentzugs für die entsprechenden kommunalen Sammelsysteme. Es ist zudem nicht ausgeschlossen, dass Hersteller und Vertreiber bei sinkenden Erlösen kurzfristig die Rücknahme wieder einstellen, sodass die anfallenden Abfallmengen dann durch die jeweilige Kommune zu entsorgen sind. Angesichts dieser Schwierigkeiten wollte der Referentenentwurf des BMU richtigerweise eine Begrenzung vornehmen, indem eine freiwillige Produktrücknahme von Herstellern und Vertreibern nur zulässig sein sollte, wenn sie eine höhere Qualität bietet als die bestehende kommunale Sammlung. Bliebe es bei der weiter gefassten Regelung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, stünde zu befürchten, dass künftig z.B. auch große Einzelhandelsketten entsprechend ihrem breiten Warensortiment umfangreiche Rücknahmemöglichkeiten für Alttextilien, Altmetalle oder Altpapier einrichten.

Zusammenfassung

Der Gesetzentwurf wird nun von Bundestag und Bundesrat beraten. Trotz kommunaler Kritikpunkte stärken viele der vorgesehenen Änderungen im KrWG den Ressourcenschutz und das Recycling. Aus Sicht der Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger sollte hinsichtlich der beiden letztgenannten Kritikpunkte unbedingt zu den Formulierungen im Referentenentwurf des BMU zurückgekehrt werden. Hier drohen sich sonst die Gewichte zwischen kommunaler Daseinsvorsorge und privater Entsorgungswirtschaft so spürbar zu verschieben, dass neue, im Sinne der Kreislaufwirtschaft jedoch wenig zielführende Streitigkeiten geradezu vorprogrammiert wären.

 

Dr. Torsten Mertins

ZENK Rechtsanwälte, Berlin
n/a