24.07.2020

Für jeden Zweck das Passende: Aktenplan für die Akten, Produktplan für den Haushalt

Teil 3: Hoher Umstellungsaufwand

Für jeden Zweck das Passende: Aktenplan für die Akten, Produktplan für den Haushalt

Teil 3: Hoher Umstellungsaufwand

Kommunen sind große Gestaltungsspielräume bei der Anpassung des Produktplans eingeräumt. | © irina - stock.adobe.com
Kommunen sind große Gestaltungsspielräume bei der Anpassung des Produktplans eingeräumt. | © irina - stock.adobe.com

Für Baden-Württemberg haben sich die Herausgeber des Kommunalen Aktenplans 21, Gemeindetag und Landkreistag, nach gründlichen Erörterungen 2013 dafür entschieden, den Kommunalen Aktenplan in der klassischen 0-9-Struktur weiterzuentwickeln. Seitdem arbeitet die Aktenplan-Redaktion in dieser Richtung. Trotzdem taucht bei der Einführung des Neuen Kommunalen Haushaltsrechts mitunter die Frage auf, warum der Kommunale Aktenplan nicht der Systematik des Kommunalen Produktplans folgt.

Teil 1 des Beitrags befasste sich mit dem produktorientierten Aktenplan. In Teil 2 ging es um den strukturellen Vergleich zwischen dem Produktplan und dem Kommunalen Aktenplan. Gesondert abzuschätzen bleibt der Aufwand für die tatsächliche Einführung eines produktorientierten Aktenplans in den Verwaltungen. Wollen die Kommunen an einem einheitlichen Aktenplan in Baden-Württemberg festhalten, dann müssten auch bestehende funktionierende Schriftgutverwaltungen auf den produktorientierten Aktenplan umstellen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus über 1.000 Kommunen in Baden-Württemberg müssten zunächst geschult werden. Danach erst könnten sie ihren eigenen Aktenplan ausentwickeln und Akten umformieren, umsignieren, gegebenenfalls deren Standorte ändern. Vor der Entscheidung für ein Projekt zur Einführung eines produktorientierten Aktenplans sollte dieser Aufwand unbedingt vorher landesweit ermittelt werden.

Variabilität des Aktenplans

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass den Kommunen große Gestaltungsspielräume bei der Anpassung des Produktplans eingeräumt sind. Diese gehen deutlich über die Gestaltungsspielräume hinaus, die das hierarchische System des Kommunalen Aktenplans bei der Ablage von Schriftgut eigentlich lässt. Dass es in der Praxis durch Falschinterpretation des Aktenplans zu Fehlentwicklungen gekommen sein mag, widerspricht dieser Feststellung nicht. Ein produktorientierter Aktenplan liefe deshalb von vorneherein ein hohes Risiko, landesweit deutlich uneinheitlicher umgesetzt zu werden, als der Kommunale Aktenplan. Verheerend wird es vollends, wenn sich zwei Aktenplansysteme nebeneinander her entwickelten, einerseits der neue produktorientierte für alle, die bisher den Aktenplan vernachlässigt haben, andererseits der fortgeführte Kommunale Aktenplan, den wohl die meisten beibehalten würden, die bisher gut mit ihm gefahren sind. Damit wäre die bisher doch einigermaßen gewährleistete Landeseinheitlichkeit des Kommunalen Aktenplans massiv gefährdet.


Garantiert hoher Aufwand bei ungewissem Ausgang

Insgesamt wäre ein vielköpfiges Projektteam unter Einbeziehung weiterer Fachleute längere Zeit mit der Erarbeitung eines produktorientierten Aktenplans beschäftigt, die Einführung in Kommunen würde enorme Ressourcen binden. Das Ergebnis dieser Arbeit würde aufgrund der strukturellen Gegebenheiten jedoch eine hohe Gefahr bergen, unbefriedigender und ungeeigneter zu sein, als der bestehende Kommunale Aktenplan. Ob ein solcher produktorientierter Aktenplan größere Akzeptanz finden würde, als der eingeführte Kommunale Aktenplan erscheint sehr fraglich. Jedenfalls rechtfertigt eine Akzeptanzprognose nach dem Prinzip Hoffnung den Aufwand nicht. Statt der aufwändigen Entwicklung neuartiger produktorientierter Aktenpläne haben sich die Herausgeber Landkreistag und Gemeindetag Baden-Württemberg deshalb für eine Verbesserung und Überarbeitung des im Grunde genommen bewährten und über Jahrzehnte entwickelten Kommunalen Aktenplans entschieden. Nach den derzeitigen Planungen soll diese Erstüberarbeitung 2021 abgeschlossen werden.

 

 

Anmerkungen des Gemeindetags Baden-Württemberg[1]

Die Umstellungsarbeiten auf das kommunale Haushaltsrecht auf doppischer Grundlage, das vielfach unter dem Begriff „NKHR“ bekannt ist, sind in vielen Städten und Gemeinden in vollem Gange. Dies geht auch aus einer Kleinen Anfrage des Abg. Rainer Hinderer an das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration hervor.[2] Hiernach standen zum 1. Januar 2020 noch rund 370 kreisangehörige Gemeinden zur Umstellung an. Doch auch bei jenen, die bereits umgestellt haben, entsteht derzeit noch einiges an Umstellungs- und Nacharbeitungsaufwand.

Es ist nachvollziehbar, dass sich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gemeindeverwaltungen Gedanken machen, ob es nicht sinnhaft wäre, die Aktenstruktur dem Produktplan anzupassen. Die Idee dahinter ist logisch: Bisher korrespondierte die Gliederung der kameralen Haushalte nach der Verwaltungsvorschrift Gliederung und Gruppierung sehr stark mit der Gliederung des durch Gemeindetag und Landkreistag herausgegebenen Aktenplans.

Systemwechsel nicht ohne Weiteres auf die Aktenführung und Archivierung übertragbar

Mit dem kommunal-doppischen Haushaltsrecht wurde jedoch ein Systemwechsel herbeigeführt, der sich nicht ohne Weiteres auf die Aktenführung und Archivierung übertragen lässt. In seinem Beitrag weist Professor Dr. Wolfgang Sannwald zurecht darauf hin, dass der Produktplan nach außen beziehungsweise kundenorientiert ist, während Aktenpläne klassischerweise nach innen orientiert sind. Dies ist die eine Seite der Medaille.

Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass das kommunal-doppische Haushaltsrecht in sich, zumindest aus Sicht eines eiligen Betrachters, keine so elegante Vergleichbarkeit mehr zulässt, wie es kameral der Fall war. Beispielhaft kann darauf hingewiesen werden, dass ein kameraler Unterabschnitt in Städten und Gemeinden aller Größen gleichermaßen nummeriert und strukturiert war. So war in jeder Stadt oder Gemeinde das Feuerwehrwesen im Unterabschnitt 1310 sehr einfach zu finden. In der kommunalen Doppik finden sich die diesbezüglichen Produkte zwar einheitlich in der Produktgruppe 12.60 Brandschutz, doch lässt § 4 Abs. 1 der Gemeindehaushaltsverordnung nun explizit zu, dass die Teilhaushalte, in die der Gesamthaushalt zu gliedern ist, sowohl nach den Produktbereichen als auch nach der örtlichen Organisation gegliedert werden können.

Warum der Bruch sogar erforderlich ist

Dieses Wahlrecht, das man aus individueller Perspektive immer befürworten wird, verkompliziert das Suchen und Auffinden einzelner Produktbereiche im Haushaltsplan und im Jahresabschluss. Dieser systemische Bruch zur seitherigen Aufgabenorientierung verdeutlicht aber gleichzeitig, warum es nunmehr einen Bruch zur Gliederung des Aktenplans geben muss. Der Aktenplan soll es gerade ermöglichen, Schriftgut so zu strukturieren und zu archivieren, dass es jederzeit, auch beim Vergleich zwischen Gemeinden, leicht gesucht und gefunden werden kann. Insoweit ist es auch folgerichtig, an der bewährten Struktur festzuhalten, zumal der Aktenplan eine weit intensivere Tiefengliederung zulässt als der Produktplan, auch hierauf hat Sannwald zurecht hingewiesen. Insoweit ist dem Redaktionsleiter uneingeschränkt zuzustimmen. Die Umstellung auf die nach und nach überarbeiteten Hauptgruppen des Kommunalen Aktenplans sollte daher schrittweise und maßvoll vorgenommen werden – auch wenn die Nummerierungslogik nicht mehr mit dem Haushaltsrecht kongruent läuft.

Abschließend: Ein Wort zur Umstellung auf die Doppik

Abschließend noch folgende Bemerkung: Warum gibt es in der Kommunalen Doppik überhaupt einen neuen Produktplan? Hätte die bewährte kamerale 0 bis 9-Haushaltsgliederung nicht auch in der Kommunalen Doppik statt der neuen 11-61er Sortierung, der – wie bereits erwähnt – ausgeprägte „Produktoberbereiche“ fehlen, erfolgen können? Sie hätte es ohne weiteres! Denn auch die kamerale Gliederung war eine vollwertige aufgaben- und damit produktorientierte Gliederung. Siehe Reif, BWGZ 2004 S. 225 ff.. Doch die seinerzeitigen Protagonisten der Kommunalen Doppik wollten, dass die Kommunale Doppik auch in neuem Gewand daherkommt. Alte Zöpfe sollten abgeschnitten werden. Damit war das Ende der kameralen Gliederung eingeleitet. Und wer mitverfolgt, wie schwer sich die Arbeitsgemeinschaft Produktplan, deren Aufgabe es ist, den Kommunalen Produktplan Baden-Württemberg fortzuschreiben, bei Anfragen aus der Praxis, wo denn diese und jene Aufgabe zuzuordnen sein, häufig tut, weiß die Vorzüge des 0-9-Aktenplansystems zu schätzen.

 

[1] von Fabian Müller, Referent beim Gemeindetag Baden-Württemberg und unter anderem für die Überarbeitung des kommunalen Aktenplans zuständig.

[2] vgl. LT-Drs. 16/6554 vom 10.07.2019.

 

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag erschien in „Die Gemeinde“ (BWGZ 01/2020).

 

 

Prof. Dr. Wolfgang Sannwald

Projektleiter des Kommunalen Aktenplans 21 Baden-Württemberg
n/a