20.08.2020

Aktionsplan „Gemeinsam gegen Gewalt“

Ein Aktionsbündnis in Nordrhein-Westfalen

Aktionsplan „Gemeinsam gegen Gewalt“

Ein Aktionsbündnis in Nordrhein-Westfalen

Dauerhafte Konflikt- oder einzelne Gewalterfahrungen können sich gravierend auf das psycho-physische Wohlergehen auswirken. | © Andrii Zastrozhnov - stock.adobe
Dauerhafte Konflikt- oder einzelne Gewalterfahrungen können sich gravierend auf das psycho-physische Wohlergehen auswirken. | © Andrii Zastrozhnov - stock.adobe

Das Aktionsbündnis des Ministeriums für Inneres und des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen „Gemeinsam gegen Gewalt“ will den Schutz von Feuerwehr- und Rettungskräften in Nordrhein-Westfalen verbessern. In einer gemeinsamen Erklärung bezeugen die Initiatoren ihre Solidarität mit den Einsatzkräften im Land und stellten zudem künftige Initiativen vor, um Gefährdungen effektiver zu begegnen.

Gewalt gegen Feuerwehr- und Rettungskräfte

Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte ist ein häufig auftretendes Phänomen, das allerdings oft nicht angezeigt wird. Eine Berechnung des bayrischen LKA zeigt auf, dass es in jedem 6,424ten Einsatz zu Gewalthandlungen gegen Rettungskräfte kommt. Auch die von der Ruhruniversität Bochum (RUB) im Auftrag des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen durchgeführte Studie von Einsätzen zwischen dem 01.09.16 bis 01.04.18 dokumentiert ein hohes Niveau an Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte und zudem ein hohes Dunkelfeld. Die Befragung der RUB wurde unter rund 4.500 Personen aus ausgewählten Gebietskörperschaften in NRW geführt. Insgesamt gaben 64% der Befragten an, in den vorangegangenen zwölf Monaten mindestens einmal Opfer verbaler, nonverbaler und/oder körperlicher Gewalt geworden zu sein. Die meisten gaben an, von verbaler Gewalt betroffen gewesen zu sein (ca. 60 %), gut 40 % war von nonverbaler Gewalt (z.B. Spucken) betroffen. 12,7 % der befragten Einsatzkräfte wurden nach eigener Aussage Opfer von körperlicher Gewalt. Einsatzkräfte im Rettungseinsatz wurden häufiger Opfer von Gewalt als Einsatzkräfte im Brandeinsatz. Insgesamt wurden im Bezugszeitraum von Zwölf Monaten 94,3 % der Einsatzkräfte im Rettungseinsatz und 41,9 % der Einsatzkräfte im Brandeinsatz Opfer von unterschiedlichen Gewaltformen.

Dabei wurden keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Geschlechts der Einsatzkräfte festgestellt. Anders bei den Tätern, sie wurden meist als männlich angegeben und zwischen 20 und 39 Jahren verortet. Die Gewalt erfolgte meist aus dem Umfeld des Hilfesuchenden (Patienten, Angehörige, umstehende Bekannte).  In 44 % erkannten die Einsatzkräfte eine Alkoholintoxikation der Gewalttäter.


Nach dem Anzeigeverhalten befragt, gaben vor allem diejenigen der Befragten, die von verbaler und nonverbaler Gewalt betroffen waren, mehrheitlich an, keine Strafanzeige erstattet zu haben, weil dies die Situation aus ihrer Sicht nicht verändern würde. Die Befragten gaben zudem an, sich mehr Fortbildungen von Abwehr- und Deeskalationstechniken zu wünschen.

Inhalt und Handlungsfelder des Aktionsplans

Neben der Unterzeichnung einer solidarischen Haltung wurde im Aktionsplan „Gemeinsam gegen Gewalt“ diesem Wunsch nach Aus- und Fortbildung Rechnung getragen, der in der Befragung der RUB deutlich zum Ausdruck gebracht wurde.

Der Aktionsplan ist in folgende fünf Handlungsfelder eingeteilt, die konkret in Maßnahmen, Zuständigkeit und Aufgabe und Inhalte niedergelegt sind:

  1. Aus- und Fortbildung: Konfrontation und Gewalt sollen stärker in Aus- und Fortbildung behandelt und Reaktionsmöglichkeiten gelehrt werden. In diesem Handlungsfeld wird auch die Fortbildung für ehrenamtliche Einsatzkräfte in den Fokus genommen. Zentrale Fragen sind beispielsweise was die Einsatzkräfte wissen müssen, um sich schützen zu können und welche Angebote in der Fortbildung bereits existieren, um die Handlungskompetenzen zu stärken.
  2. Einsatz/Einsatzteam: In diesem Handlungsfeld geht es um Standards in den Leitstellen und die Zusammenarbeit mit der Polizei. Dabei geht es um die Einsatzsteuerung und das Erkennen von sämtlichen Störungen des Ablaufes.
  3. Schnittstellenarbeit: Rettungseinsätze sind ressortübergreifend, entsprechend behandelt dieses Handlungsfeld die Absprachen zwischen den unterschiedlichen Akteuren und legt daher beispielsweise die Durchführung von runden Tischen vor Ort und flächendeckend in NRW fest. Auch die übergreifende Erfassung wird in diesem Handlungsfeld behandelt.
  4. Arbeitgeber: In diesem Handlungsfeld wird einführend festgestellt, dass Arbeitsschutz eine allgemeine Führungsaufgabe und damit verpflichtend ist. Zudem wird für einen offenen Umgang in den Behörden mit dem Thema Gewalt im Einsatz plädiert.
  5. Politik, Gesetzgeber, Ressorts: In dem letzten Handlungsfeld verpflichten sich Politik und Entscheider, den Fokus auf dem Thema beizubehalten und die Einsatzkräfte konkret zu unterstützen. Eine Maßnahme ist dabei eine Meldepflicht für Gewaltvorfälle, um das Dunkelfeld zu reduzieren, die Vorfälle zu evaluieren und gezielt Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

 In den kommenden drei Jahren sollen, basierend auf den getroffenen Initiativen und den damit gemachten Erfahrungen, schrittweise weitere Maßnahmen umgesetzt werden

Fazit

Gewalt gegen Feuerwehr- und Rettungskräfte ist ein gesellschaftliches Phänomen, das auf den ersten Blick völlig abstrus erscheint. Dennoch ist es Realität und bedarf der öffentlichen Aufmerksamkeit und adäquaten Gegenmaßnahmen. Der Aktionsplan wird in den nächsten Jahren nicht nur die Entwicklung der Gewalt im Blick behalten, sondern auch die Wirksamkeit der nun angestoßenen Schutzmaßnahmen. Daneben bleibt es wichtig, das Thema in die Öffentlichkeit zu transportieren: Gewalt gegen die Berufsgruppen, die ihren Dienst verrichten, um anderen Menschen zu helfen, bedarf einer spürbaren gesellschaftlichen Ächtung und damit einhergehend entsprechenden rechtlichen Konsequenzen. Dies betrifft nicht nur die Kräfte von Feuerwehr und den Rettungsdiensten, sondern ebenso die Polizei.

 

Verwendete Quellen:

 

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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