31.08.2020

Corona-Leugner dürfen keine Dauermahnwache abhalten

BVerfG bestätigt Verbot des OVG Berlin-Brandenburg

Corona-Leugner dürfen keine Dauermahnwache abhalten

BVerfG bestätigt Verbot des OVG Berlin-Brandenburg

Der Mahnwache der Corona-Leugner wurde Einhalt geboten. | © zef art - stock.adobe.com
Der Mahnwache der Corona-Leugner wurde Einhalt geboten. | © zef art - stock.adobe.com

In dem Eilverfahren um das Verbot eines Protestcamps in Berlin lehnte das BVerfG mit Beschluss vom 30.8.2020 (Az. 1 BvQ 94/20) den Eilantrag von Corona-Leugnern ab und bestätigte die Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde. Die Richter vermissten vor allem ein taugliches Hygienekonzept.

Dauercamp auf der Straße des 17. Juni

Die Dauermahnwache hatten die Corona-Gegner am 22. August 2020 als Versammlung angemeldet – unter dem Motto „Berlin invites Europe – Fest für Freiheit und Frieden – Camp“. Stattfinden sollte sie auf der Straße des 17. Juni mit mehr als 60 Lkw-Bühnen als Debattenräume. Morgens sollten Meditation und Gottesdienste stattfinden, über den ganzen Tag hinweg sollte es dann Redebeiträge, Vorträge und Diskussionen geben. Es gehe darum, „wie wir in Zukunft gemeinsam zusammenleben wollen“, so die Veranstalter. Die Anmeldung der Corona-Gegner akzeptierte die Versammlungsbehörde allerdings nicht und löste das Camp am 30. August 2020 auf.

Vom Oberverwaltungsgericht (OVG) erhielten die Corona-Gegner ebenfalls eine Abfuhr; das OVG lehnte einen entsprechenden Eilantrag ab. Es sei unklar, ob und inwieweit das geplante Protestcamp als Versammlung von Art. 8 Abs. 1 GG geschützt sei. Die Richter bemängelten zu unkonkrete Angaben.


Zur Frage, ob und in welchem Umfang Art. 8 Abs. 1 GG die Einrichtung von Protestcamps unter Inanspruchnahme öffentlicher Anlagen schützt, gibt es noch keine abschließende höchstrichterliche Entscheidung. Dennoch ging das BVerfG auf die Frage, ob es sich bei dem Camp überhaupt um eine Versammlung im Sinne des Artikel 8 GG handelt, gar nicht ein. Vielmehr nahm es vor allem die Schutzpflicht des Staates bzw. das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit in den Blick.

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Gefährdung der öffentlichen Sicherheit

Bereits das OVG hatte die Einschätzung der Versammlungsbehörde bestätigt, dass bei Durchführung des Camps eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Wesentlichen zu befürchten sei. Die Veranstaltungsteilnehmer würden die aus Gründen des Infektionsschutzes gebotenen Mindestabstände nicht einhalten. Im Ergebnis teilte das BVerfG dann auch die Einschätzung des OVG, das entschieden hatte, dass im vorliegenden Fall keine im Vergleich zu einem Versammlungsverbot milderen, zur Gefahrenabwehr ebenso geeigneten Maßnahmen zur Verfügung stehen. Diese Einschätzung sei „jedenfalls nicht offensichtlich unzutreffend“, so das BVerfG.

Kein milderes Mittel

Eingriffe in die Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG können zum Schutz des Grundrechts Dritter auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gerechtfertigt werden. Dies ist unbestritten. Wie das BVerfG in seinem Beschluss darlegt, können „unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (…) zum Zweck des Schutzes vor Infektionsgefahren“ auch versammlungsbeschränkende Maßnahmen ergriffen werden.

Auch Versammlungsverbote sind danach an sich zulässig. Sie dürfen allerdings nur verhängt werden, wenn mildere Mittel nicht zur Verfügung stehen. Das BVerfG listete mögliche Auflagen auf, wie die Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Mindestabstände, die Beschränkungen der Teilnehmerzahl zur Verhinderung einer Unterschreitung notwendiger Mindestabstände sowie die Verpflichtung der Versammlungsteilnehmer zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, eine Anordnung, die „nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts jedenfalls zu einer Verlangsamung des Infektionsgeschehens beitragen kann“, so das BVerfG. Als weitere Regelungen der Modalitäten einer Versammlung kämen außerdem die Durchführung als ortsfeste Kundgebung anstelle eines Aufzugs oder die Verlegung an einen aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vorzugswürdigen Alternativstandort in Betracht. Dass das hier in Rede stehende Verbot die Versammlungsfreiheit des Antragstellers unverhältnismäßig beschränkt werde, sei nach den vorliegenden Umständen „nicht offenkundig“, so das BVerfG. Es hatte daher die bei solchen Eilverfahren typische Folgenabwägung vorzunehmen.

Die Folgenabwägung des BVerfGs

Ganz klassisch stellt das BVerfG in seinem Beschluss die Nachteile, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, den Nachteilen gegenüber, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Hauptsacheverfahren aber letztlich der Erfolg zu versagen wäre. Sie stellten die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) und das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) nebeneinander:

Wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, sich nach Durchführung eines Hauptsacheverfahrens jedoch herausstellte, dass das Verbot des Camps verfassungswidrig ist, wäre der Antragsteller in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG verletzt. Dass diese Grundrechtsverletzung von erheblichem Gewicht wäre, brauchte das BVerfG mit Blick auf seine Rechtsprechung zur Versammlungsfreiheit als Garant einer freiheitlichen Staatsordnung – auch im Hinblick auf das demokratische Gemeinwesen insgesamt – nicht besonders auszuführen. Erginge demgegenüber eine einstweilige Anordnung und würde sich später herausstellen, dass das Verbot des Camps rechtmäßig ist, wären grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Interessen einer großen Anzahl Dritter von hohem Gewicht betroffen.

Kein taugliches Hygienekonzept

Die Abwägung der berührten Interessen ging dabei eindeutig zum Nachteil des Antragstellers aus. Eine Durchführung des Camps unter Bedingungen zu gewährleisten, „die ein hinreichendes Maß an Schutz vor möglichen Infektionsgefahren sicherstellten“, sei „nur mit einem geeigneten Hygienekonzept“ möglich, so das BVerfG. Ein solches habe der Antragsteller aber nicht vorgelegt.

Vorgelegt hatte der Antragsteller lediglich ein Hygienekonzept, das für eine Versammlung am Vortag gegolten hatte und das im Grundsatz auch beim Camp zur Anwendung kommen sollte. Dieses Konzept setzt auf die konsequente Einhaltung der gebotenen Mindestabstände. Die Abstände sollen insbesondere durch den Einsatz von Ordnern und Deeskalationsteams sichergestellt werden. Auf das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen wird verzichtet.

Dies war den Richtern, auch mit Blick auf gemachte Erfahrungen bei der Durchführung der Versammlung vom Vortag – mit zahlreichen Verstößen insb. gegen geltende Abstandsregelungen – zu wenig. Der Antragsteller habe sich dazu veranlasst sehen müssen, die praktische Eignung seines Konzepts zu bewerten und dieses erforderlichenfalls anzupassen, so das BVerfG. Dass dies geschehen sei, sei „indes weder dargelegt noch sonst ersichtlich“. Im Übrigen ist das Konzept auf eine an einem einzelnen Tag stattfindende Versammlung zugeschnitten. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, dass es auch für das nunmehr über einen Zeitraum von 14 Tagen geplante Camp realisierbar sei.

Das Tragen von Mund- und Nasebedeckungen

Das zunächst in erster Instanz angerufene Verwaltungsgericht hatte bei seiner Entscheidung noch berücksichtigt, dass die landesrechtliche Infektionsschutzverordnung das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen bei Versammlungen nicht allgemein vorgibt und auch keine strikte Obergrenze der zulässigen Teilnehmerzahl festlegt.

Dem widersprach das BVerfG und stützte damit den Versammlungsbehörden auch insoweit den Rücken: Dass die Infektionsschutzverordnung keine Vorgaben macht, bedeute nicht, dass Versammlungsbehörden – natürlich immer unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 8 Abs. 1 GG einerseits und des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG andererseits – in ihren Befugnissen, entsprechende Auflagen zur Gefahrenabwehr zu verfügen, beschränkt sind.

 
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