02.05.2019

Euphemistische Korrektur des KStG

Gebot der Rechtsklarheit

Euphemistische Korrektur des KStG

Gebot der Rechtsklarheit

Der Zeitpunkt des Inkrafttretens muss für alle Teile des Rechtsetzungsaktes so präzise wie möglich festgelegt werden. | © Eigens - stock.adobe.com
Der Zeitpunkt des Inkrafttretens muss für alle Teile des Rechtsetzungsaktes so präzise wie möglich festgelegt werden. | © Eigens - stock.adobe.com

Der Beitrag bemängelt eine intransparent verklausulierte zehnjährige Rückwirkung zur Umsetzung einer BVerfG-Entscheidung im UStAVermG.

Das BVerfG hatte am 29. März 2017 (2 BvL 6/11, BGBl. I 2017 S. 1298) dem Gesetzgeber zu § 8c Absatz 1 Satz 1 (bzw. § 8c Satz 1 alte Fassung, „schädlicher Beteiligungserwerb“) des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) aufgegeben, eine verfassungskonforme Neuregelung bis 31. Dezember 2018 zu treffen und bis dahin die Anwendung dieser verfassungswidrigen Beschränkung des Verlustabzugs auszusetzen. Die Anpassung des KStG an diese Vorgabe sollte im Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (UStAVermG), früher „Jahressteuergesetz 2018“ genannt, erfolgen. Der Entwurf in der Fassung der Bundesratsdrucksache 372/18 sah allerdings noch gar keine Änderung des § 8c Satz 1 KStG selbst vor, sondern stattdessen dessen Nichtanwendbarkeit auf Veranlagungszeiträume von 2008 bis 2015; diese war nur in § 34 Absatz 6 KStG geregelt. Und zwar seien gemäß der Formulierung des Entwurfs „die Rechtsfolgen des § 8c Satz 1“ der alten Fassungen „auf schädliche Beteiligungserwerbe nach dem 31. Dezember 2007 und vor dem 1. Januar 2016 nicht anzuwenden.“ — Allerdings sagte die Entwurfsbegründung (https://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2018/0372-18.pdf auf Seite 54), dass § 8c Satz 1 KStG (alte Fassung) zur Umsetzung der BVerfG-Vorgaben durch diese Art Regelung ersatzlos aufgehoben werde. Dies wirkt bereits ein wenig widersprüchlich: Entweder man erlasse ein zehn Jahre rückwirkendes „mea culpa“ oder aber eine schamhafte Neuformulierung mit Anwendungsvorbehalt auf der zweiten Stufe, aber beides gleichzeitig?

Das UStAVermG in seiner fleischgewordenen Form (BGBl. I 2018 S. 2338) sah dann doch in seinem Artikel 6 vor, den Paragraphen 8c KStG ‚persönlich‘ neu zu fassen und in § 34 Absatz 6 hierauf mit einer Anwendungsregelung Bezug zu nehmen, wonach der neue § 8c Absatz 1 Satz 1 bis 3 KStG erstmals bereits für den Veranlagungszeitraum 2008 anwendbar ist.  Artikel 6 trat gemäß Artikel 20 Absatz 1 UStAVermG am 15. Dezember 2018 in Kraft. Ein Hinweis auf die materiell zehn Jahre zurückwirkende Anwendungsregelung findet sich in den formalen Teilen des UStAVermG nicht.


Im Bundessteuerblatt Nr. 1/2019 erschien dann ein BMF-Schreiben vom 10. Januar 2019 zu Änderungen bei den Vorläufigkeitsvermerken nach § 165 Absatz 1 Satz 4 AO, welches eine Aussetzung der Festsetzung von Körperschaftsteuer  wegen offener Fragen zur Verlustabzugsbeschränkung nach § 8c Absatz 1 Satz 1 KStG ab sofort für unzulässig erklärte. Eingangs der Begründung schrieb das BMF eindeutig, dass die alte (verfassungswidrige) Version dieser Vorschrift durch Artikel 6 UStAVermG „rückwirkend ab dem 1. Januar 2008 ersatzlos aufgehoben“ worden sei. – Rein dogmatisch scheint diese Aussage nicht haltbar, denn formal wurde die Formulierung ab dem 15. Dezember 2018 ersetzt und ‚lediglich‘ der Anwendungszeitraum der früheren Fassungen sehr stark eingeschränkt. Ersatzlos aufgehoben wurde aber nichts.

Man ist es aufgrund der §§ 52 EStG und 34 KStG ja seit Jahren gewohnt, dass die Regelungen, auf welche Veranlagungszeiträume gewisse Fassungen anzuwenden sein sollen, erheblich von den Inkrafttretensregelungen für ebendiese Fassungen abweichen können. Aber der Verdacht drängt sich auf, die Praxis des Nebeneinander von Inkraftsetzung und Anwendungsregelung sei diesmal noch zu einem anderen Zweck benutzt worden: Es scheint, die Fiskalpolitik habe versucht, gegenüber dem BVerfG vordergründig das Gesicht zu wahren, indem sie den seit 2008 verfassungswidrigen § 8c formal lediglich umformuliert, aber via § 34 Absatz 6 auch auf Altfälle nur die neue Fassung anwenden lässt. – Leider geht so ein politischer Spagat auf Kosten der juristischen Transparenz. Daher sei an dieser Stelle das Handbuch der Rechtsförmlichkeit (Teil C. 11.2) des Bundesministeriums der Justiz zitiert, welches in Randnummer 444 folgende Regel aufstellt: „Der Zeitpunkt des Inkrafttretens muss für alle Teile des Rechtsetzungsaktes so präzise wie möglich festgelegt werden. Dies folgt aus dem Gebot der Rechtsklarheit.“

 

Dr. Alexander Konzelmann

Leiter der Boorberg Rechtsdatenbanken RDB, Stuttgart

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