20.05.2019

Die Kehrseite der Digitalisierung

Cyberkriminalität

Die Kehrseite der Digitalisierung

Cyberkriminalität

Niemand hat behauptet, dass die Digitalisierung ein Zuckerschlecken werden würde. | © MicroOne - stock.adobe.com
Niemand hat behauptet, dass die Digitalisierung ein Zuckerschlecken werden würde. | © MicroOne - stock.adobe.com

Niemand hat behauptet, dass die Digitalisierung ein Zuckerschlecken werden würde, aber mit finanziellen Einbußen, die im Telekommunikationsbereich dieses Jahr voraussichtlich die Marke von 30 Milliarden Dollar knacken werden, haben wohl die wenigsten gerechnet. Dass derart hohe Verluste ausschließlich auf Cyberkriminalität zurückgehen, macht die Sache nicht besser.

Einer Studie der Communications Fraud Control Association zufolge haben Cyberattacken bereits 2017 zu Verlusten von weltweit 29 Milliarden Dollar geführt. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass die finanziellen Einbußen zwischen drei und zehn Prozent der Unternehmensgewinne liegen – was die Gesamtsumme sogar noch erhöhen würde.

Die Digitalisierung ist für die Telekommunikationsbranche von entscheidender Bedeutung: Kunden fordern zunehmend, dass immer mehr Interaktionen über digitale Kanäle erfolgen, eine Entwicklung, die dank des rasanten Bedeutungsgewinns von Smartphones weiter vorangetrieben wird. Darüber hinaus bietet der Cyberspace, der auch für manche etablierte Unternehmen noch Neuland ist, Wachstumsmöglichkeiten für neue Unternehmen.


Identitätsbetrug auf dem Vormarsch

Die digitale Transformation hat jedoch auch eine Kehrseite: Cyberkriminalität ist auf dem Vormarsch. Vorangetrieben wird diese Entwicklung durch Identitätsdiebstähle – eine Folge von Datenschutzverletzungen. Falsche Identitäten werden beispielsweise genutzt, um Konten zu eröffnen (Account Creation Fraud) oder Account-Takeover-(ATO)-Angriffe durchzuführen.

Es wird dabei immer schwieriger, Cyberkriminelle von normalen Kunden zu unterscheiden. Die Verluste durch Account-Creation- und ATO-Betrug belaufen sich mittlerweile auf zwölf Milliarden Dollar pro Jahr. Bei Account-Creation- und ATO-Betrug nutzen Kriminelle gestohlene Zugangsdaten, um Fake-Accounts zu eröffnen und Produkte zu erwerben, die sie dann weiterverkaufen.

Identitätsbetrug hat jedoch viele Gesichter und Kriminelle zeigen sich äußerst erfinderisch, wenn es darum geht, die digitale Identität ihres Opfers zu stehlen.

In einem so genannten SIM-Swap-Angriff verwenden Betrüger beispielsweise gestohlene Identitätsinformationen, um einen ahnungslosen Mitarbeiter eines Callcenters dazu zu bringen, die Handynummer des Opfers auf eine andere SIM-Karte zu übertragen. Sobald das geschehen ist, können Diebe Passwörter für Online-Konten des Opfers – sei es im Bank- oder E-Commerce-Bereich – zurücksetzen, indem sie die Handynummer des Opfers als Wiederherstellungsmethode verwenden.

Teilweise erleichtern Mobilgeräte diese Art des Betrugs sogar noch. Im Juli vergangenen Jahres wurde beispielsweise bekannt, dass einige Android-Smartphones, die in Schwellenländern verkauft werden, vorinstallierte Malware enthalten. Personenbezogene Daten der Nutzer wurden in großem Stil gesammelt und für die Abbuchung von Abonnementgebühren genutzt. Weltweit stieg die Identitätsbetrugsrate im Bereich der mobilen Endgeräte 2017 um 60%.

Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass ATOs heute die zweitwichtigste Betrugsform im Telekommunikationsbereich darstellen. Die Verluste haben sich in den vergangenen Jahren auf 5,1 Milliarden Dollar Verluste verdreifacht.

Kampf gegen Cyberkriminelle in Echtzeit

Zeit ist beim Kampf gegen Cyberkriminalität von entscheidender Bedeutung. Wenn Telekommunikationsunternehmen in der Lage sind, legitime Kunden nahezu in Echtzeit von Cyberkriminellen zu unterscheiden, ist schon viel gewonnen.

Telekommunikationsunternehmen stehen dabei jedoch vor einem Dilemma. Einerseits steigen die Anforderungen, immer gründlichere Identitätsüberprüfungen durchzuführen – Stichwort Know Your Customer (KYC). Andererseits sollte der gesamte Vorgang nicht länger als zehn Sekunden dauern. Kunden erwarten einen glatten und reibungslosen Onboarding-Prozess – andernfalls können sie zu einem Wettbewerber überlaufen, der eine bessere Lösung anbietet.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass eine Reihe von Telekommunikationsunternehmen moderne, digitale Identitätsanalyse- und Authentifizierungstechnologien einsetzen, um Betrüger zu identifizieren und abzuwehren. Das gewährleistet einen reibungslosen Onboarding-Prozess, ohne die positiven Auswirkungen der Digitalisierung zunichte zu machen. Lösungen mit Zugang zu globaler Crowdsourced Digital Identity Intelligence, die eine bessere Unterscheidung zwischen vertrauenswürdigen Nutzern und potenziellen Bedrohungen ermöglichen, haben sich dabei als besonders vorteilhaft erwiesen.

Telekommunikationsunternehmen, die diese Maßnahmen bereits erfolgreich umgesetzt haben, konnten eine deutliche Verringerung von Betrugsversuchen verzeichnen. So fielen in einem Fall nur noch 2% anstelle von 13% aller Transaktionen Hackerangriffen zum Opfer.

Investitionen in Cybersecurity lohnen sich also. Unternehmen können es sich nicht leisten, angesichts der fortschreitenden Technologisierung auf Risiko zu spielen und den Ausbau ihrer Cybersecurity-Maßnahmen auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Das würde das globale Feuer der Cyberkriminalität lediglich weiter anfachen.

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag folgt auf den Beitrag desselben Autors „Ein empfindliches Gleichgewicht – Cybersecurity im Finanzsektor“. Die Reihe zum Thema Cybersecurity wird fortgesetzt.

 

Seyfi Günay

Seniordirektor für Finanzkriminalität und Terrorismus bei LexisNexis Risk Solutions

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