15.12.2012

Energiewende und Bürgerbeteiligung

"Best Practice"-Gestaltungen für Kommunen und Stadtwerke

Energiewende und Bürgerbeteiligung

"Best Practice"-Gestaltungen für Kommunen und Stadtwerke

Für die Bürgerbeteiligung gibt es keine Pauschalregel – jedes Projekt erfordert eine maßgeschneiderte Lösung. | © JWS - Fotolia
Für die Bürgerbeteiligung gibt es keine Pauschalregel – jedes Projekt erfordert eine maßgeschneiderte Lösung. | © JWS - Fotolia

Insbesondere auf kommunalwirtschaftlicher Ebene werden Modelle der finanziellen Beteiligung von Bürgern am Ausbau der regenerativen Energieerzeugung (Wind, Photovoltaik, Biomasse, Energienetze) diskutiert. Sie dient dabei in erster Linie als Finanz-, Vertriebs- und Kundenbindungsinstrument für Stadtwerke, sorgt gleichzeitig für eine höhere Akzeptanz der Projektvorhaben sowie eine Identifikation der Bürger mit dem Projekt und der Kommune. Nicht zuletzt dient die Bürgerbeteiligung als attraktive Anlage- und Investitionsmöglichkeit in lokale und regionale Energieprojekte.

Es verwundert auf den ersten Blick, dass in der Praxis immer wieder dieselben Modelle auftauchen, obwohl sie auf den ersten Blick juristisch schwierig und unpraktisch erscheinen. Die Gründe dafür sowie die „Best Practice“- Modelle wollen wir Ihnen nachfolgend erläutern.

Best-Practice-Modelle

Die meisten Modelle in der Praxis haben eines gemeinsam: sie vermeiden die Anwendung des Kreditwesengesetzes und unterliegen keiner Prospektpflicht. Insbesondere erstes gilt es unter allen Umständen zu vermeiden, während eine Prospektpflicht zumindest bei großen Investitionen in Kauf genommen werden kann.


Daneben haben die Best-Practice-Modelle in der Regel gemein, dass die Projektsteuerung, d.h. Entscheidungen über Investitionen, den Bau, den Betrieb, in den Händen der Kommune bzw. des Know-how-Trägers Stadtwerk verbleibt, um unternehmerische Entscheidungen jederzeit auch durchsetzen zu können.

Wann wird man zur Bank – das KWG

Die Bürgerbeteiligung beruht auf der öffentlichen Einwerbung von Eigen- oder Fremdkapital. Die öffentliche Kapitalbeschaffung stellt eine Teilnahme am Kapitalmarkt dar und ist als solche durch das Bank- und Kapitalmarktrecht reglementiert. Die öffentliche Einwerbung von Darlehen stellt grundsätzlich ein Bankgeschäft in der Form eines Einlagengeschäfts i.S. des § 1 Satz 2 Nr. 1 KWG dar. Ein Einlagengeschäft ist die Entgegennahme von Geldern von einer Vielzahl von Geldgebern, die keine Kreditinstitute sind, aufgrund typisierter Verträge mit einer Rückzahlungsverpflichtung ohne Stellung banküblicher Sicherheiten. Für Bankgeschäfte gilt der Bankenvorbehalt nach § 321 KWG.

Um den Bankenvorbehalt bei Bürgerbeteiligungsmodellen auszuschließen, enthalten die Zeichnungsbedingungen in der Praxis in der Regel einen qualifizierten Rangrücktritt. Danach kann die Rückzahlung des Darlehens oder die Zahlung von Zinsen nicht verlangt werden, solange der Darlehensnehmer das Kapital zur Erfüllung seiner fälligen Verbindlichkeiten benötigt oder die Rückzahlung zur Insolvenz des Darlehensnehmers führen würde; im Falle der Liquidation oder Insolvenz tritt der Darlehensgeber mit seinem Rückzahlungsanspruch hinter die Forderungen der übrigen Gläubiger zurück. Die Praxis zeigt, dass Stadtwerke in der Bevölkerung ein so großes Vertrauen genießen, dass auch Nachrangdarlehen mehrfach überzeichnet werden.

Prospektpflicht nach dem Wertpapierprospektgesetz

Wenn Wertpapiere emittiert werden, braucht der Emittent einen von der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) gebilligten Wertpapierprospekt. Ein Wertpapierprospekt ist insbesondere dann zu erstellen, wenn im Rahmen von Bürgerbeteiligungsmodellen Aktien, Genussscheine, Anleihen (insb. Inhaberschuldverschreibungen, Namensschuldverschreibungen) oder Hybride Finanzinstrumente ausgegeben werden.

Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz

Auch für andere Vermögensanlagen als Wertpapiere, die öffentlich angeboten werden, gilt nach dem Vermögensanlagengesetz eine Prospekterstellungspflicht. Vermögensanlagen sind nicht in Wertpapieren im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes verbriefte Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, Anteile an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet (Treuhandvermögen), Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds, Genussrechte und Namensschuldverschreibungen. Zu den Vermögensanlagen gehören u.a. KG-Anteile (auch KG-Fonds, KG-Beteiligungen, geschlossene Fonds genannt), stille Beteiligungen (entweder typisch stille Beteiligungen oder sog. atypisch stille Beteiligungen). Ein öffentliches Angebot liegt regelmäßig vor, wenn sich das Angebot an einen nicht eingrenzbaren Personenkreis richtet. Zudem ist der Emittent verpflichtet, den Anleger künftig zusätzlich in einem Kurzinformationsblatt über die wesentlichen Eigenschaften und Risiken der Vermögensanlage in kurzer und verständlicher Form zu informieren.

Allerdings existieren auch Ausnahmen. So ist die Erstellung eines Verkaufsprospektes bzw. Emissionsprospektes beispielsweise nicht notwendig, wenn:

– lediglich 20 Anteile von der Vermögensanlage angeboten werden,
– der Verkaufspreis der Anteile– bezogen auf einen Zeitraum von 12 Monaten Euro 100.000 nicht übersteigt oder
– die Mindestzeichnungssumme mindestens Euro 200.000 beträgt.

Ausdrücklich sind von der Prospektpflicht partiarische Darlehen und Genossenschaftsanteile ausgenommen.

Wichtig für den Emittenten sind auch die Straf- und Bußgeldvorschriften. So begeht, wer vorsätzlich oder leichtfertig einen Verkaufsprospekt nicht, nicht richtig oder nicht vollständig veröffentlicht, eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro belegt werden kann.

Die GmbH & Co. KG für größere Vorhaben

Die GmbH & Co. KG ermöglicht die Einbindung vieler Kapitalgeber, begrenzt deren Haftung und ist insbesondere für große kapitalintensive Projekte ein sinnvolles Vehikel. Entscheidend ist ferner, dass die GmbH & Co. KG die Geschäftsführungsbefugnis der Gesellschafter der Komplementär-GmbH beschränkt. Die Funktion der Bürger als Kommanditisten ist auf die Kapitalbeteiligung beschränkt, sie haben nur Kontroll- und Einsichtsrechte, keine Mitspracherechte. So bleibt die Steuerbarkeit durch Beschränkung der Geschäftsführung auf die GmbH auch bei Aufnahme vieler Kommanditisten voll erhalten und viele Kapitalgeber können eingebunden werden.

Die GmbH & Co. KG wird vielfach genutzt, um eine kommunal beherrschte Projektgesellschaft zu begründen, an der private Investoren aus der näheren Umgebung beteiligt werden. Als Investoren werden daher neben privaten Interessenten auch kommunalwirtschaftliche Unternehmen (auch aus benachbarten Gemeinden) angesprochen.

Zwar greift das KWG hier nicht ein, jedoch besteht für die Beteiligung als Kommanditist an einer GmbH & Co. KG eine Prospekterstellungs-, -prüfungs- und -genehmigungspflicht durch die BaFin. Dies wird in der Praxis bei Großvorhaben dann in Kauf genommen.

In aller Munde – die (Energie-)Genossenschaft

In den letzten Jahren wurden zahlreiche Genossenschaften (eG) zur Förderung von regenerativen Projekten gegründet. Die eG ist ein Verband zur Förderung der Belange seiner Mitglieder durch gemeinsames Wirtschaften. Sie ist offen für eine unbeschränkte Anzahl von Mitgliedern, die jeweils einen oder mehrere Mitgliedsanteile übernehmen (beschränkte Haftung), wobei hier das sog. „One man one vote“-Prinzip gilt. D.h. jedes Mitglied hat regelmäßig nur eine Stimme in der Generalversammlung unabhängig vom Kapitaleinsatz. Dadurch ist die Steuerungsfähigkeit um ein Vielfaches schwerer als bei der GmbH & Co. KG, insbesondere da sich regelmäßig die Zusammensetzung der Generalversammlung ändert. Die Geschäftsführung ist Sache des Vorstandes, der von der Generalversammlung gewählt wird.

In der Regel erfolgt kein Energievertrieb an die Mitglieder, sondern nur eine indirekte Förderung durch Erschließung neuer lokaler regenerativer Quellen unter Berücksichtigung der Mitgliederinteressen. Die Ausgabe von Mitgliedschaften an Genossenschaften unterliegt keiner Prospektpflicht. Problematisch für größere Vorhaben stellt sich der Umstand dar, dass die Kündigungsfrist der Mitglieder bereits nach fünf Jahren erfolgen kann, eine längere Kündigungsfrist ist nicht zulässig. Eine Kapitalsicherheit besteht daher zunächst nur für diesen Zeitraum.

Zudem hat das bayerische Staatsministerium des Inneren mit Schreiben vom 31.07.2012 Hinweise zu kommunalrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Erzeugung regenerativer Energien veröffentlicht. Danach wird die Beteiligung einer Kommune bzw. eines kommunalen Unternehmens an einer eG wegen des Fehlens einer dem Beteiligungsumfang entsprechenden Einflussnahme regelmäßig kommunalrechtlich unzulässig sein. Es ist zu erwarten, dass andere Bundesländer dieser Auffassung folgen. Das hätte zur Folge, dass die Projektierung über eine eG für Kommunen nicht mehr ohne Weiteres in Betracht kommt.

Best Practice – Kombination der Vorteile von GmbH & Co. KG und eG

Die Kombination aus KG und eG bietet gute Möglichkeiten für die Integration von Groß- und Kleinanlegern in derselben Gesellschaft, wobei die GmbH & Co. KG die operative Gesellschaft ist. Die GmbH & Co. KG ist kommunal geführt (Stadtwerk oder Kommune als Gesellschafter der Komplementär-GmbH). An der KG sind wenige Großanleger unmittelbar als Kommanditisten beteiligt (max. 20 Kommanditisten), einen der Kommanditanteile hält eine eG, die auf diese Weise Bindeglied zur Bürgerbeteiligung ist. Die Bürger werden Genossen der eG und sind nicht unmittelbar an der KG beteiligt, so dass die basisdemokratische Struktur der Genossenschaft nicht auf die GmbH & Co. KG durchschlägt. So wird sichergestellt, dass die Kommune bzw. das Stadtwerk die wichtigen unternehmerischen Entscheidungen autark treffen kann. In dieser Kombination besteht keine Prospektpflicht, das KWG greift nicht ein.

Fazit

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Bürgerbeteiligung erlauben zahlreiche Gestaltungsalternativen. In der Praxis haben sich aus vorstehenden Gründen einige wenige Gestaltungsformen herausgebildet. Für jedes Projekt gilt es eine maßgeschneiderte Lösung zu finden, wobei der Teufel wie so oft im Detail steckt. Zudem wollen zusätzlich steuerliche und betriebswirtschaftliche Aspekte bedacht sein, auf die vorstehend nicht eingegangen werden konnte.

 

Danny Essing

Rechtsanwalt PricewaterhouseCoopers Legal AG, Rechtsanwaltsgesellschaft Düsseldorf
 

Eike Christian Westermann

Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht und für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der KPMG AG WPG
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