15.12.2012

Das neue Personenbeförderungsrecht

Endlich Rechtssicherheit für die Betroffenen?

Das neue Personenbeförderungsrecht

Endlich Rechtssicherheit für die Betroffenen?

PbefG: Mehr Rechtssicherheit durch Anpassung an den geänderten europarechtlichen Rahmen? | © Pixel & Création - Fotolia
PbefG: Mehr Rechtssicherheit durch Anpassung an den geänderten europarechtlichen Rahmen? | © Pixel & Création - Fotolia

Ausgangslage

Die EU-Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr.1191/69 und (EWG) Nr.1107/70 (AblEU Nr.L 315 v. 03.12.2007, S. 1 – 13) ist seit dem 03.12.2009 unmittelbar geltendes Recht in der Europäischen Union. Wegen der Diskrepanzen zwischen dieser Verordnung und dem deutschen Personenbeförderungsgesetz (PBefG) muss dieses an die Vorgaben der EU-Verordnung angepasst werden.

Im Juni 2011 hat das Bundeskabinett im zweiten Anlauf endlich den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften gebilligt und in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht (BT-Drs. 17/8233).

Der Kompromiss zum neuen PBefG

Die Anhörung der Sachverständigen und der betroffenen Verbände vom 29.02.2012 hat die Verkehrspolitiker in Bundestag und Bundesrat dazu veranlasst, in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe und gemeinsam mit Ländervertretern zu den zentralen Streitpunkten Kompromissvorschläge zu erarbeiten. Die am 14.09.2012 vorgelegten Ergebnisse wurden sowohl von den kommunalen Spitzenverbänden als auch vom Verkehrsgewerbe im Grundsatz begrüßt, weil nur auf dieser Grundlage die dringend erforderliche Rechtssicherheit im deutschen Personenbeförderungsrecht in absehbarer Zeit – d.h. in der laufenden Legislaturperiode – erreicht werden kann. Bundestag und Bundesrat haben den Änderungsvorschlägen der interfraktionellen Arbeitsgruppe auf der Grundlage der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung vom 26.09.2012 (BT-Drs. 17/10857) am 27.09.2012 bzw. am 02.11.2012 zugestimmt, so dass das neue PBefG in dieser Fassung (BR-Drs. 586/12) zum 01.01.2013 in Kraft treten kann.


Erste Bewertung aus kommunaler Sicht

Aus Sicht der kommunalen Aufgabenträger ist zu bedauern, dass das von ihnen abgelehnte Postulat eines „Vorrangs eigenwirtschaftlicher Verkehre“ Eingang in den Konsens gefunden hat, die zentrale Forderung der kommunalen Spitzenverbände nach rechtlicher Verbindlichkeit des Nahverkehrsplans zur konkreten Bestimmung der ausreichenden Verkehrsbedienung dagegen nicht mehrheitsfähig war.

Die im Kompromiss gewählte Lösung, den Aufgabenträgern in Anlehnung an die Vorschläge des Bundesrates (BR-Drs. 462/11) die Bestimmung der ausreichenden Verkehrsbedienung über die Vorab-Bekanntmachung im Vergabeverfahren zu ermöglichen, kann nur als zweitbeste Lösung angesehen werden, da sie an anderer Stelle zu neuer Rechtsunsicherheit führen kann.

Die positiven Aspekte

Einige wesentliche Punkte sind allerdings positiv zu bewerten:

1. Zu begrüßen ist, dass mit dem Kompromiss zu § 13 Abs. 2 lit. a) S. 2 PBefG sog. „eigenwirtschaftliche Verkehre“ nur genehmigt werden dürfen, wenn sie den in der Vorabbekanntmachung niedergelegten Anforderungen des Aufgabenträgers genügen und sich nicht lediglich auf Teilleistungen beziehen. Bei Abweichungen von diesen Anforderungen sollen entsprechende Verkehre nur „im Einvernehmen“ mit dem Aufgabenträger zulässig sein. Durch diese Regelung wird den unterschiedlichen Funktionen und Verantwortlichkeiten von Aufgabenträgern (planerische, organisatorische und finanzielle Sicherstellung der ausreichenden Verkehrsbedienung) und Genehmigungsbehörden (Rechtsaufsicht) angemessen Rechnung getragen.
Diese grundsätzlich klare Neuregelung enthält allerdings an mindestens drei Stellen rechtliche Unwägbarkeiten:
– Es fehlt eine klare Verfahrensweise nach § 13 Abs. 2 lit. a) bei fehlendem Einvernehmen.
– Die wesentlichen Abweichungen von den in der Vorabbekanntmachung enthaltenen weiteren Anforderungen sind in § 13 Abs. 2 lit. a) S. 4 PBefG nicht abschließend aufgezählt, so dass es über das Kriterium der Wesentlichkeit mit Sicherheit zu Kontroversen kommen wird.
– Es fehlt an einer Klarstellung zum Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre im Hinblick auf die Geltung der VO Nr. 1370/2007 in § 8 lit. a) Abs. 1 S. 1 PBefG.
2. Zu begrüßen ist die Klarstellung der Direktvergabeoption in §8lit.a) Abs. 3 PBefG und die damit gesicherte Möglichkeit zur Eigenerbringung und Direktvergabe von Verkehrsleistungen nach Maßgabe der VONr.1370/2007. Zur rechtlichen Absicherung der Direktvergabeoption und zur Überwindung des Behördendualismus „Aufgabenträger / Genehmigungsbehörde“ hatten die kommunalen Spitzenverbände allerdings gefordert, dass der öffentliche Dienstleistungsauftrag des Aufgabenträgers gesetzlich zugleich als Liniengenehmigung definiert werden müsse.
3. Positiv zu bewerten ist die im neu formulierten § 8 Abs. 3 und Abs. 3 lit. a) PBefG verankerte stärkere Verantwortlichkeit der Aufgabenträger für die Sicherstellung einer „ausreichenden Verkehrsbedienung“, während die Genehmigungsbehörde darin nur „mitwirkt“.
4. Absolut unbefriedigend ist dagegen die im neuen PBefG gewählte Rechtsschutzregelung: Die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge kann gem. § 8 Abs. 7 PBefG vor den Vergabekammern und den Oberlandesgerichten angefochten werden, während die Liniengenehmigungen vor den Verwaltungsgerichten angegriffen werden müssen. Dieses Auseinanderfallen der Rechtspflege für die öffentlichen Dienstleistungsaufträge einerseits und die Liniengenehmigungen andererseits ist sicherlich kein Akt der Rechtsvereinfachung und schwächt außerdem die im Bereich Verkehrs- und Planungsrecht kompetenten und erfahrenen Verwaltungsgerichte.

Fazit

Insgesamt kann das neue PBefG mit der darin vorgenommenen Stärkung der Position der Aufgabenträger und der klaren Regelung zur Direktvergabe sowie dem Schutz kommunaler Unternehmen vor Rosinenpickerei als deutliche Verbesserung gegenüber der derzeitigen Situation gewertet werden. Inwieweit sich die Neuregelungen in der Praxis bewähren und wie weit sie ausreichende Rechtssicherheit bieten, werden die nächsten Monate zeigen.

 

Folkert Kiepe

Rechtsanwalt, Partner of Counsel, Becker Büttner Held, Köln
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