10.11.2016

Die Tagesschau-App ist presseähnlich

Wettbewerbswidrige App: ARD verliert Streit gegen Zeitungsverlage

Die Tagesschau-App ist presseähnlich

Wettbewerbswidrige App: ARD verliert Streit gegen Zeitungsverlage

Elf deutsche Zeitungsverlage klagten | © blende11.photo - Fotolia
Elf deutsche Zeitungsverlage klagten | © blende11.photo - Fotolia

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat am Freitag, den 30. 09. 2016, die Tagesschau-App als presseähnlich eingestuft. Nach jahrelangem Rechtsstreit gaben die Richter nun den Zeitungsverlagen Recht und entschieden gegen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Das OLG Köln verbot den ARD-Sendern, die App in der bisherigen Form zu verbreiten. Die Richter des OLG Köln mussten sich erneut mit dem Fall befassen, nachdem der Bundesgerichtshof einer Beschwerde mehrerer Zeitungsverlage gefolgt war.

– ANZEIGE –

Elf deutsche Zeitungsverlage klagten

Nun ist das lang erwartete Urteil in der Diskussion um die Tagesschau-App da. Und die Richter am OLG Köln urteilten zugunsten der Zeitungsverlage und gegen die ARD. Die Tagesschau-App sei, so wie sie an dem zur Beurteilung zugrunde liegenden Beispieltag, den 15. 06. 2011, in ihrer Form abrufbar war, unzulässig. Die Klage von elf deutschen Zeitungsverlagen hatte insofern weitgehend Erfolg.

Der ARD sei es danach unbenommen, eine Tagesschau-App anzubieten, jedoch dürfe es eine öffentlich-rechtliche Zeitung im Internet nicht geben. Die Zeitungsverlage warfen der ARD vor, dass die Tagesschau-App den Markt verzerre, da die ARD die Tagesschau-App mit dem Rundfunkbeitrag finanziere.


Das Urteil wird jedoch keine unmittelbaren Folgen für die aktuelle Tagesschau-App haben, da sie zwischenzeitlich bereits überarbeitet worden war. Der an einigen Stellen bemängelte, fehlende Bezug der Texte auf Sendungen der ARD sei inzwischen vorhanden, so der Justiziar des Norddeutschen Rundfunks. Das OLG Köln jedenfalls verpflichtet die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zukünftig, sich an den geltenden Rundfunkstaatsvertrag zu halten (Az. 6 U 188/12).

Zeitungsverlag sieht in Tagesschau-App Wettbewerbsverstoß

Die Klägerinnen sind Zeitungsverlage. Beklagte ist zum einen die ARD, die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, und zum anderen der Norddeutsche Rundfunk. Die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten betreiben seit dem Jahr 1996 das vom Norddeutschen Rundfunk betreute Online-Portal „tagesschau.de”. Im Jahr 2009 wurden in den Rundfunkstaatsvertrag die Regelungen des §§ 11d, 11f RStV eingefügt. Danach haben öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten die inhaltliche Ausrichtung ihrer Telemedienangebote in Telemedienkonzepten zu konkretisieren und diese Konzepte einer – als „Drei-Stufen-Test” bezeichneten – Prüfung zu unterwerfen. Die in der ARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten entwickelten daraufhin unter Federführung des Norddeutschen Rundfunks ein Telemedienkonzept für das Online-Portal „tagesschau.de”. Dieses Konzept wurde im Jahr 2010 vom Rundfunkrat des Norddeutschen Rundfunks beschlossen, von der Niedersächsischen Staatskanzlei als Rechtsaufsichtsbehörde freigegeben und im Niedersächsischen Ministerialblatt veröffentlicht.

Tagesschau-App bietet Textbeiträge

Seit dem 21. Dezember 2010 bieten die Rundfunkanstalten die Applikation „Tagesschau-App” für Smartphones und Tabletcomputer an. Über diese Applikation kann das unter „tagesschau.de” vorgehaltene Angebot aufgerufen werden. Dieses besteht aus – teils um Standbilder oder Bildstrecken ergänzten – Textbeiträgen, aus Audio- und Videobeiträgen sowie aus interaktiven Elementen.

Mit ihrer Klage wendeten sich die Zeitungsverklage daraufhin gegen das am 15. Juni 2011 über die „Tagesschau-App” bereitgestellte Angebot. Sie sind der Ansicht, dieses Angebot sei wettbewerbswidrig, weil es gegen die als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG einzustufende Bestimmung des § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Teilsatz 3 RStV verstoße. Danach sind nichtsendungsbezogene presseähnliche Angebote in Telemedien unzulässig. Die elf Zeitungsverlage nehmen die Beklagten auf Unterlassung in Anspruch.

Das Berufungsgericht wies die Klage zunächst ab. Ein etwaiger Verstoß der Beklagten gegen das Verbot presseähnlicher Angebote könne keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche begründen, weil das Angebot des Online-Portals „tagesschau.de” im Zuge des „Drei-Stufen-Tests” von den mit der Prüfung befassten Einrichtungen als nicht presseähnlich eingestuft und freigegeben worden sei, so die Begründung. Die Wettbewerbsgerichte seien an diese rechtliche Bewertung gebunden (Urteil des OLG Köln vom 20. 12. 2013 – Az. 6 U 188/12).

OLG Köln musste prüfen, ob wesentliche Bestandteile der App „presseähnlich” sind

Dagegen legten die Zeitungsverlage Revision beim Bundesgerichtshof ein, zum Teil erfolgreich. Hinsichtlich der ARD erklärten die Bundesrichter allerdings das Berufungsurteil für rechtens; die Klage sei insoweit im Ergebnis zu Recht als unzulässig abgewiesen worden. Bei der ARD handele es sich um einen Zusammenschluss von Rundfunkanstalten, der als solcher nicht rechtsfähig sei und nicht verklagt werden könne, so die Richter.

Hinsichtlich des Norddeutschen Rundfunks hatte die Revision der Zeitungsverlage dagegen Erfolg. Der Bundesgerichtshof hatte angenommen, aufgrund der Freigabe des Telemedienkonzeptes durch die Niedersächsische Staatskanzlei stehe – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht mit bindender Wirkung für den vorliegenden Rechtsstreit fest, dass das am 15. Juni 2011 über die „Tagesschau-App” bereitgestellte Angebot im Online-Portal „tagesschau.de” nicht presseähnlich gewesen sei. Mit der Freigabe ist allenfalls das Konzept und jedenfalls nicht dessen konkrete Umsetzung im Einzelfall als nicht presseähnlich gebilligt worden. Bei dem Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Das Verbot hat zumindest auch den Zweck, die Betätigung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten auf dem Markt der Telemedienangebote zum Schutz von Presseverlagen zu begrenzen. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann daher wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Verlage begründen.

Presseähnlichkeit bejaht

Der Bundesgerichtshof hatte die Bindungswirkung der Entscheidung des Rundfunkrates verneint und dem OLG Köln sodann aufgegeben, selbst zu überprüfen, ob das Angebot der App „presseähnlich” sei. Dies bedeute, dass das Angebot der App nicht durch „stehende” Texte und Bilder geprägt sein dürfe. Vielmehr müsse der Schwerpunkt in einer hörfunk- oder fernsehähnlichen Gestaltung liegen, so der Bundesgerichtshof.

Der Senat hat nun diese Überprüfung vorgenommen und die Pressähnlichkeit der App bejaht. Das OLG Köln musste dabei das Angebot der „Tagesschau App” am 15. Juni 2011 prüfen. Denn nur der Inhalt dieses Tages war von den Klägern zum Streitgegenstand gemacht worden.

Dabei wurde wie vom Bundesgerichtshof vorgegeben die Gesamtheit der nichtsendungsbezogenen Inhalte bewertet. Schon die Start- und Übersichtsseiten der App, die den Nutzern bestimmungsgemäß als erste gegenübertreten, bestünden ausschließlich aus Text und Standbildern.

Auch bei weiteren dokumentierten Beiträgen handele es sich mit wenigen Ausnahmen um in sich geschlossene Nachrichtentexte, die mit Standbildern illustriert seien. Insgesamt stünden Texte und Standbilder bei der Gestaltung im Vordergrund. Dies sei nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs als presseähnlich zu qualifizieren.

Die Revision wurde nicht zugelassen, da nach der Klärung der grundsätzlichen Rechtsfragen durch den Bundesgerichtshof nunmehr nur die die konkreten Umstände des Einzelfalles zu würdigen waren.

 

Christian Solmecke

LL.M, Rechtsanwalt und Partner, Medienkanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE, Köln
n/a