10.11.2016

Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit

Bayern regelt entsprechendes Verbot der Verwendung von Grabsteinen

Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit

Bayern regelt entsprechendes Verbot der Verwendung von Grabsteinen

Die kommunalen Spitzenverbände hätten eine landesweite Regelung unmittelbar im Bestattungsgesetz bevorzugt. | © Martina Berg - Fotolia
Die kommunalen Spitzenverbände hätten eine landesweite Regelung unmittelbar im Bestattungsgesetz bevorzugt. | © Martina Berg - Fotolia

Am 09. 08. 2016 wurde das „Gesetz zur Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Grabsteinherstellung” verkündet (GVBl S. 246). Es ist am 01. 09. 2016 in Kraft getreten und schafft in einem neu eingefügten Art. 9a Bestattungsgesetz (BestG) eine Satzungsermächtigung für die Friedhofsträger, Grabsteine und Grabeinfassungen aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu verbieten.

Mit der Vorlage des Gesetzentwurfs im Dezember 2015 war die Staatsregierung einem Beschluss des Bayerischen Landtags v. 03. 04. 2014 (LT-Drs. 17/1487 [PDF]) nachgekommen, mit dem sie aufgefordert wurde, eine Rechtsgrundlage für den Erlass kommunaler Satzungsregelungen zu schaffen, die eine Verwendung von Grabmalen aus ausbeuterischer Kinderarbeit ausschließe und den Vorgaben des BVerwG (Urt. v. 16. 10. 2013, 8 CN 1.12) Rechnung trage.

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus 2013

Dem Urteil des BVerwG lag ein mehrjähriger und über mehrere Instanzen geführter Rechtsstreit über die Bestattungs- und Friedhofssatzung der Stadt Nürnberg (BFS) zugrunde. Diese hatte dort folgende Regelung aufgenommen:


  • 28 – Grabmale […]
    (2) Es dürfen nur Grabmale aufgestellt werden, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne des Übereinkommens über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Konvention 182), in Kraft getreten am 19. November 2000, hergestellt wurden.

In seinem Urteil hatte das BVerwG jedoch entschieden, dass

  • die den Kommunen eingeräumte allgemeine Satzungsbefugnis sowie die Befugnis, die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln, keine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage darstellen, um einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Steinmetze zu rechtfertigen, und dass
  • es das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit und hinreichenden Bestimmtheit verletzt, wenn für den Normbetroffenen (insbes. Steinmetze) nicht im Voraus erkennbar ist, welche Nachweise zum Beleg dafür, dass die Grabmale nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit herrühren, anerkannt werden.

Neuregelung durch den bayerischen Gesetzgeber

Der neu eingefügte Art. 9a BestG lautet:

Art. 9a Verbote von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit

(1) Der Friedhofsträger kann durch Satzung bestimmen, dass Grabsteine und Grabeinfassungen aus Naturstein nur aufgestellt werden dürfen, wenn sie nachweislich ohne schlimmste Formen von Kinderarbeit im Sinne von Art. 3 des Übereinkommens Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 17. Juni 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (BGBl. 2001 II S. 1290, 1291) hergestellt worden sind. Herstellung im Sinne dieses Artikels umfasst sämtliche Bearbeitungsschritte von der Gewinnung des Natursteins bis zum Endprodukt.

(2) Der Nachweis kann im Sinne von Abs. 1 Satz 1 erbracht werden durch

1. eine lückenlose Dokumentation, wonach die Grabsteine oder Grabeinfassungen aus Naturstein ausschließlich in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, weiteren Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz hergestellt worden sind, oder

2. die schriftliche Erklärung einer Organisation, wonach

a) die Herstellung ohne schlimmste Formen von Kinderarbeit erfolgt ist,
b) dies durch sachkundige und unabhängige Kontrolleure regelmäßig und unangemeldet vor Ort überprüft wird und
c) die ausstellende Organisation weder unmittelbar noch mittelbar an der Herstellung oder am Handel mit Naturstein beteiligt ist.

Ist die Vorlage eines Nachweises nach Satz 1 unzumutbar, genügt es, dass der Letztveräußerer schriftlich

1. zusichert, dass ihm keine Anhaltspunkte dafür bekannt sind, dass die verwendeten Grabsteine und Grabeinfassungen aus Naturstein unter schlimmsten Formen von Kinderarbeit hergestellt worden sind, und

2.darlegt, welche wirksamen Maßnahmen ergriffen worden sind, um die Verwendung von solchen Grabsteinen und Grabeinfassungen zu vermeiden.

(3) Eines Nachweises im Sinne von Abs. 1 Satz 1 bedarf es nicht, wenn der Letztveräußerer glaubhaft macht, dass die Grabsteine oder Grabeinfassungen aus Naturstein oder deren Rohmaterial vor dem 1. September 2016 in das Bundesgebiet eingeführt wurden.

Begründung der Neuregelung des Art. 9a BestG

Zu Abs. 2 Satz 1 Nr. 1:

Zum Nachweis reichen laut Gesetzesbegründung etwa Rechnungen oder Lieferscheine.

Zu Abs. 2 Satz 1 Nr. 2:

Die von den Friedhofsträgern vorzunehmende Prüfung beschränkt sich laut Gesetzesbegründung grundsätzlich darauf, ob ein Zertifikat den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt hat; es würden grundsätzlich alle Zertifikate anerkannt, die diesen Formvorgaben genügten.

Zu Abs. 2 Satz 2:

Die Darlegung muss laut Gesetzesbegründung substantiiert und nachvollziehbar sein. Gegenüber dem Friedhofsträger sei ferner darzulegen, warum die Vorlage eines Nachweises im konkreten Fall unzumutbar sei (denkbar sei dies etwa bei Natursteinimporten aus Staaten, für die bisher noch keine Zertifizierungen angeboten wurden). Die Zertifizierungskosten allein sollen nicht ausschlaggebend sein. Denkbare Maßnahmen des Letztveräußerers, um die Verwendung von Grabsteinen und Grabeinfassungen aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu vermeiden, könnten laut Gesetzentwurf etwa Erkundigungen beim Zwischen- oder Großhändler sein.

Zu Abs. 3:

Übergangsregelung, nach der alle Natursteine, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ins Bundesgebiet eingeführt worden sind, von der Nachweispflicht befreit sind. Der Zeitpunkt der Einführung des Grabmals oder der Grabeinfassung in das Bundesgebiet ist gegenüber dem Friedhofsträger glaubhaft zu machen. Der Begriff der Glaubhaftmachung ist dabei wie in § 294 ZPO zu verstehen, so die Gesetzesbegründung. Regelmäßig werde die Beweisführung durch Rechnungen oder Lieferscheine möglich sein. Sofern dies nicht möglich sei, könnten die maßgeblichen Umstände auch auf andere geeignete Weise glaubhaft gemacht werden. Zu denken sei etwa an Rohmaterial, das bereits jahrelang auf dem Betriebsgelände lagere, sodass Lieferdokumente nicht mehr existierten. In diesem Fall könne etwa eine schriftliche, mit einer hinreichenden Begründung der Einzelfallumstände versehene Eigenerklärung des Letztveräußerers genügen.

Reaktion der bayerischen kommunalen Spitzenverbände

Von Seiten der kommunalen Spitzenverbände war zu vernehmen, dass diese eine landesweite Regelung mit einem Verbot unmittelbar im Bestattungsgesetz bevorzugt hätten. Bei einer Ermächtigung für eine Satzungsregelung bestehe die Gefahr, dass es zu unterschiedlichen Umsetzungen in den Städten und Gemeinden komme. Auch gebe es derzeit noch kein anerkanntes einheitliches Zertifizierungsverfahren für Natursteine, die nachweislich nicht aus ausbeuterischer Kinderarbeit stammten. Damit bestünde auch die Gefahr, dass die Veräußerer auf die schriftliche Zusicherung auswichen. Letztendlich werde die Prüfung und Beurteilung auf die Kommunen delegiert, ob die zertifizierende Organisation geeignet und unabhängig ist und ob regelmäßige Kontrollen vor Ort stattfinden.

 

Klaus Kohnen

Ass. iur., Gründer und Herausgeber, Bayerischer Rechts- und Verwaltungsreport (BayRVR), München
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