07.01.2022

Die Reform des Pfändungsschutzkontos

Überblick über die Fortentwicklung zum 01.12.2021

Die Reform des Pfändungsschutzkontos

Überblick über die Fortentwicklung zum 01.12.2021

Jede natürliche Person hat einen Anspruch auf Errichtung eines P-Kontos. ©MQ-Illustrations - stock.adobe.com
Jede natürliche Person hat einen Anspruch auf Errichtung eines P-Kontos. ©MQ-Illustrations - stock.adobe.com

Zum 01.07.2010 wurde durch das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes das sogenannte Pfändungsschutzkonto (P-Konto) eingeführt. Ziel des Gesetzes war, ein automatisierter Schutz des Grundfreibetrags auf einem gepfändeten Konto einzuführen. Ein bedeutsamer Beweggrund war weiterhin, die Vollstreckungsgerichte von bis dahin notwendigen Schutzanträgen zu entlasten.

Die Belastung der Gerichte hat sich tatsächlich trotz der weiterhin hohen Zahl der Kontenpfändungen reduziert. Gleichwohl gab es bei der praktischen Abwicklung und Umsetzung für Gläubiger, Schuldner und Drittschuldner Schwierigkeiten, die von der Gesetzgebung nach einem aufwändigen Evaluierungsverfahren nun beseitigt werden sollten. Die Reform des Pfändungsschutzkontos wurde am 26.11.2020 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 2466) veröffentlicht. Änderungen erfolgten zudem durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vom 07.05.2021 (BGBl. I S. 850). Die Änderungen sind am 01.12.2021 in Kraft getreten.

Die Regelungen des P-Kontos sind mit Ausnahme des § 850k ZPO über die Einrichtung und Beendigung des Pfändungsschutzkontos und des § 850l ZPO bezüglich eines Gemeinschaftskontos nun in einem eigenen Abschnitt der ZPO zusammengefasst. Der Begriff „Girokonto“ wurde nun in „Zahlungskonto“ geändert, ohne dass damit eine sachliche Änderung verbunden ist.


Jede natürliche Person hat einen Anspruch auf Errichtung eines P-Kontos. Auch bei negativem Saldo besteht dieser Anspruch. Das Konto kann allerdings nur auf Guthabenbasis geführt werden. In der Praxis bietet es sich für Kreditinstitute an, den negativen Saldo in ein Kreditkonto umzubuchen und hierüber mit dem Schuldner eine Rückzahlungsvereinbarung zu treffen.

Das P-Konto eröffnet dem Kontoinhaber einen 3-stufigen Schutz:

1. Stufe

Die 1. Stufe ist der sogenannte pfandfreie Grundfreibetrag in Höhe von monatlich 1.260 €. Die Umwandlung eines Kontos in ein P-Konto kann noch innerhalb eines Monats nach Zustellung einer Pfändung erfolgen. Im Gesetz ist nunmehr auch eine Regelung enthalten, wenn eine Pfändung ein gemeinsames Zahlungskonto erfasst. Unabhängig davon, ob es sich um ein „Oder-Konto“ oder ein „Und-Konto“ handelt, kann der Schuldner im Zeitraum eines Monats vom Kreditinstitut verlangen, dass ein Einzelkonto eröffnet wird und dieses als P-Konto geführt wird. Das hierauf übertragene Guthaben entspricht dem kopfteiligen Anteil, bei zwei Personen also die Hälfte. Der Mitinhaber des Gemeinschaftskontos kann eine Übertragung des auf ihn entfallenden Kopfanteils auf ein auf seinen Namen lautendes Zahlungskonto verlangen. Die Wirkungen der Pfändung fallen ihm gegenüber damit weg.

Wie bisher besteht die Möglichkeit, nicht verbrauchtes monatliches Guthaben in die Folgezeit zu übertragen. Der Gesetzgeber hat die bisherige Frist von einem Monat auf nunmehr bis zu drei Monaten verlängert, um dem Kontoinhaber damit die Möglichkeit zu eröffnen, größere Anschaffungen vorzunehmen. Verfügungen sind jeweils mit dem Guthaben zu verrechnen, das zuerst dem P-Konto gutgeschrieben wurde.

Für das Kreditinstitut besteht nunmehr auch ein umfassendes Aufrechnungs- und Verrechnungsverbot hinsichtlich des Guthabens, das auf einem P-Konto nicht von der Pfändung erfasst wird. Bisher galt dies nur für eingehende Sozialleistungen. Nunmehr werden alle Zahlungseingänge hiervon erfasst.

2. Stufe

Der automatisch gesicherte Grundfreibetrag der 1.Stufe erhöht sich ohne Einschaltung des Vollstreckungsgerichts u.a. bei Leistungen im Rahmen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht, bei Entgegennahme von Geldleistungen nach SGB II und SGB XII, einmaligen Geldleistungen nach § 54 SGB I, Geldleistungen aus der Bundesstiftung „Mutter und Kind“, Kindergeld und anderer gesetzliche Geldleistungen für Kinder, sowie Geldleistungen, die dem Kontoinhaber nach sonstigen Bundes- oder landesrechtlichen Regelungen gewährt werden (aktuell: Coronahilfen).

Das Kreditinstitut kann aus einem Guthaben, soweit es als Erhöhungsbetrag unpfändbar ist, mit befreiender Wirkung gegenüber dem Schuldner an den Gläubiger leisten, bis der Schuldner dem Kreditinstitut nachweist, dass es sich um ein Guthaben handelt, das im Rahmen der 2. Stufe nicht von der Pfändung erfasst wird. Der Nachweis hinsichtlich der Erhöhungsbeträge ist durch Vorlage einer Bescheinigung zu führen. Diese Bescheinigung kann ausgestellt werden von der Familienkasse, einem Sozialleistungsträger oder einer mit der Gewährung von Geldleistungen im Sinne des § 902 Satz 1 ZPO befassten Einrichtung, dem Arbeitgeber oder einer geeigneten Person oder Stelle im Sinne des § 305 InsO. Bisher war gesetzlich nicht geregelt, wie lange die entsprechenden Bescheinigungen Gültigkeit haben. Das Kreditinstitut hat nunmehr diese für die Dauer von zwei Jahren zu beachten, sofern sich nicht Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Bescheinigungen unrichtige Angaben enthalten oder nicht mehr zutreffend sind. Neu ist ebenfalls, dass Familienkassen und Sozialleistungsträger nunmehr verpflichtet sind, eine solche Bescheinigung auszustellen, soweit diese Leistungen erbringen.

Verbraucherinsolvenzberatungsstellen oder Arbeitgeber sind zur Ausstellung einer Bescheinigung auch weiterhin nicht verpflichtet. Wenn der Schuldner bei Gericht glaubhaft macht, dass er trotz ernsthafter Versuche in zumutbarer Weise eine entsprechende Bescheinigung nicht erhalten hat, bestimmt das Vollstreckungsgericht die entsprechenden Erhöhungsbeträge. Bisher bestand außerdem eine Rechtsunsicherheit, wie mit laufenden Geldleistungen im Rahmen des P-Kontos umzugehen ist, wenn diese zu einem späteren Zeitpunkt als dem Monat, auf den sich die Leistungen beziehen, ausbezahlt werden. Nachzahlungen nach SGB II, SGB XII, AsylbLG, Kindergeld und Nachzahlungen nach dem Sozialgesetzbuch (z.B. Rente) können nunmehr immer bescheinigt werden. Bei Arbeitseinkommen und Rente allerdings nur bis zu 500 €. Darüber hinaus ist das Vollstreckungsgericht zuständig.

3. Stufe

Die 3. Stufe des Kontopfändungsschutzes betrifft die Festsetzung eines abweichenden pfändungsfreien Betrags. Bei einer sog. privilegierten Pfändung, d. h. wegen einer Unterhaltsforderung oder einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, wird auf Antrag des Gläubigers – wie bei der Pfändung von Arbeitseinkommen – im Einzelfall der pfandfreie Betrag gesondert festgesetzt, bzw. herabgesetzt. Das Vollstreckungsgericht hat bei der Festsetzung des abweichenden pfändungsfreien Betrags diesen regelmäßig zu beziffern. In diesem Zusammenhang ist zu wünschen, dass im amtlichen Formular für Unterhaltspfändungen für die Festsetzung eines anderweitig unpfändbaren Betrages ein Formularfeld für P-Konten aufgenommen wird, wie es bisher bei der Pfändung von Arbeitseinkommen der Fall ist. Entsprechende Überlegungen sollten für Pfändungen wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung angestellt werden, für welche bisher ein eigenständiges Formular fehlt.

Andererseits kann auch die Festsetzung eines höheren Freibetrags erfolgen. Der Pfändungsschutz bei höherem Arbeitseinkommen geht wesentlich weiter als der Pfändungsschutz beim P-Konto. Sind bei der Pfändung von Arbeitseinkommen bei einem Nettoeinkommen von 1.990 € und zwei zu berücksichtigenden unterhaltsberechtigten Personen nach der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2021 1.988,69 € unpfändbar, weicht der Pfändungsschutz beim P-Konto nur unwesentlich ab. Hier beträgt der Pfändungsschutz bei zwei unterhaltsberechtigten Personen 1.994,09 €. Bei einem Nettoeinkommen von 3.500 € beträgt bei zwei unterhaltsberechtigten Personen der Pfändungsschutz für das Arbeitseinkommen dagegen 2.894,69 €, der Schutz auf dem P-Konto nach der 2. Stufe weiterhin nur 1.994,09 €. In diesem Fall kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners ebenfalls einen abweichenden, höheren pfändungsfreien Betrag beim P-Konto festsetzen. Wird neben der Kontopfändung bereits auch das Arbeitseinkommen direkt beim Arbeitgeber gepfändet, ist eine Bezifferung durch das Vollstreckungsgericht nicht erforderlich. Eine Bezugnahme auf das vom Arbeitgeber errechnete monatlich bereits pfändungsfreie Arbeitseinkommen genügt in diesem Fall. Hier hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BGH aufgegriffen.

Außerdem kann das Vollstreckungsgericht, wie auch in der Vergangenheit, befristet die Unpfändbarkeit des P-Kontos anordnen. Weist der Schuldner nach, dass innerhalb der letzten sechs Monate vor der Antragstellung ganz überwiegend unpfändbare Beträge gutgeschrieben wurden und macht er weiterhin glaubhaft, dass innerhalb eines Prognosezeitraums von sechs Monaten ebenfalls ganz überwiegend nur Gutschriften unpfändbarer Beträge zu erwarten ist, kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag anordnen, dass das Guthaben auf dem P-Konto für die Dauer von zwölf Monaten nicht der Pfändung unterworfen ist. Hier wurde der Prognosezeitraum von zwölf Monaten auf sechs Monate verkürzt. In der Praxis spielt diese Regelung bisher keine allzu große Rolle. Kreditinstitute als Drittschuldner müssen sich bei Pfändungen, die trotzdem erfolgen, an das Vollstreckungsgericht wenden, da die Pfändung formal nicht unwirksam ist. Dem pfändenden Gläubiger und dem konkreten Rechtspfleger beim Vollstreckungsgericht wird regelmäßig nicht bekannt sein, dass bereits die Unpfändbarkeit angeordnet wurde.

Im Falle einer Insolvenz des Kontoinhabers erfolgt außerdem eine klarstellende Regelung in der Insolvenzordnung. Bei einem P-Konto kann der Schuldner auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in dem Umfang weiterhin verfügen, wie er es auch bei einer Einzelzwangsvollstreckung konnte.

Das Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz bringt damit zahlreiche Verbesserungen für Verbraucher und Selbstständige. Die Neustrukturierung verbessert zudem die Handhabbarkeit der Vorschriften für alle, die mit Kontopfändung zu tun haben.

 

Ass. jur. Peter Rothfuss

Stadtrechtsdirektor a.D.
n/a