10.01.2022

Die Entschädigungsregelung des § 56 Infektionsschutzgesetz

Ein Kurzplädoyer für Stringenz im rechtlichen Neuland

Die Entschädigungsregelung des § 56 Infektionsschutzgesetz

Ein Kurzplädoyer für Stringenz im rechtlichen Neuland

Ein Beitrag aus »br – Behinderung und Recht« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »br – Behinderung und Recht« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Dass die Corona-Pandemie ein Ereignis ist, das wie kaum ein anderes seit dem letzten Weltkrieg zur Verwendung sprachlicher Superlative einlädt und schon jetzt auch unseren Rechtsstaat vor beispiellose Herausforderungen gestellt hat und stellt, ist eine Erkenntnis, die auch bei oberflächlicherer Betrachtung der gegenwärtigen Alltagssituation nur allzu offenbar wird. Neben traurigen Verschwörungstheorien und einer kaum übersehbaren Anzahl an Ratschlägen für all die Lebenssituationen, die uns die Pandemie beschert, kursieren vor allem im Internet seit dem Frühjahr eine Vielzahl rechtlicher Bewertungen und Auslegungen, die jedoch – so wohlmeinend sie auch sein mögen – einer näheren und kritischen Betrachtung bedürfen.

1. Einleitung

In nicht wenigen Beiträgen auch der rechtsberatenden Berufe wird sehr nachdrücklich und bisweilen zugespitzt die Auffassung vertreten, die Vorschrift des § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) stelle eine materiell-rechtliche Grundlage für die Entschädigung z. B. bei im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie veranlassten Schließungen von Gewerbebetrieben dar. Dies hat bei vielen Betroffenen Hoffnungen geweckt, die durch negative Entscheidungen der zuständigen Stellen dann enttäuscht wurden und Unverständnis zurückließen. Es soll vor diesem Hintergrund die Aufgabe dieser Kurzbetrachtung sein, die rechtsgeschichtliche Entwicklung der Norm nachzuzeichnen und zu extrahieren, was den Gesetzgeber geleitet und bewogen hat, die Norm des § 56 IfSG in der bestehenden Form gelten zu lassen.

2. Vorgängerrecht – § 49 Bundesseuchengesetz

Die Vorschrift des § 56 IfSG geht auf den wesentlich inhaltsgleichen § 49 des Bundesseuchengesetzes (BSeuchG) zurück. Anders als im Vorgängerrecht, dem Reichsseuchengesetz vom 30. Juni 19001, beschrieben als Gesetz betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, entsprach das BSeuchG vom 18. Juli 19612 in Teilen heute noch bestehendem Recht, so eben auch § 49 BSeuchG. Diese Norm sollte nach Vorstellung des Gesetzgebers eine Billigkeitsentschädigung darstellen3, die aber keinen vollen Ausgleich des erlittenen Schadens, sondern lediglich eine gewisse Absicherung der von den angeordneten Sanktionen Betroffenen gegen materielle Not erreichen sollte. Begründet wurde dies auch damit, dass es sich bei dem – letztlich vom Gesetz geschützten – Personenkreis um Störer im polizeirechtlichen Sinne handelte4. Gerade diese seinerzeitige Wertung muss bei den folgenden Überlegungen stets mitgedacht werden und spielt auch bei der heutigen Auslegung des Normnachfolgers eine Rolle.


3. Rechtssystematische Einordnung

Die Ratio der Vorschrift bestehe in der finanziellen Entschädigung der sog. Ausscheider im Sinne des § 2d BSeuchG, die zwar grundsätzlich nicht als krank im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes gelten, insoweit aber die Grenzen zu einer Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne fließend seien5. So wird auch in der amtlichen Begründung zu § 48 des Regierungsentwurfs eines Bundesseuchengesetzes (= dem späteren § 49 BSeuchG)6 ausgeführt, Ausscheider, Ausscheidungsverdächtige und Ansteckungsverdächtige seien »vom Schicksal in ähnlicher Weise betroffen wie Kranke«. Ähnlich äußert sich der schriftliche Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen vom 17. April 19617, der ausführt: Der betroffene Personenkreis könne »in etwa den Kranken gleichgestellt werden«. Das zeigt sich bei Ausscheidern nicht nur in den Beschränkungen der Berufsausübung, sondern auch in den strengen hygienischen Auflagen, denen sie unterworfen sind8. Diese Auflage, zu denen insbesondere die dauernde Desinfektion der benutzten sanitären Anlagen zählt, schließen z. B. Aufenthalte in Gemeinschaftseinrichtungen und Hotels aus und führen dazu, dass der Betroffene sich unter anderen Personen und in fremden Räumen nicht zwanglos und frei bewegen kann. Das legt die Möglichkeit nahe, dass sich der Betroffene in dieser Zeit nicht so erholen kann, wie es dem Urlaubszweck entspricht, nämlich in freier, selbstgewählter Gestaltung der Urlaubszeit. Die Norm fokussiert damit klar auf eine Verdienstausfallkompensation für einen Personenkreis, der von anderen Regelungen nicht umfasst wird.

In dem Fall eines Selbständigen, in dem es um die Frage ging, ob es gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 GG verstoße, wenn dem von einem Tätigkeitsverbot betroffenen Selbständigen im Unterschied zu dem mit einer Absonderung belegten Selbständigen kein Ersatz für die fortlaufenden ungedeckten Betriebsausgaben geleistet werde, betont das Bundesverfassungsgericht dessen Zulässigkeit und erkennt die hieraus resultierende Einschränkung der Norm an9. Allein durch enge Eingrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises und vor allem die Abgrenzung zu Kranken wird deutlich, welches gesetzliche Leitbild der Entschädigung zugrunde liegen soll10 und damit inzident auch, wo dessen Grenzen sind.

4. Entwicklung

Die Regelung des § 49 BSeuchG erfuhr in ihrer Entwicklungsgeschichte zum einen die Änderung, dass der zuvor mit 660 DM starre Höchstbetrag der Verdienstausfallentschädigung entfiel und die – für das heutige Verfahren überaus prägende – Arbeitgebervorleistungspflicht in Absatz 4 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des BSeuchG vom 25. August 197111 eingeführt wurde und zum anderen eine Anpassung an die geltende Fassung der Reichsversicherungsordnung mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des BSeuchG vom 18. Dezember 197912 erfolgte.

 5. Überführung in das Infektionsschutzgesetz

Im Zuge einer – auch sprachlichen – Reformierung setzte das am 12. Mai 2000 vom Deutschen Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats am 20. Juli 2000 als Art. 1 des Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften (Seuchenrechtsneuordnungsgesetz – SeuchRNeuG)13 beschlossene und am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Infektionsschutzgesetz (IfSG) das BSeuchG außer Kraft. Im Wesentlichen regelt das IfSG den Infektionsschutz als spezielles Gebiet der Gefahrenabwehr. Es gehört damit zum Rechtsgebiet des Polizeirechts14. Unter anderem muss bei Anordnungen aufgrund des IfSG zwischen der Inanspruchnahme von Störern und Nichtstörern unterschieden werden.15 Bezogen auf die Verdienstausfallentschädigungen, die in §§ 56 ff. IfSG geregelt wurden, übernahm das IfSG – mit Ausnahme redaktioneller Anpassungen – weitgehend die Konzeption des Vorgängerrechts, die auch bis zum Beginn der Corona-Pandemie im Kern unverändert blieb. Die praktische Bedeutung des § 56 IfSG war bis zum Beginn des Jahres 2020 äußerst abgegrenzt und bedurfte offenbar mangels klärungsbedürftiger Rechtsfragen keiner tiefergehenden Beschäftigung der Judikative.16

6. Änderungen des § 56 IfSG

Als klar zu Tage trat, dass die in § 56 IfSG genannten Prämissen (erstmals) in zeitlichem Zusammenhang mit der Corona- Pandemie eine Bedeutung bekommen würden, die mit der vorherigen nicht vergleichbar war, erfolgten weiter- und tiefergehende Änderungen an der Vorschrift und den mit ihr in Zusammenhang stehenden Normen.

a. Allerdings noch vor der in Europa beginnenden Verschärfung der pandemischen Situation17 wurde § 56 IfSG durch das Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention vom 10. Februar 202018 insofern ergänzt, als durch Satz 3 in Absatz 1 der Ausschluss der Verdienstausfallentschädigung für den Fall geregelt wird, dass Betroffene ein Tätigkeitsverbot oder die Absonderung durch eine Schutzimpfung oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe hätten verhindern können. Dieses sog. »Verschulden gegen sich selbst«19 im Sinne des Rechtsgedankens aus § 254 BGB hat im Weiteren über die Wortlautauslegung hinaus im Wege der teleologischen Restriktion Bedeutung für die Reiserückkehrer aus vom Robert Koch-Institut ausgewiesenen Risikogebieten gefunden20 und wurde schließlich durch das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite21 als weiterer Ausschlusstatbestand in § 56 Abs. 1 Satz 3 IfSG übernommen.

b. Alle weiteren und nicht unerheblichen Veränderungen an der Vorschrift standen sämtlich im Zeichen der Pandemie und betrafen sowohl die Tatbestands- als auch die Rechtsfolgenseite sowie die zeitliche Geltungsdauer. Die wohl einschneidendste Ergänzung erfuhr § 56 IfSG durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020.22 Hiermit wurde der Norm ein Absatz 1a angefügt, der – vollkommen entgegen allem, was die Vorschrift ansonsten tatbestandsseitig in den Blick nimmt – eine Verdienstausfallentschädigung kreiert, die eingreift, wenn Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, mithin primär Kindertagesstätten und Schulen aufgrund pandemiebedingter Umstände geschlossen wurden. Die Einführung dieser Regelung stieß in der Fachwelt auf geteilte Reaktionen und rief zum Teil herbe Kritik hervor,23 die damit begründet wurde, dass § 56 Abs. 1a IfSG nicht in der Lage sei, sachgerechte Lösungen herbeizuführen, da die Verortung einer solchen Entschädigungsregelung im Infektionsrecht ordnungspolitisch nicht sinnvoll sei. Zudem ist beachtlich, dass sich – einzig – Absatz 1a des § 56 IfSG an Nichtstörer richtet, die § 56 Abs. 1 IfSG gerade nicht erfasst.24

c. Durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 202025 wurde – wohl Wünschen der Arbeitgeberschaft folgend – in § 56 Abs. 11 Satz 1 IfSG die Frist zur Stellung von Entschädigungsanträgen auf zwölf Monate verlängert.

d. Zuletzt erfuhr die Norm durch das oben bereits erwähnte Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite26 weitere Änderungen, die neben den dargestellten Regelungen für die Reiserückkehrer im Wesentlichen darin bestand, dass der Entschädigungsanspruch nunmehr – mit Blick auf § 14 SGB IV rechtssystematisch durchaus erstaunlich – für Sozialversicherungsbeiträge und gleichermaßen für Umlagen gilt. Ferner wurde § 68 Abs. 1 IfSG insofern abgeändert, als jedenfalls für die Streitigkeiten nach §§ 56 bis 58 IfSG die bis dahin bestehende abdrängende Sonderzuweisung zu den ordentlichen Gerichten durch die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges abgeschafft wurde, was auch der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass es sich beim IfSG um besonderes Verwaltungsrecht handelt.27

7. Gegenwärtige Rechtsnatur und Einordnung

Betrachtet man die Rechtsnatur dieser mittlerweile durchaus ungewöhnlich beschaffenen Vorschrift wird klar, dass es hier am ehesten noch um Staatshaftungsansprüche sui generis geht, weil ansonsten bestehende Anspruchsgrundlagen, wie sie sich z. B. aus Artikel 34 GG ergeben, erkennbar fehlen. Vielmehr entschädigt der Staat als Träger der öffentlichen Ordnung hier für etwas, dass er angeordnet und damit verursacht hat, ohne dass eine Enteignung oder enteignungsgleicher28 Eingriff vorliegen. Auch liegt kein beispielsweise über §§ 60 ff. IfSG abgeltungsfähiges Sonderopfer der Betroffenen vor.29 Anwendungsadressat ist – wie oben dargestellt – vielmehr der Betroffene als Störer im Sinne des Gefahrenabwehrrechts, dem dem Grunde nach keine Entschädigung zusteht.30

Weil von den Konsequenzen – hier namentlich Arbeitsverbote und Quarantänen i. S. v. §§ 30, 31 IfSG – Betroffene keinen faktisch schuldhaften Beitrag zu ihrer Situation geleistet haben und im Falle eines solchen Beitrages ein Entschädigungsausschluss über die oben beschriebene Norm des § 56 Abs. 1 Satz 3 IfSG besteht, hat der Gesetzgeber diesen Personen einen Entschädigungsanspruch in besonderen Fällen zugestanden, die damit den Charakter einer Billigkeitsentschädigung hat und nach wie vor an dem in § 49 BSeuchG enthaltenen Gedanken des Schutzes der Betroffenen vor finanzieller Not festhält. Die Regelung ist damit ausdrücklich zu begrüßen und stellt – ggfls. etwas zu kompliziert gestaltet – einen Gleichlauf des Adressatenkreises des § 56 IfSG mit Kranken dar, was auch daran deutlich wird, dass Primärzielgruppe des Absatzes 1 Anspruch auf eine (volle) Verdienstausfallentschädigung hat, wohingegen die Bezieher der Leistungen nach Absatz 1a lediglich eine auf 2.016 € pro Monat gedeckelte Entschädigung in Höhe von 67 Prozent des entstandenen Verdienstausfalls erhalten können.

8. Grenzen des Anwendungsbereichs

Dem Wortlaut der Norm nach ist der anspruchsberechtige Personenkreis des § 56 IfSG klar und unzweideutig beschränkt auf diejenigen, die auf der Tatbestandseite in Absatz 1 und Absatz 1a genannt sind. Dennoch gibt es in den eingangs angesprochenen zahlreichen Internetbeiträgen (von deren Zitierung hier abgesehen wird, weil sie sich durch einfache Suche mit den entsprechenden Begriffen dort finden lassen) die teils recht überzeugend dargestellte Aussage, dass § 56 IfSG unmittelbar oder zumindest durch seine analoge Anwendung als Anspruchsgrundlage für andere als die in der Vorschrift aufgeführten Tatbestände eingreife. Dem ist nach Auffassung des Autors klar zu widersprechen. Die oben dargestellte Entwicklungsgeschichte der Vorschrift, vor allem aber die fortwährenden gesetzgeberischen Aktivitäten, die das Ziel hatten, die Norm zu schärfen, zeigen, dass es gerade nicht die Absicht war, diesen Anwendungsbereich z. B. auf Betriebsschließungen auszudehnen. Hätte der Gesetzgeber diese Zielrichtung gehabt bzw. eine Regelungsbedürftigkeit in dieser Norm gesehen, hätte er die mehrfache Gelegenheit, die sich spätestens im Jahr 2020 bot, genutzt. Zwar ist es im Rahmen der Rechtsauslegung und vor allem der Rechtsfortentwicklung – zumal in Zeiten außergewöhnlicher Herausforderungen wie der Corona-Pandemie – legitim und richtig, tradierte Verständnisse von Normen zu hinterfragen.

Allerdings müssen hierbei im Sinne einer auch unter Geltung besonderer Umstände zwingend erforderlicher Rechtsklarheit ganz grundlegende juristische Herangehensweisen und Normverständnisregeln eingehalten werden. Denn auch dann, wenn aus der Sicht einiger die Grundlagen für vermeintliche Ansprüche gegen den Staat an anderer Stelle nicht vorhanden oder verschlossen sind, besteht keine Rechtfertigung durch die sachgrundlose Überdehnung bestehender Vorschriften Ansprüche anzunehmen, deren Folgen erkennbar vollkommen außerhalb dessen lagen und liegen, was der Gesetzgeber zu regeln beabsichtigt hat. Dies muss auch angesichts der ohne Zweifel für viele Betroffene weiterreichenden finanziellen Folgen der Pandemie gelten, auch wenn diese Ansprüche subjektiv noch so berechtigt erscheinen mögen. Insofern sind alle, die sich von rechtlicher Seite mit dieser Thematik befassen, gut beraten, bei diesen Fragen nicht etwa vom Ergebnis her zu denken und sich auch im Fall des § 56 IfSG die Ratio und die Entwicklungsgeschichte zu vergegenwärtigen.

 9. Rolle der Rechtsprechung

Derzeit sind keine Hinweise darauf erkennbar, dass die Rechtsprechung bei der Einordnung von Ansprüchen nach § 56 IfSG von dem abweicht, was nach Auffassung des Autors zutreffend ist.31 Etwas Anderes steht auch durch die nunmehr begründete Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit (siehe oben) nicht zu erwarten, da bereits seitens einzelner Verwaltungsgerichte (auch) Ansprüche nach § 56 IfSG wegen der pandemiebedingten Schließung eines Sportstudios zurückgewiesen worden sind.32 Allerdings ist diese Entwicklung weiter zu beobachten.

10. Conclusio

Ungeachtet einer vielleicht nicht als drängend erscheinenden Problemlage bleibt es die Aufgabe der Politik, für diejenigen Fallgestaltungen, die gegenwärtig noch in Zusammenhang mit § 56 IfSG gebracht werden, eine Antwort zu finden, die zum Inhalt hat, ob und in welcher Weise finanzielle Auswirkungen pandemiebedingter staatlicher Maßnahmen über die bereits bestehenden staatlichen Hilfsprogramme hinaus33 zu kompensieren sind. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass mit § 65 IfSG eine weitere Norm im Fokus ist, die ebenfalls seit geraumer Zeit für eine Vielzahl von Ansprüchen für einschlägig erklärt wird.34 Um den Betroffenen hier nicht den Eindruck zu vermitteln, der Staat ziehe sich auf juristische Spitzfindigkeiten zurück, muss von den politisch Verantwortlichen hier alsbald ein klares Signal ausgehen, ob, an welcher Stelle und in welcher Weise über das Bestehende beispielsweise Betriebsschließungen entschädigt werden. In § 56 IfSG jedenfalls haben solche Ansprüche nicht ihren Platz.

 

Besprochen in br – Behinderung und Recht, Heft 1/2022.

 

1 RGBl. 1900 S. 306.

2 BGBl. 1961 I S. 1012.

3 Schumacher/Meyn, Kommentar zum BSeuchG, 4. Auflage, S. 130 ff.

4 A. a. O.

5 BGH, Urteil vom 30.11.1978 – III ZR 43/77.

6 BT-Drucks III/1888 vom 27.5.1960.

7 BT-Drucks III/2662.

8 Vgl dazu: Merkblatt für Ausscheider, herausgegeben vom Bundesgesundheitsamt, abgedruckt bei Seyffertitz/Thomaschewski, Kommentar zum Bundesseuchengesetz, Stand 1.10.1968, Bd. I Anh. 15.

9 BVerfG, Beschluss vom 29.4.1981 – 1 BvL 11/78.

10 Schumacher/Meyn, Kommentar zum BSeuchG, 4. Auflage, S. 134.

11 I.d.F. der BT-Drs. IV/2176.

12 BGBl. I S. 2248.

13 BGBl. I S. 1045.

14 Erdle, Kommentar zum IfSG, 6. Auflage 2018, u. a. S. 51.

15 A. a. O.

16 Ausnahme: BGH, Beschluss vom 17.9.2008 – III ZR 326/07 – zu der Frage der Passivlegitimation im Prozess auf Entschädigung wegen Verdienstausfalls bei einem beruflichen Tätigkeitsverbot für eine an Hepatitis C erkrankte Krankenschwester.

17 Am 15.2.2020 verstarb ein chinesischer Tourist an Folgen der Corona-Infektion in Frankreich und war das erste Todesopfer außerhalb Asiens.

18 BGBl. I. S. 148.

19 Vgl. Eufinger, DB 2020, 1121.

20 Nach der Verwaltungspraxis und Weisungslage mehrerer Bundesländer lag bereits vor dem 3. BevSchG in diesen Fällen eine Unbilligkeit der Verdienstausfallentschädigung vor, die mit einer analogen Anwendung der Vorschrift des § 56 Abs. 1 Satz 3 IfSG begründet wurde.

21 BGBl. I S. 2397.

22 BGBl. I S. 587.

23 Z. B. Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465.

24 U. a. LG Stuttgart, Urteil vom 5.11.2020 – 7 O 109/20.

25 BGBl. I S. 1018.

26 BGBl. I S. 2397.

27 Erdle, Kommentar zum IfSG, 6. Auflage 2018, u. a. S. 51.

28 VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7.5.2020 – 1 S 1244/20.

29 Vgl. hierzu BGH, Urteil vom 7.9.2017 – III ZR 71/17.

30 Z. B. VG Hamburg, Urteil vom 8.9.2020 – 19 K 1731/20 – mit Verweis auf frühere Rechtsprechung.

31 Z. B. LG Stuttgart, Urteil vom 5.11.2020 – 7 O 109/20.

32 Z. B. VG Hamburg, Urteil vom 8.9.2020 – 19 K 1761/20.

33 Auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie findet sich eine Zusammenstellung einer Vielzahl dieser Hilfsmaßnahmen.

34 Z. B. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.11.2020 – OVG 11 S 108/20.

 

Sven Busse

Oberregierungsrat, Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen
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