05.10.2022

Corona-Pandemie – keine Nachgewährung von Urlaubstagen ohne ärztliches Attest

Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 07.07.2021 – 2 Ca 504/21

Corona-Pandemie – keine Nachgewährung von Urlaubstagen ohne ärztliches Attest

Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 07.07.2021 – 2 Ca 504/21

Ein Beitrag aus »RdW – Das Recht der Wirtschaft« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »RdW – Das Recht der Wirtschaft« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Ohne ein ärztliches Attest können Urlaubstage nicht nachgewährt werden, entschied das Arbeitsgericht Bonn im Juli in einer Entscheidung.[1]

Die Mitarbeiterin eines Logistikzentrums hatte vom 30.11.2020 bis zum 12.12.2020 Urlaub beantragt und diesen auch genehmigt bekommen. Am 27.11.2020 erfolgte gegenüber der Mitarbeiterin eine behördliche „Absonderungsverfügung“ und am 05.12.2020 erließ das städtische Ordnungsamt eine weitere Ordnungsverfügung gegen die Mitarbeiterin, durch die ihr gegenüber in der Zeit vom 04.12.2020 bis zum 07.12.2020 die häusliche Isolierung angeordnet wurde, weil sie – so die Begründung des Ordnungsamts – an dem Coronavirus erkrankt sei. Krankheitssymptome wies die Mitarbeiterin nicht auf.

Mitarbeiterin in Corona-Quarantäne möchte Urlaubstage gutgeschrieben haben

In zwei Schreiben forderte die Mitarbeiterin ihre Arbeitgeberin auf, ihr die fünf Urlaubstage für die Zeit der behördlich angeordneten häuslichen Isolierung gutzuschreiben. Dies lehnte die Arbeitgeberin ab. Die Mitarbeiterin behauptete, sie habe sich am 01.12.2020 einem Infektionstest auf das Coronavirus unterzogen. Der Test sei positiv ausgefallen, was ihre Arbeitgeberin mit Nichtwissen bestritt.


Die Mitarbeiterin erhob deshalb Klage und meinte, sie sei an dem Coronavirus erkrankt. Eine ärztliche Bescheinigung habe sie nicht vorlegen können. Die behördliche Ordnungsverfügung ersetze die ärztliche Bescheinigung. Sie hätte aufgrund der Isolierung auch keinen Arzt aufsuchen können. Nach einer Regelungsabrede mit der Mitarbeitervertretung sei den Mitarbeitern ab dem 26.03.2021 in einer vergleichbaren Situation der Urlaubsanspruch erhalten geblieben. Die Regelungsabrede war abgeschlossen worden, um im Zeitraum vom 26.03.2021 bis zum 24.04.2021 die Betriebsfähigkeit der beklagten Arbeitgeberin wiederherzustellen und die Filial-Belieferung aufrecht zu erhalten.

Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen nach § 9 BUrlG für die Gutschreibung des Urlaubs wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit lägen nicht vor. Die Frau habe ihr keine ärztliche Bescheinigung über ihre Arbeitsunfähigkeit zugesandt.

Die Quarantäne-Anordnung des Ordnungsamts stelle keine solche Bescheinigung dar. Eine analoge Anwendung des § 9 BurlG komme nicht in Frage. Die Regelungsabrede über die Gutschreibung des Urlaubes betreffe ausschließlich den Zeitraum von Ende März bis Anfang April 2021.

Für Nachgewährung von Urlaubstagen Attest notwendig

Nach Meinung des Arbeitsgerichts steht der Mitarbeiterin kein Anspruch auf Nachgewährung von fünf Urlaubstagen gemäß § 9 BurlG zu. Es könne zwar unterstellt werden, dass die Frau am Coronavirus erkrankt gewesen sei. Allerdings fehle es an einem ärztlichen Zeugnis, durch das die Arbeitsunfähigkeit hätte nachgewiesen werden können. Das Gesetz regele ganz klar, dass ohne Attest kein Anspruch auf Nachgewährung der betroffenen Urlaubstage bestünde. Durch die Pflicht zur Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses solle nicht nur der Missbrauch zulasten der Arbeitgeber verhindert werden. Vielmehr obliege auch die Beurteilung, ob tatsächlich eine Erkrankung im Einzelfall aufgrund der Ausgestaltung des individuellen Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers zu einer Arbeitsunfähigkeit führe, der ärztlichen Beurteilung. Die Ordnungsverfügungen der Stadt genügten einem solchen ärztlichen Zeugnis nicht. Denn die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit sei in der Ordnungsverfügung nicht erfolgt und obläge auch nicht der Stadt, sondern einem Arzt.

Anders als behauptet hätte die Frau einen Arzt konsultieren können. Denn jedenfalls bis zum 31.12.2020 sei die Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch einen Arzt nach telefonischer Anamnese bis zu einer Höchstdauer von 14 Tagen möglich gewesen. Eine analoge Anwendung von § 9 BurlG komme auch nicht in Frage. Denn es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke. § 9 BUrlG stelle eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift dar. Weil eine Erkrankung mit dem Coronavirus und eine daraus folgende Isolationsanordnung nicht in jedem Fall zu einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers führe, wie z.B. bei einer weiter möglichen Arbeit aus dem Homeoffice heraus, bestünde kein Raum für eine analoge Anwendung der Vorschrift.

Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt

Auch habe die Arbeitgeberin den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt, weil sie die Regelungsabrede aus dem März 2021 nicht zum Anlass genommen habe, auch der Mitarbeiterin die entsprechenden Urlaubstage gutzuschreiben. Die Regelungsabrede sei für einen bestimmten Sachverhalt im Jahr 2021 für eine spätere, begrenzte Zeit abgeschlossen worden und erfasse damit nicht die Mitarbeiterin.

Praxistipp

Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit der Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 08.06.2021 (6 Ca 6035/21) und des Arbeitsgerichts Halle vom 23.06.2021 (4 Ca 285/21). Ohne ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besteht demnach kein Anspruch auf Gutschreibung von Urlaubstagen, die mit einer Isolationsanordnung im Zusammenhang mit Corona zusammenfallen.

 

Besprochen im RdW-Kurzreport, Heft 7/2022, Rn. 190.

 

[1] Arbeitsgericht Bonn, Urteil vom 07.07.2021 – 2 Ca 504/21.

 

Christian Vetter

Rechtsanwalt
n/a