16.08.2024

Absolutes Alkoholverbot für Fahranfänger

Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

Absolutes Alkoholverbot für Fahranfänger

Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

Ein Autofahrer hatte trotz Ausfallerscheinungen am Straßenverkehr teilgenommen. | © jozsitoeroe - stock.adobe.com
Ein Autofahrer hatte trotz Ausfallerscheinungen am Straßenverkehr teilgenommen. | © jozsitoeroe - stock.adobe.com

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg beurteilte eine aufgrund einer Trunkenheitsfahrt erfolgte Fahrerlaubnisentziehung sowie die damit verbundene Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens als rechtmäßig, da die hohe Blutalkoholkonzentration des Fahrers (1,56 ‰) und dessen geringes Alter von 18 Jahren für eine hohe Giftfestigkeit und die damit einhergehende Gefahr einer erneuten Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss sprächen.

Einem 18-jährigen Fahrerlaubnisinhaber war vom Strafgericht die Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,56 ‰ entzogen worden. Im Neuerteilungsverfahren war dann bei der Prüfung, ob Zusatztatsachen vorliegen, die nach § 13 Satz 1 Nr. 2 a) Alt. 2 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) eine Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPG) beizubringen, rechtfertigen könnten, von der Fahrerlaubnisbehörde auch der Umstand berücksichtigt worden, dass für Fahranfänger nach § 24 c StVG ein absolutes Alkoholverbot gilt.

Ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) hatte diese Auffassung bestätigt. Der Antrag des Fahrerlaubnisinhabers, ihm für das Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wurde vom VGH abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung, auch unter der gebotenen Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Prozesskostenhilferecht, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.


Der auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG vom 21.07.2023 hatte keinen Erfolg.

Die Berufung war nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils liegen vor, wenn aufgrund der von dem Kläger innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist dargelegten Gesichtspunkte die Richtigkeit des Urteils weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedarf. Dies setzt voraus, dass ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens möglich ist.

Substanziierte Auseinandersetzung mit angegriffener Entscheidung erforderlich

Um dem Darlegungserfordernis zu genügen, ist eine substanziierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung erforderlich. Dies macht ein Durchdringen und Aufbereiten des Sach- und Streitstoffs in einer Weise notwendig, die im Einzelnen verdeutlicht, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen den entscheidungstragenden Ausführungen des VG nicht gefolgt werden kann.

Gemessen hieran kann der Begründung des Zulassungsantrags im Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 03.10.2023 nichts entnommen werden, was geeignet wäre, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen VG-Urteils aufzuwerfen.

Die vom VG angeführten Gründe stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und sind auch im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden. Um Wiederholungen zu vermeiden, hat der VGH zunächst auf die Ausführungen im Urteil vom 21.07.2023, die er für zutreffend hält, verwiesen und insoweit von einer weiteren eigenen Begründung abgesehen.

Mit Blick auf das Beschwerdevorbringen war nur Folgendes nochmals auszuführen: Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 der FeV ist die Eignung bei Alkoholmissbrauch ausgeschlossen. Er liegt vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Nach Nr. 8.2 der Anlage 4 der FeV kann von einer Eignung erst dann wieder ausgegangen werden, wenn der Missbrauch beendet und die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist.

Fahreignungsprüfung nach Fahrerlaubnisentzug präventiv ausgerichtet

Wird wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis durch das Strafgericht entzogen, so ist die hieran anschließende Fahreignungsprüfung im Neuerteilungsverfahren präventiv ausgerichtet. Sie dient dem Schutz der Verkehrssicherheit.

In § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV hat der Verordnungsgeber verschiedene Lebenssachverhalte erfasst, bei deren Vorliegen die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet ist, gegenüber dem Fahrerlaubnisbewerber die Beibringung eines MPG anzuordnen. Dies gilt insbesondere bei wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss gem. § 13 Satz 1 Nr. 2 b) FeV oder bei einer Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,6 ‰ oder mehr gem. § 13 Satz 1 Nr. 2 c) FeV.

Diese Grundentscheidung des Verordnungsgebers ist bei der Auslegung von § 13 Satz 1 Nr. 2 a) Alt. 2 FeV zu beachten, wonach die Behörde vor Erteilung der Fahrerlaubnis die Beibringung eines MPG anordnet, wenn sonstige Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch gem. Nr. 8.1 der Anlage 4 der FeV begründen.

Eine einmalig gebliebene Trunkenheitsfahrt mit einer BAK unter 1,6 ‰ genügt danach ohne zusätzliche aussagekräftige Umstände nicht, um als sonstige Tatsache i. S. dieses Tatbestands die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen.

Dabei müssen die zu einer hohen BAK unter 1,6 ‰ hinzutretenden Umstände bei einer Gesamtschau in gleichem Maß wie die in § 13 Satz 1 Nr. 2 b) und c FeV vorgesehenen Tatbestände geeignet sein, die Frage aufzuwerfen, ob bei dem Betroffenen das erhöhte Risiko einer weiteren Trunkenheitsfahrt und damit eines erneuten Alkoholmissbrauchs besteht.

Frage nach Wiederholungsgefahr

Es geht der Sache nach also um die Klärung der Frage, ob eine Wiederholungsgefahr besteht. Sachlich fundierte Zweifel an der Fahreignung genügen insoweit für eine Gutachtensanforderung gem. § 13 FeV. Auch der VGH geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 a) Alt. 2 FeV bei der an den Fahrerlaubnisinhaber gerichteten Aufforderung, ein MPG beizubringen, erfüllt waren.

Zunächst ist zulasten des Fahrerlaubnisinhabers zu berücksichtigen, dass das Gewicht, das die nach dieser Bestimmung erforderlichen zusätzlichen Umstände aufweisen müssen, maßgeblich davon abhängt, in welchem Maß die bei der Trunkenheitsfahrt festgestellte BAK den in § 13 Satz 1 Nr. 2 c) FeV genannten Wert von 1,6 ‰ unterschreitet, bei dem die Anforderung eines MPG auch ohne das Vorliegen von Zusatztatsachen zu erfolgen hat.

Da der Inhaber bei seiner Trunkenheitsfahrt am 30.10.2021 eine BAK von 1,56 ‰ aufgewiesen hat, bedürfen in seinem Fall die eine Wiederholungsgefahr begründenden zusätzlichen Umstände keines besonderen Gewichts.

Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass eine BAK über 1,5 ‰ i. d. R. mit deutlich normabweichenden Trinkgewohnheiten verbunden ist und ein Fahrer, der mit einem solchen Alkoholisierungsgrad überhaupt noch in der Lage ist, sein Kraftfahrzeug in Gang zu setzen und mehrere Kilometer unauffällig zu fahren, über eine ungewöhnliche Giftfestigkeit verfügen, d. h. zum Kreis der Vieltrinker gehören muss.

(…)

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschl. v. 07.02.2024 – 13 S 1495/23

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Baden-Württemberg 13/2024, Rn. 154.

 
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