03.09.2024

Der Gemeindliche Vollzugsdienst

Aufgabenübertragung, Organisation und Kompetenzen – Teil 2

Der Gemeindliche Vollzugsdienst

Aufgabenübertragung, Organisation und Kompetenzen – Teil 2

© EKH-Pictures  – stock.adobe.com
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Der folgende Beitrag befasst sich ein weiteres Mal mit dem uniformierten kommunalen Ordnungsdienst, diesmal jedoch aus dem Blickwinkel des Rechtsanwenders in der gemeindlichen Praxis. Ersterer ist mittlerweile unverzichtbarer Bestandteil vieler Gemeindeverwaltungen in Baden-Württemberg und wird vor allem in der wärmeren Jahreszeit zum Zwecke des Schutzes öffentlicher Straßen und Anlagen vor Vermüllung, Vandalismus und Verschmutzung sowie der Befriedung öffentlicher Konfliktbereiche eingesetzt, in denen die Interessen ruhebedürftiger Anwohner mit den Interessen von Feiernden und sonstigen Freizeitnutzern aufeinanderprallen.

2. Befugnisse

Daraus folgt zwingend, dass die Ortspolizeibehörden ihren gemeindlichen Vollzugsbediensteten ausschließlich solche Befugnisse übertragen können, die ihnen nach den Vorgaben des PolG bzw. spezialgesetzlichen Vorgaben von vornherein obliegen.

Die in § 125 Abs. 1 PolG enthaltene Beschränkung auf den Gemeindebereich ist insofern sowohl örtlich als auch sachlich zu verstehen. Hieraus und bei näh erer Betrachtung des Wortlautes der Regelungen des § 125 Abs. 1 und 2 PolG i. V. m. § 31 DVO PolG ergeben sich für den gemeindlichen Vollzugsdienst folgende Ermächtigungen:


a) § 125 Abs. 1 PolG i. V. m. § 31 Abs. 1 DVO PolG

Die nach § 31 Abs. 1 DVO PolG übertragbaren „bestimmten“ Aufgaben würden, sofern es § 125 Abs. 2 PolG nicht gäbe, nach dem Wortlaut der Regelung ausschließlich gemeindliche Vollzugs-, mithin also gemeindliche Vollstreckungsaufgaben, beinhalten. Dies ist auch folgerichtig, da es ja um die Tätigkeit gemeindlicher Vollzugsbediensteter geht.17 Die Ermächtigung zum Erlass von Grundverfügungen ist demnach an dieser Stelle nicht enthalten. Hieraus ergeben sich lediglich Eingriffsbefugnisse zur Anwendung der Zwangsmittel Zwangsgeld, Zwangshaft und Ersatzvornahme nach § 63 Abs. 1 PolG i. V. m. §§ 1 – 12 und 18 ff. LVwVG sowie die Befugnis, als zuständige Vollstreckungsbehörde dem Polizeivollzugsdienst Weisungen zur Anwendung unmittelbaren Zwangs nach § 63 Abs. 2, 66 Abs. 4 PolG i. V. m. § 4 LVwVG und § 119 Abs. 1 PolG zu erteilen. Voraussetzung wäre jeweils das Vorliegen einer vollstreckbaren Grundverfügung und – sofern keine Gefahr in Verzug i. S. d. § 21 LVwVG vorliegt – eines entsprechenden Vollstreckungsauftrages.

b) § 125 Abs. 2 PolG

Nach dieser Regelung haben gemeindliche Vollzugsbedienstete allerdings bei der Wahrnehmung der ihnen obliegenden Vollzugsaufgaben die Stellung von Polizeibeamten, und zwar in den von § 125 Abs. 1 PolG und § 31 DVO PolG gesteckten Grenzen, woraus sich wiederum eine Beschränkung auf den sachlichen und örtlichen Kompetenzbereich der Gemeinden und auf die in § 31 DVO genannten „bestimmten“ Aufgabenbereiche ergibt. Anwendbar sind insofern alle Ermächtigungsgrundlagen, die eine parallele, subsidiäre oder gemeinsame Zuständigkeit (zum Begriff s. u.) von Ortspolizeibehörden bzw. gemeindlichen Bußgeldbehörden und Polizeivollzugsdienst vorsehen. Das sind:

aa) Die Befugnis zur Durchführung von Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs gemäß § 65 PolG. Dies scheitert nach den dargestellten Grundsätzen nicht etwa daran, dass nach dem Wortlaut der Regelung die sachliche Zuständigkeit ausschließlich beim Polizeivollzugsdienst und nicht bei der Ortspolizeibehörde liegt. Es handelt sich vielmehr um eine gemeinsame Zuständigkeit, denn hierbei ist zu beachten, dass § 65 PolG lediglich die Durchführung von Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs, als letzte Stufe der Vollstreckung, betrifft. Die sachliche Zuständigkeit als Vollstreckungsbehörde bleibt aufgrund des enthaltenen Verweises auf das LVwVG bei der Behörde, die den jeweiligen Grundverwaltungsakt erlassen hat, vgl. § 66 Abs. 4 PolG i. V. m. § 4 Abs. 1 LVwVG.18

bb) Die Befugnis zur Durchführung von polizeilichen Maßnahmen nach § 105 Abs. 2 (subsidiäre Zuständigkeit) und Abs. 3 PolG (parallele Zuständigkeit) und demnach zur Anwendung der genannten Ermächtigungsgrundlagen des Polizeigesetzes. Demnach getroffene Maßnahmen sind nach dem Wortlaut des § 125 Abs. 2 PolG („… haben … die Stellung von Polizeibeamten“) konsequenterweise als Maßnahmen und Anordnungen von Polizeivollzugsbeamten nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu qualifizieren und somit sofort vollziehbar.19

cc) Die Befugnis zur Wahrnehmung von Ermittlungsaufgaben für die Gemeinden als Bußgeldbehörde nach § 53 OWiG i. V. m. §§ 163 ff. StPO (parallele Zuständigkeit20).

dd) Die Befugnis zur Erteilung von Verwarnungen und zur Erhebung eines Verwarnungsgeldes nach § 57 Abs. 2 OWiG, sofern vom Bürgermeister nach § 58 Abs. 1 OWiG die entsprechende Ermächtigung erteilt worden ist (parallele Zuständigkeit21).

ee) Gemeindliche Vollzugsbedienstete sind zudem nach § 152 Abs. 2 GVG und § 2 Nr. 1 der Staatsanwalts-Ermittlungspersonenverordnung im Rahmen der ihnen übertragenen polizeilichen Vollzugsaufgaben Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft und können somit nach § 53 Abs. 2 OWiG nach den für sie geltenden Vorschriften der StPO Beschlagnahmen, Durchsuchungen, Untersuchungen und sonstige Maßnahmen durchführen (parallele Zuständigkeit22).

3. Keine Kompetenzerweiterung durch § 31 Abs. 1 DVO PolG

Im Katalog des § 31 Abs. 1 DVO PolG sind trotz des obigen Befundes verschiedene Aufgabenbereiche enthalten, die nicht im originären Zuständigkeitsbereich der Gemeinden als Ortspolizeibehörden liegen, sondern durch Spezialgesetze anderen Behörden zugewiesen sind (so z. B. nach StrG den unteren Verwaltungsbehörden als untere Straßenbehörde). Dass hierin dennoch keine Kompetenzerweiterung zu sehen ist, ergibt sich jedoch aus § 2 Abs. 1 und § 111 Abs. 2 PolG, wonach auch den Ortspolizeibehörden bei Gefahr in Verzug die Aufgabe zukommt, für andere Stellen vorläufige Maßnahmen zu treffen, sofern deren rechtzeitiges Tätigwerden nicht erreichbar erscheint.

Aus ihrer auf den Vollstreckungsbereich beschränkten Tätigkeit ergibt sich, dass gemeindliche Vollzugsbedienstete ausschließlich in derartigen Eilfällen aus eigenem Entschluss polizeiliche Vollstreckungsmaßnahmen durchführen können, denn sie können in dieser Eigenschaft ausnahmslos nur in Eilfällen und unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VwGO polizeiliche Grundverfügungen selbst erlassen und gleichzeitig vollstrecken. Dabei sind bei polizeilichen Vollstreckungshandlungen nach §§ 63 Abs. 1 und 66 Abs. 4 PolG die formellen Vorgaben des LVwVG zu beachten. Demnach dürfen ohne das Vorliegen eines Vollstreckungsauftrages nach § 5 LVwVG Vollstreckungshandlungen nur im Falle der Gefahr in Verzug durchgeführt werden, vgl. § 21 LVwVG. Das gilt gemäß § 66 Abs. 4 PolG, der u. a. auf §§ 2 bis 6 LVwVG verweist, auch für die Anwendung unmittelbaren Zwangs.

Etwas anderes gilt nur in solchen Fällen, in denen bereits eine vollstreckbare Grundverfügung der (intern) zuständigen Stelle vorliegt und dem Vollstreckungsbeamten ein Vollstreckungsauftrag nach § 5 LVwVG erteilt worden ist. Eine derartige Erteilung von Vollstreckungsaufträgen kommt bei größeren Gemeinden auch auf der Grundlage von Spezialgesetzen in Betracht, wenn sie bspw. als Große Kreisstädte weitestgehend zugleich die Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörden und Kreispolizeibehörden wahrnehmen. Auch in derartigen Fällen findet keine Kompetenzerweiterung der betreffenden Gemeinde23 statt.

4. Anwendung unmittelbaren Zwangs

Aus der angeführten Tatsache, dass gemeindliche Vollzugsbedienstete im Gegensatz zu sonstigen Bediensteten der Ortspolizeibehörde gemäß § 125 Abs. 2 i. V. m. § 63 Abs. 2 ff. PolG unmittelbaren Zwang anwenden dürfen, ergibt sich ebenfalls keine Kompetenzerweiterung.24 Denn einerseits muss beachtet werden, dass es sich hierbei nicht um eine eigenständige polizeiliche Aufgabe i. S. d. § 107 Abs. 4 Satz 2 PolG handelt, sondern lediglich um ein im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung zur Verfügung stehendes Zwangsmittel. Zum anderen bleibt die Ortspolizeibehörde auch dann, wenn sie nicht über Gemeindevollzugsbedienstete verfügt und sich daher im Rahmen ihres Weisungsrechts nach § 119 Abs. 1 PolG zum Vollzug polizeilicher Verfügungen mittels unmittelbaren Zwangs des Vollzugsdienstes der Landespolizei bedienen muss, nach außen – d. h. auch gegenüber dem von Maßnahmen betroffenen Bürger – für die entsprechenden Vollzugsmaßnahmen verantwortlich und zuständig.25 Die Anwendung unmittelbaren Zwangs kann entgegen der Ansicht von Nachbaur26 durchaus auch durch die Erteilung einer Weisung seitens der Ortspolizeibehörde gemäß § 119 Abs. 1 PolG gegenüber dem Polizeivollzugsdienst veranlasst sein.27 Dies ergibt sich eindeutig aus dem bereits erwähnten, in § 66 Abs. 4 PolG enthaltenen Verweis auf §§ 2 bis 6 LVwVG. So bestimmt der darin enthaltene § 4 LVwVG auch für den unmittelbaren Zwang die Erlassbehörde als Vollstreckungsbehörde. Sofern also keine eigene Grundverfügung des Polizeivollzugsdienstes durchgesetzt werden soll, bleibt demnach die Entscheidungsbefugnis über das Ob der Zwangsanwendung und damit auch über ihre Beendigung bei der Behörde, für die Vollzugshilfe nach § 105 Abs. 5 PolG geleistet wird oder auf deren Weisung hin Zwang angewendet wird.28

Rechtsgrundlage für die Anwendung unmittelbaren Zwangs ist § 66 Abs. 1 Satz 1 PolG i. V. m. § 63 Abs. 2 PolG und nicht etwa § 65 PolG.29 Während in § 63 Abs. 2 PolG mit „Anwendung“ alle Stufen der Vollstreckung gemeint sind, ist in § 65 PolG nur die tatsächliche Durchführung des unmittelbaren Zwangs, also die letzte Stufe der Vollstreckung, gemeint.30 Demnach können die Beamten der Polizeibehörden zwar grundsätzlich keinen unmittelbaren Zwang anwenden. Dies wird jedoch durch das Weisungsrecht gegenüber dem Polizeivollzugsdienst, der insofern dann als „verlängerter Arm“ der Ortspolizeibehörde handelt („gemeinsame Zuständigkeit“), und den Einsatz von gemeindlichen Vollzugsbediensteten aufgefangen. Es spielt daher für den Kompetenzbereich der Ortspolizeibehörden keine Rolle, ob sie sich zur Anwendung unmittelbaren Zwangs eigener Vollzugsbediensteter bedienen oder mithilfe ihres Weisungsrechts nach § 119 Abs. 1 PolG auf den Vollzugsdienst der Landespolizei zurückgreifen.

[…]

17 Vgl. zur Abgrenzung von polizeilichen Grundverfugungen und Vollstreckungsmaßnahmen: Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, Rn. 902.

18 Vgl. Kastner, BeckOK PolG BW, § 66 Rn. 20 sowie die im Folgenden gemachten Ausführungen unter II.4.

19 In der Literatur str., vgl. Darstellung durch Nachbaur, BeckOK PolG BW, § 125 Rn. 43.

20 Vgl. untenstehende Ausführungen unter II.5.

21 Vgl. § 56 Abs. 1 OWiG.

22 Vgl. Ausführungen unter II.6.

23 Auf diese ist bei der Frage, ob eine Kompetenzerweiterung stattfindet oder nicht, als Rechtsträger abzustellen und nicht auf die rechtlich unselbstständige Verwaltungsstelle, die die Aufgaben der Ortspolizeibehörde wahrnimmt.

24 So aber Gassner, VBlBW 2013, 281, 287.

25 Vgl. Schatz, BeckOK PolG BW, § 119 Rn. 7 unter Verweis auf die sog. „Tornado-Entscheidung“ des BVerwG, Urt. v. 25.10.2017, NJW 2018, 716 Rn. 17.

26 Vgl. Nachbaur, BeckOK PolG BW, § 125 Rn. 18.1.

27 So auch Kastner, BeckOK PolG BW, § 65, Rn. 3.

28 Vgl. Kastner, BeckOK PolG BW, § 66 Rn. 20.

29 Letzteres scheint Nachbaur jedoch anzunehmen, wenn er mit Blick auf § 65 PolG anführt, die Anwendung unmittelbaren Zwangs sei exklusiv dem Polizeivollzugsdienst vorbehalten, vgl. BeckOK PolG BW, § 125, Rn. 18.1.

30 So zutreffend: Kastner, BeckOK PolG BW, § 65 Rn. 1.

Entnommen aus Verwaltungsblätter Baden-Württemberg 12/2021, S. 495.

 

Ass. iur. Sabine D. Hohnberg

Justiziarin in der Kommunalverwaltung, Dozentin bei der Badischen Gemeindeverwaltungsschule/ Bezirksschule Konstanz
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