15.03.2014

Zukunft gemeinsam gestalten

Kaufbeuren-aktiv: Verantwortungsgemeinschaft in der Kommune

Zukunft gemeinsam gestalten

Kaufbeuren-aktiv: Verantwortungsgemeinschaft in der Kommune

Starke Teambildung: Die Bürger von Kaufbeuren wappnen sich gemeinsam für die Zukunft. | © steschum - Fotolia
Starke Teambildung: Die Bürger von Kaufbeuren wappnen sich gemeinsam für die Zukunft. | © steschum - Fotolia

In den vergangenen Jahrzehnten ist eine Vielzahl neuer Herausforderungen auf die öffentliche Verwaltung zugekommen. Besonders stellt die demografische Entwicklung mit einem zunehmenden Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung, rückläufigen Bevölkerungszahlen in vielen Gebieten und veränderter Wirtschaftsstruktur die öffentliche Verwaltung vor neue Aufgaben. Einhergehende Fragestellungen zur Effizienz und Effektivität stehen in der öffentlichen Diskussion.

Hier ist der öffentliche Sektor als moderne leistungsfähige Verwaltung gefordert, neue Handlungsstrategien zu entwickeln. Es ist eine Struktur in der kommunalen Verwaltung notwendig, die einerseits die Kooperation und Koordination zwischen dem öffentlichen Sektor und der Zivilgesellschaft sowie dem einzelnen Bürger sichert, andererseits aber auch in der Lage ist, gemeinsam neue Wege mit dem Ziel zu erproben, der Zukunft als Verantwortungsgemeinschaft in bestimmten Handlungsfeldern entgegenzugehen und somit auch einen Beitrag zur wirtschaftlichen Standortsicherung der Kommune zu leisten.

Über ihre klassischen Funktionen als Ordnungs- und Dienstleistungsbehörde hinaus ist es deshalb notwendig, die Bevölkerung und die zivilgesellschaftlichen Akteure durch Partizipationsmöglichkeiten im demokratischen System als Verantwortungsgemeinschaft mit in die strategischen und operativen Zukunftsplanungen vor Ort einzubeziehen.


Eine Verantwortungsgemeinschaft entsteht nur dann, wenn es ein belastbares Vertrauensverhältnis zwischen Politik, Verwaltung und der Zivilgesellschaft gibt. Es braucht also als Schnittstelle einen Bereich, in dem die Begegnung der Akteure auf Augenhöhe möglich ist, in dem nicht nur Interessen und Bedürfnisse der Akteure mit Umsetzungsbedingungen und Praxiserfahrungen in Einklang gebracht, sondern auch, als eine Art Labor und Experimentierfeld, gemeinsam neue Lösungen gesucht werden.

Für ein erfolgreiches Zusammenspiel einer Verantwortungsgemeinschaft braucht eine Kommune Beteiligte, die es verstehen, synergetisch ihre Verantwortungsbereiche gewinnbringend zu verzahnen. Es gilt also, in der Kommune gemeinsam die Ziele zu definieren, auf die sich zivilgesellschaftliche Gruppen, Bürger, die Verwaltung und die lokale Politik verständigen können sowie die Eröffnung von Möglichkeiten zur Umsetzung derselben durch die Akteure. Die mittelfristigen und langfristigen Ziele von Kaufbeuren-aktiv sind:

  • Einrichtung eines Büros für Bildung und Demografie in der Stadtverwaltung mit den Bereichen Bildungskoordination und Bildungsberatung
  • Etablierung des Übergangsmanagementsystems Schule – Beruf im Mittelschulverbund und den Realschulen
  • Reduzierung der Schulabbrecherquote, gezielte Hilfestellungen für gefährdete Schüler
  • Stärkung des Engagements der zivilgesellschaftlichen Akteure zur Steigerung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes in der Stadt durch motivierende Projekte und transparente Beteiligungskonzepte
  • Langfristiger Beitrag zur Standortsicherung der Stadt Kaufbeuren durch Hebung des Bildungsniveaus und Erschließung von Ressourcen in den Bereichen Langzeitarbeitslosigkeit, Jugendarbeitslosigkeit und Berufsrückkehr sowie Einrichtung eines jährlichen Kurses zur nachträglichen Erlangung des (qualifizierten) Hauptschulabschlusses

Diese Rolle hat das im Jahr 2007 neu eingerichtete Koordinierungszentrum Kaufbeuren-aktiv im Jugend- und Familienreferat der Stadt Kaufbeuren übernommen. Alfred Riermeier, Leiter des Jugend- und Familienreferats, ist überzeugt: „Eine erfolgreiche Kommune ist immer auch das Ergebnis eines harmonischen und zielorientierten Zusammenspiels aller!“

Verwaltungsintern agiert Kaufbeuren-aktiv ämterübergreifend mit seinen Querschnittsaufgaben wie Bildung, Sozialraumanalyse oder Requirierung von Fördergeldern. Verwaltungsextern dient Kaufbeuren-aktiv als aktivierende Verwaltungseinheit strategisch als Schnittstelle zwischen den zivilgesellschaftlichen Akteuren einschließlich der Wirtschaftsverbände, der kommunalen Verwaltung (und Politik) und den Bürgern.

Auf Grund der Verankerung in fast allen wichtigen Netzwerkgremien besitzt diese Verwaltungseinheit nicht nur einen enormen Fundus an Hintergrundwissen, sondern kann auch gezielt in verschiedenen Projekten die Aktivitäten von Netzwerkakteure miteinander verzahnen und so zu einer verbesserten Effizienz und Effektivität der eingesetzten Mittel vor dem Hintergrund der Standortsicherung beitragen.

Fünf Handlungsfelder

Mit den Bereichen bürgerschaftliches Engagement, Bildung, Integration, Familie und Jugend wurden fünf Handlungsfelder implementiert, die ineinandergreifend sowohl alle Altersstufen, Kulturen und auch unterschiedliche Lebensentwürfe der Bürger und gleichzeitig auch die entsprechenden Netzwerke der zivilgesellschaftlichen Akteure umfassen.

Eine Aufgabe von Kaufbeuren-aktiv ist, den Menschen die Möglichkeit zu schaffen, zu lernen, sich einzubringen, Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Seit 2007 wurden so in den fünf Handlungsfeldern über 110 Projekte von und mit Bürgern unter der Koordination, Begleitung und Koordination von „Kaufbeuren-aktiv“ durchgeführt. Kaufbeuren-aktiv gelang es dabei, hierfür seit 2007 fast 4,5 Millionen Euro an Fördergeldern in die Stadt zu holen und Projekte langfristig in die Nachhaltigkeit zu überführen. So wird aktuell gerade die Verstetigung des Projekts „Lernen vor Ort“ als Büro für Bildung und Demografie vorbereitet.

Standortsicherung durch aktive Wirtschaftsförderung

Kaufbeuren als mittelgroße kreisfreie Stadt, idyllisch und zentral im bayerischen Voralpenland gelegen, gilt als Tor zum Allgäu mit seinen Bergen und Seen und den weltberühmten Königsschlössern. Doch die Idylle trügt: Angesichts der sinkenden Bevölkerungszahlen, der sich verschiebenden Altersstruktur, seiner geografischen Lage mit relativ schlechter Verkehrsanbindung ist Kaufbeuren kaum in der Lage, mit seiner Wirtschaftskraft langfristig im Wettbewerb um Fachkräfte im Raum Allgäu zu konkurrieren. Kaufbeuren hat zudem bei rund 43.000 Einwohnern einen Anteil an Einwohnern mit Migrationshintergrund von insgesamt 27 Prozent sowie einen großen Anteil an sozial Schwachen und Geringverdienern mit niedrigem Bildungsniveau. Indizien dafür sind die zweithöchste Arbeitslosenquote in Schwaben (5,7 %) sowie der letzte Platz bei der Steuerkraft für das Jahr 2009 der bayerischen kreisfreien Städte.

Für die Stadt Kaufbeuren ist die Standortsicherung durch eine aktive Wirtschaftsförderung ein entscheidender Baustein integrativer Stadtentwicklungsplanung. Hierfür wurden umfangreiche Möglichkeiten zur Information sowie zahlreiche Einrichtungen zur wirtschafts- und bürgernahen Kommunikation zur Verfügung gestellt. Verschiedenste Anreize für Familien im kommunalen Förderprogramm „Familienziel Kaufbeuren“ sowie die Verortung des Themas Wirtschaftsförderung beim Oberbürgermeister sind deutliche Belege für ein wirtschaftliches Klima und die Wandlungsfähigkeit von Kaufbeuren.

Kaufbeuren-aktiv unterstützt die Standortsicherung. Neben 12 Existenzgründungen in einem strukturschwachen Stadtteil flossen die gesammelten Erfahrungen und Ergebnisse aus dem ESF-finanzierten Projekt BIWAQ im Bereich Langzeitarbeitslosigkeit mit in den Antrag „Optionskommune“. Unter Einbezug erfolgreicher operativer Elemente aus dem Projekt wurde die ARGE Anfang 2012 als Jobcenter in Eigenregie der Stadt überführt. Bereits nach einem Jahr in kommunaler Trägerschaft konnte das Kaufbeurer Jobcenter nach einer Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im bundesweiten Vergleich mit 27 anderen westdeutschen Jobcentern eine Spitzenposition einnehmen. Es gelang, die Zahl der Menschen, die Hartz-IV beziehen, um elf Prozent zu reduzieren.

Weitergehende Informationen über Kaufbeuren-aktiv im Allgemeinen und die einzelnen Projekte im Besonderen unter www.kaufbeuren-aktiv.de zu finden.

 

Lutz Tokumaru

Kaufbeuren-aktiv – Projekt- und Bildungskoordinator, Kaufbeuren
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