15.03.2014

Neues Leitbild: Die smarte Stadt

Fehler der ersten e-Government-Generation nicht wiederholen

Neues Leitbild: Die smarte Stadt

Fehler der ersten e-Government-Generation nicht wiederholen

Bürgermeister begegnen mit vernetzter Informations- und Kommunikationstechnologie den Herausforderungen. | © denis_pc - Fotolia
Bürgermeister begegnen mit vernetzter Informations- und Kommunikationstechnologie den Herausforderungen. | © denis_pc - Fotolia

CeBIT 2001: Auf der Public Sector Bühne tritt der damalige Oberstadtdirektor von Hannover, Herbert Schmalstieg, ans Mikrofon und präsentiert sein neues e-Government Angebot. Er vertrat die Auffassung, dass diese digitale Welt für die Städte noch reichlich „Neuland“ sein würde und deswegen erst einmal mit kleinen Schritten begonnen würde. Den Einstieg würde Hannover mit drei Anwendungen machen: ein Informationsportal für die städtischen Dienstleistungen, der Möglichkeit, die Hundesteuerplakette online zu beantragen und als wahres Highlight – das PKW-Wunschkennzeichen, das online bestellt werden kann. Danach ließen sich auch viele andere Städte überzeugen und wagten den Einstieg in die digitalen Verwaltungsdienstleistungen.

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Kaczorowski_Smarte Stadt

Wenige Jahre später zog man ernüchtert Bilanz und stellte besonders fünf Defizite beim e-Government der ersten Generation fest:

  • Isolierte Lösungen und ein digitaler Flickenteppich waren zu Beginn vorherrschend
  • Am Anfang fehlten Vision, Strategien und der darauf basierende Masterplan
  • Es waren keine gemeinsamen Infrastrukturen und Basiskomponenten vorhanden
  • Für die Interoperabilität fehlte es auch an gemeinsamen Standards
  • Die Entwicklung der e-Government-Angebote geschah hauptsächlich Top down und wenig bedarfs- und kundenorientiert.

Erst seit der Initiative „Deutschland Online“ und den Arbeiten des IT-Planungsrates aus Bund, Ländern und Gemeinden wird jetzt der Rahmen für ein föderales e-Government aus einem Guss geschaffen. Und noch immer nimmt Deutschland trotz all dieser Bemühungen international nur einen Mittelplatz ein.


E-Government in Deutschland nur mittelmäßig

Stand zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch die Digitalisierung der städtischen Verwaltungsdienstleistungen im Mittelpunkt, so ist seit 2010 ein neues Paradigma für die städtische Entwicklung entstanden: die smarte Stadt. Weltweit sind inzwischen 2500 Städte dabei, unter Nutzung von vernetzter Informations- und Kommunikationstechnologie „smart“ zu werden. Dabei positionieren sie die smarte Stadt als Antwort auf vier Herausforderungen, die Städte und Gemeinden in Zukunft zu meistern haben. Dazu gehören die Chancen und Probleme, die sich aus dem demographischen Wandel ergeben ebenso wie die Erfüllung der Forderungen nach ökologischer und finanzieller Nachhaltigkeit. Darüber hinaus steht der Wandel des bürgerschaftlichen Partizipationsverhaltens genauso auf der Tagesordnung wie der Erhalt oder der Ausbau der Standortfähigkeit angesichts des schärfer werdenden internationalen Wettbewerbs.

Die smarte Stadt – die Lösung?

Was aber ist eine smarte Stadt? „Smart City bezeichnet eine Stadt, in der systematisch Informations- und Kommunikationstechnologien sowie ressourcenschonende Technologien eingesetzt werden, um den Weg hin zu einer postfossilen Gesellschaft zu beschreiten, den Verbrauch von Ressourcen zu verringern, die Lebensqualität der BürgerInnen und die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Wirtschaft dauerhaft zu erhöhen – mithin die Zukunftsfähigkeit der Stadt zu verbessern“ –, so eine häufig zitierte Definition der Wiener Stadtwerke.

Fehler nicht zweimal machen!

Seit nunmehr drei Jahren haben sich auch Städte in Europa und zunehmend in Deutschland auf den Weg zur smarten Stadt begeben. Eine erste Bilanz dieser Projekte zeigt, dass jedoch gegenwärtig die gleichen Fehler wiederholt werden, die auch die e-Government-Verantwortlichen zu Beginn des 21. Jahrhunderts einräumen mussten.

  • In den smarten Städten gibt es wieder einen Flickenteppich von digitalen Anwendungen. Die Mehrzahl der Städte beginnt mit vermeintlich einfachen Lösungen wie dem smarten Parken mit Hilfe von Sensoren und einer Smartphone App oder dem Aufbau von Smart Metering, um den Energieverbrauch transparent zu steuern.
  • In den Städten fehlt es in der Regel an einer ganzheitlichen Vision und an belastbaren fortzuschreibenden Masterplänen.
  • Selten werden diese smart City Anwendungen in integrierte Technologieplattformen eingebunden, die ihre Steuerung vernetzt, echtzeitbezogen und kollaborativ gestaltet.
  • Die Entwicklung gemeinsamer Standards steht erst in den Anfängen, Versuche gibt es international seitens der Initiative „Smart City Protocol“ oder in Deutschland durch das DIN.
  • Die Entwicklung der smart City Anwendungen geschieht häufig top down auf Empfehlung interessierter Technologiekonzerne. Dabei spielen Kundenerwartungen, -befürchtungen oder -anregungen eher eine untergeordnete Rolle.

Noch ist es nicht zu spät, aus den Fehlern der e-Government-Entwicklung der ersten Generation zu lernen und gegenzusteuern. Dafür ist es erforderlich, die Schaffung einer smarten Stadt als ein ganzheitlich politisch-strategisches Innovationsprogramm zu begreifen.

Sieben technologische Megatrends

Dieses Innovationsprogramm kann dabei auf sieben technologische Großtrends der nächsten Jahre zurückgreifen. Zu diesen Megatrends gehören:

  • die umfassende Verfügbarkeit von freiem schnellen WLAN,
  • die systematische Nutzung sozialer Netzwerke und des
  • Cloud Computing,
  • die Unterstützung des Trends zum mobilen Government,
  • Big Data und
  • der Einsatz von Sensoren und anderen intelligenten Messgeräten im Rahmen des Internet der Dinge und
  • eine umfassende IT-Sicherheit bei der Nutzung intelligenter Netzwerke und Anwendungen.

Sechs Handlungsfelder betroffen

Im Rahmen dieses politisch-strategischen Innovationsprogramms sollten vor allem sechs vernetzte Themenfelder adressiert werden:

Im Handlungsbereich „Smarte Verwaltung und Politik“ stehen drei Aspekte im Mittelpunkt. Dazu gehört zunächst das e-Government der nächsten Generation mit wesentlich verbesserten Zugängen zu öffentlichen Dienstleistungen und ein wesentlich erweitertes e-Government-Dienstleistungsangebot. Außerdem geht es darum, wie für Bürger und Unternehmen mehr Transparenz und Offenheit im Verwaltungshandeln erzeugt werden kann. Darüber hinaus stehen dann noch bessere Beteiligungsmöglichkeiten am politischen Prozess im Mittelpunkt.

Der Handlungsbereich „Smarte Bildung“ beschäftigt sich zunächst mit der Vernetzung aller Einrichtungen, die Bestandteil der offiziellen Bildungskette sind. Diese reicht von der frühkindlichen Erziehung bis hin zur beruflichen und freizeitlichen Erwachsenenbildung. Ebenso gehören in diese Kategorie die Maßnahmen zur Bekämpfung der digitalen Spaltung oder des Ausbaus des e-Learning-Angebotes.

Der dritte Handlungsbereich wird mit „Smarte Wertschöpfung“ umschrieben. Hierfür müssen die infrastrukturellen technologischen Voraussetzungen geschaffen werden, damit in einer smarten Stadt Wohlstand und Wachstum für Bürger und Unternehmen gefördert werden. Schließlich sind Menschen vor allem dann smart, wenn sie kreativ sind. Deshalb müssen smarte Städte die Kreativität der Stadtbewohner fördern. Dies bedingt eine neue Rolle für die städtische Wirtschaftsförderung.

„Smarte Mobilität“ stellt den vierten Handlungsbereich dar. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Klima- und Umweltbelastungen gehört in diese Kategorie die Integration der Verkehrsträger, die Zukunft des automobilen Fahrens sowie der Ausbau des Rad- und Fußgängerverkehrs ebenso wie die Kapazitätserweiterung bestehender Infrastrukturen durch bessere Nutzung von Technologie.

Im fünften Handlungsbereich steht „Smarte Gesundheit/Pflege“ im Fokus. Bausteine dafür sind eine bessere Vernetzung der Akteure im Gesundheitswesen, die Sicherung eines eigenständigen Lebens zuhause, die Zukunft des Gesundheitswesens im ländlichen Raum sowie Krankenhäuser und Pflegeheime der nächsten Generation.

Schließlich steht als sechster Handlungsbereich die „Smarte Energie und Umwelt“ im Mittelpunkt. Dazu gehören vor allem die künftige Energieerzeugung und -verteilung sowie das Energiemanagement in klimaneutralen Städten. Ebenso umfasst er die Chance einer umweltbezogenen Verhaltensänderung auf der Grundlage einer wesentlich größeren Transparenz über Umweltauswirkungen.

Fazit

Die Veränderungen, die in jedem dieser Handlungsfelder mit Hilfe von vernetzter Informations- und Kommunikationstechnologie erfolgen werden, sind für sich betrachtet bereits sehr erheblich. Ihre eigentliche Dynamik entfalten sie aber erst dann, wenn die systematische Vernetzung der einzelnen Handlungsbereiche untereinander im einem politisch-strategischen Innovationsprogramm erfolgen wird. Auf diese Weise können Schnittstellen genutzt und Synergieeffekte wesentlich wirtschaftlicher und zielgenauer produziert werden.

Strategisch handelnde Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie alle Kommunalpolitiker wissen, dass der Digitale Wandel intelligent gestaltet werden muss. Das Paradigma der smarten Stadt kann hierfür das Drehbuch sein.

Hinweis der Redaktion: Zu diesem Thema erscheint demnächst im Richard Boorberg Verlag: Die smarte Stadt – den digitalen Wandel intelligent gestalten, Willi Kaczorowski, 226 Seiten, 24,50 Euro (auch als E-Book erhältlich).

 

Willi Kaczorowski

Strategieberater für digitale Verwaltung und Politik, Regierungsdirektor a.D., Berlin
n/a