15.03.2014

Satzungsautonomie kompetent nutzen

Gestaltungsmöglichkeiten durch Ortsrecht neben dem Bebauungsplan

Satzungsautonomie kompetent nutzen

Gestaltungsmöglichkeiten durch Ortsrecht neben dem Bebauungsplan

Das Holländische Viertel in Potsdam: Eine städtebauliche Erhaltungssatzung schützt das Erscheinungsbild. | © rotschwarzdesign - Fotolia
Das Holländische Viertel in Potsdam: Eine städtebauliche Erhaltungssatzung schützt das Erscheinungsbild. | © rotschwarzdesign - Fotolia

Der Erlass von Ortsrecht im Rahmen der den Städten und Gemeinden zukommenden Satzungsautonomie ist originärer Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltung. Satzungen sind die instrumentelle Basis zur Gestaltung des Rechtsrahmens für die örtliche Entwicklung. Besondere praktische Bedeutung kommt dabei den Satzungen zu, deren Rechtsgrundlagen sich im Baugesetzbuch finden. Zu denken ist dabei nicht nur an Bebauungspläne, die nach Durchführung eines geordneten Verfahrens von den Gemeinden als Satzungen beschlossen werden. Durch diese wird der Zulässigkeitsrahmen für eine geordnete bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke verbindlich gesetzt. Zugleich bilden Bebauungspläne die Grundlage für weitere, zum Vollzug des Baugesetzbuchs erforderliche Maßnahmen. Bebauungspläne sind damit ein den kommunalen Alltag mitbestimmendes und unverzichtbares Gestaltungsinstrument. Die Kommunen können auf dieser Basis ihre Planungshoheit zielgerichtet ausüben und die von ihnen gefassten städtebaulichen Ziele adäquat umsetzen. Die eingeräumten weitreichenden rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten korrespondieren mit einem rechtsförmlichem Verfahren, das der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

Die praktische Bedeutung von Bebauungsplänen sollte allerdings nicht den Blick auf die anderen satzungsrechtlichen Optionen verstellen, die das Baugesetzbuch bereithält. Der Gesetzgeber hat den Kommunen einen breiten Fächer weiterer Satzungsermächtigungen an die Hand gegeben, mit denen die unterschiedlichsten städtebaulichen Aufgabenstellungen mit dem jeweils angemessenen Mittel angegangen werden können. Die Gemeinden können aus diesem Instrumentenkasten das jeweils passende Instrument auswählen und ihr Verwaltungshandeln effizient und gleichermaßen effektiv ausrichten. Denn nicht immer ist die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich, weil das gleiche Ziel auch im Wege einer auf diese Aufgabe speziell zugeschnittenen Satzung mit geringerem verfahrensmäßigem Aufwand erreicht werden kann.

Satzungen zur Schaffung von Baurechten

Zu denken ist hier an die Satzungen nach § 34 Abs. 4 BauGB. Diese auch als Innenbereichssatzungen bezeichneten Satzungen betreffen die Abgrenzung zwischen Innenbereich und Außenbereich. Dabei sind drei Varianten zu beachten. Mit der sogenannten Klarstellungssatzung ist keine Erweiterung des Zulässigkeitsrahmens für die bauliche Nutzung der Grundstücke verbunden. Diese Satzung dient allein der Klarstellung und damit der Rechtssicherheit bei schwierigen Abgrenzungsfragen zwischen Innen- und Außenbereich.


Mit der häufig als Entwicklungssatzung bezeichneten Satzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB kann die Gemeinde bebaute Gebiete im Außenbereich als „im Zusammenhang bebaute Ortsteile“ festlegen. Angesprochen sind damit Fälle, bei denen ein im Außenbereich vorhandener Siedlungsansatz zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil entwickelt werden soll. Voraussetzung ist allerdings, dass die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind. Die sogenannte Ergänzungssatzung § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB ermöglicht die Einbeziehung einzelner Außenbereichsflächen in nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilenden im Zusammenhang bebaute Ortsteile. Am Siedlungsrand können so insbesondere durch Begradigung der Kante zur freien Landschaft zusätzliche Baurechte geschaffen und der Siedlungskörper abgerundet werden. Zu Recht wird die Ergänzungssatzung deshalb auch als Abrundungssatzung bezeichnet. Sie ist aber nicht streng auf Fälle der Abrundung beschränkt. Soweit die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind, kann auch ein Ausgreifen des Siedlungskörpers durch die Ergänzungssatzung ermöglicht werden. Die Satzung muss aber grundsätzlich im Einklang mit dem Flächennutzungsplan stehen.

Das Satzungsverfahren ist an das vereinfachte Bauleitplanverfahren angelehnt. Eine förmliche Umweltprüfung ist genauso wenig erforderlich wie die Durchführung eines zweistufigen Beteiligungsverfahrens mit Auslegung der Satzung. Anstelle dessen reicht die Beteiligung der Betroffenen aus. In die Satzung können ergänzend auch einzelne Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 und 3 Satz 1 sowie Abs. 4 BauGB aufgenommen werden. Ansonsten sind im Satzungsgebiet Vorhaben zulässig, wenn diese sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen und die Erschließung gesichert ist.

Ebenfalls der Erweiterung von Baurechten und der Schaffung von mehr Rechtssicherheit kann die sogenannte Außenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6 BauGB dienen. Hierbei wird das Satzungsgebiet anders als bei den zuvor genannten Satzungen nicht zum Innenbereich. Die Vorhaben im Geltungsbereich dieser Satzung sind weiterhin als Außenbereichsvorhaben zu behandeln. Soweit sie Wohnzwecken dienen, kann ihnen aber nicht entgegengehalten werden, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Diese Satzungsbefugnis ist beschränkt auf bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden.

Satzungen zur Sicherung bestehender städtebaulicher Funktionen und Qualitäten

Der Sicherung bestehender städtebaulicher Funktionen und Qualitäten dienen die Fremdenverkehrssatzung, die städtebauliche Erhaltungssatz und die Milieuschutzsatzung. Wie sich schon aus der Bezeichnung ableitet, hat die Fremdenverkehrssatzung vor allem für Fremdenverkehrsgemeinden eine wichtige Bedeutung. In solchen Ortschaften ist häufig zu beobachten, dass Ferienwohnungen als Zweitwohnsitze genutzt werden und damit für die originäre wirtschaftliche Funktion nicht mehr zur Verfügung stehen. Mit der auf § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB gestützten Satzung kann dem entgegengewirkt werden. Im Geltungsbereich der Fremdenverkehrssatzung ist die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum im Sinne des § 1 WEG genehmigungspflichtig. Die Genehmigung darf versagt werden, wenn durch die Begründung oder Teilung der Rechte die Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr und dadurch die städtebauliche Entwicklung und Ordnung beeinträchtigt wird.

Die städtebauliche Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB greift das baukulturelle Interesse auf, ein erhaltenswürdiges Ortsbild, die Stadtgestalt, also die Baustruktur einer Stadt, zu der auch Grundriss und Freiräume rechnen, sowie das Landschaftsbild zu schützen. Die Satzung ergänzt damit die häufig in anderer Zuständigkeit stehenden Instrumente des Denkmalschutzes (Ensemble- und Einzeldenkmale). Die Satzung kann für das Erscheinungsbild der Städte und Gemeinden von großer Bedeutung sein, weil sie hilft, bei den üblichen baulichen Veränderungen im Siedlungsbestand die Geschmacksvielfalt unterschiedlicher Eigentümer zu bändigen und einem einheitlichen baukulturellen Maßstab unterzuordnen.

Demgegenüber zielt die Milieuschutzsatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 BauGB nicht auf den Erhalt der baulich-gestalterischen Qualität, sondern auf den Erhalt der Bevölkerungsstruktur. Dieses Ziel gewinnt aktuell angesichts der sich in einigen Städten zum Teil zuspitzenden Situation auf dem Wohnungsmarkt an Relevanz. Gewachsene Bevölkerungsstrukturen sollen vor Verdrängung durch zahlungskräftigere Käufer und Mieter geschützt werden. Einseitige Bevölkerungsstrukturen sollen vermieden und so ein Beitrag zu eine sozial stabilen Stadtbevölkerung geleistet werden.

Der Sicherung und Umsetzung von Bebauungsplänen dienende Satzungen

Nicht zu vergessen sind die Satzungen, die unmittelbar an den Zweck der Bauleitplanung anknüpfen. Vor allem die als Satzung zu erlassende Veränderungssperre ist ein unverzichtbarer Begleiter der Bauleitplanung. Denn während der Aufstellung des Bebauungsplans muss sichergestellt werden können, dass die Ziele der Planung nicht durch die tatsächliche Entwicklung konterkariert werden. Auch die Vorkaufssatzung nach § 25 BauGB kann ein wichtiges Element zur Umsetzung von Planungsabsichten sein, da durch diese Satzung die Möglichkeiten zur Ausübung des Vorkaufsrechts erweitert werden können. Der Finanzierung von im Zusammenhang mit der Bauleitplanung erforderlich werdenden Maßnahmen dienen die Erschließungsbeitragssatzung und die Satzung über die Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen bei naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen. Zwar wird die Übernahme der Kosten für diese Maßnahmen in der Praxis häufig im Rahmen städtebaulicher Verträge vereinbart. Gleichwohl muss dafür Sorge getragen werden, dass die Kommunen auch hoheitlich auf der Basis der entsprechenden Satzungen agieren können, und wenn nur für den Fall des Scheiterns des Vertrags Vorsorge geschaffen werden soll.

Praktische Unterstützung für die tägliche Praxis

Städte und Gemeinden sind damit gut beraten, die gesamte Palette der zur Verfügung stehenden Satzungen in den Blick zu nehmen. Dabei sind neben den spezifischen Funktionen und Regelungsoptionen auch die Verfahrensanforderungen zu beachten. Ein gute Orientierungshilfe und Anleitung hierbei bietet die gerade in zweiter Auflage erschienene Arbeitshilfe des Deutschen Instituts für Urbanistik „Die Satzungen nach dem Baugesetzbuch„. Die Arbeitshilfe widmet sich diesen im Alltag der Städte notwendigen, häufig aber weniger im Fokus der kommunalen Entscheidungsträger stehenden Satzungen und schließt damit eine Lücke. Denn die meisten dieser Satzungen finden in der einschlägigen Fachliteratur vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit. Nach einem einheitlichen und gut nachvollziehbarem Gliederungsraster werden hier die Voraussetzungen der jeweiligen Satzungen und die durchzuführenden Verfahrensschritte im Einzelnen ausgeführt und anhand von Beispielen verdeutlicht. Auch finden sich zahlreiche Muster für die im Verfahren zu fassenden Beschlüsse und andere Dokumente. Zwar ist die Arbeitshilfe nicht in dem Sinne vollständig, dass sämtliche Satzungen nach dem BauGB behandelt werden. Die Sanierungssatzung nach § 142 BauGB sowie die Satzung über die Durchführung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nach § 165 BauGB fehlen, genauso wie der Bebauungsplan als Satzung. Dies dürfte der Nutzung der Arbeitshilfe aber eher zuträglich sein, da Sanierungs- und städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen Sonderaufgaben darstellen, die für sich genommen einer umfassenderen Darstellung bedürfen. Für den Bebauungsplan als wichtigster Ortssatzung nach dem BauGB gibt es ohnehin zahlreiche Kommentierungen und Arbeitshilfen, nicht zuletzt auch eine aus dem Deutschen Institut für Urbanistik: „Das Bebauungsplanverfahren nach dem BauGB„.

 

Dr. Arno Bunzel

Deutsches Institut für Urbanistik, Öffentliches Bau- und Planungsrecht, Raumrelevantes Umweltrecht, Berlin
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