15.09.2016

„Wir bieten viel, verlangen aber auch einiges!”

Interview mit Professor Dr. Dr. Erich Keller

„Wir bieten viel, verlangen aber auch einiges!”

Interview mit Professor Dr. Dr. Erich Keller

Schreckgespenst oder eher Hirngespinst?
© Matthias Ketz

Dass es viele Banken gibt, ist bekannt. Woher die vielen Banker kommen und wie sie ausgebildet werden, weiß man jedoch nur selten. Sogar die Zentralbank Deutschlands, die Deutsche Bundesbank, unterhält und fördert eine staatlich anerkannte private Hochschule in freier Trägerschaft mit dem Recht der Selbstverwaltung: die Hochschule der Deutschen Bundesbank mit Sitz in Hachenburg. Sie bildet den Nachwuchs der Deutschen Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im gehobenen Dienst aus – also das „Mittlere Management” der beiden Institutionen. Die Hochschule der Deutschen Bundesbank gilt als DIE zentrale Nachwuchsschmiede der Bundesbank.

Dr. Yvonne Dorf, Leitende Regierungsdirektorin und seit 2013 Fachbereichsleiterin des Fachbereichs Allgemeine Innere Verwaltung der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl, führte das Interview mit dem Rektor der Hochschule der Deutschen Bundesbank, Professor Dr. Keller.

Professor Dr. Dr. h. c. Erich Keller ist seit August 2006 Rektor der Fachhochschule und seit 2012 wiederbestellter Rektor der Hochschule der Deutschen Bundesbank. Als Dozent der Hochschule lehrt er in den Schwerpunkten:


  • Derivative Finanzinstrumente
  • Bankenaufsicht, insb. Eigenkapital- und Liquiditätsstandards
  • Finanzstabilität, insb. Finanz- und Eurokrise

Ferner ist Professor Keller international tätig und führt regelmäßig Lehrveranstaltungen im Rahmen der internationalen Kooperationen der Bundesbank-Hochschule durch. Seine Forschungsinteressen gelten den Bereichen bankaufsichtliche Eigenkapital- und Liquiditätsstandards, Konzernbilanzierung nach HGB und IFRS sowie Bologna-Reform und Hochschulfragen. Zudem ist er seit 2013 Mitglied im fünfköpfigen Präsidium der Rektorenkonferenz der Hochschulen für den öffentlichen Dienst und wurde im Oktober 2015 in dieser Funktion wieder gewählt.

PUBLICUS: Sehr geehrter Herr Professor Keller, auf den ersten Blick mag es ungewöhnlich erscheinen, dass die Deutsche Bundesbank eine eigene Hochschule für ihren Nachwuchs unterhält. Was war der Grund für ihre Gründung im Jahr 1980 und die Beibehaltung der eigenen „Banker”-Ausbildung mit zwischenzeitlich rund 3.500 Absolventinnen und Absolventen?

Keller: Die eigentliche Ursache für die Gründung der Hochschule der Deutschen Bundesbank liegt in einer Änderung des Bundesbeamtengesetzes vom 18. August 1976. Damals wurde für die Laufbahnen des gehobenen nichttechnischen Dienstes in den öffentlichen Verwaltungen eine Fachhochschulausbildung der Bundesbank-Hochschule ähnelt jedoch – bei allen Unterschieden in den Ausbildungsinhalten – dem der 37 anderen Hochschulen für den öffentlichen Dienst, die derzeit in Deutschland existieren.

PUBLICUS: Der an Ihrer Hochschule angebotene duale Bachelor-Studiengang „Zentralbankwesen/Central Banking”, der zugleich Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen Bankdienstes ist, dauert in der Regel drei Jahre. Was erwartet die Studierenden während ihres Studiums (Aufbau und Ablauf)?

Keller: Der Studiengang „Zentralbankwesen/Central Banking” zum Bachelor of Science im Gesamtumfang von 36 Monaten Studiendauer (180 ECTS) umfasst 22 Monate Fachstudien an der Hochschule in Hachenburg sowie 14 Monate Praxisstudien (inkl. 2 Monate Bachelorarbeit) in Dienststellen der Deutschen Bundesbank, der BaFin oder anderer Zentralbanken oder Aufsichtsbehörden des Europäischen Systems der Zentralbanken. Die 22-monatigen Fachstudien an der Hochschule sind in insgesamt vier Abschnitte (Grundstudium, Aufbaustudium, Vertiefungsstudium 1 und Vertiefungsstudium 2) eingeteilt. Während im jeweils 6-monatigen Grund- und Aufbaustudium die Studieninhalte für alle Studierenden gleich sind, besteht im Vertiefungsstudium 1 und 2 die Möglichkeit, in einem von drei Profilen (Aufsichts- und Finanzstabilitätsfunktionen, bankbetriebliche Funktionen, Querschnittsfunktionen) Schwerpunkte zu setzen. Zwischen den Fachstudienabschnitten liegen ebenfalls vier Praxisstudienabschnitte, in denen die Studierenden ihre neu erworbenen theoretischen Kenntnisse anwenden und vertiefen. Im letzten Studienhalbjahr verfassen die Studierenden innerhalb von 8 Wochen eine Bachelorarbeit und verteidigen sie in einem mündlichen Vortrag. Weitere Details des Studienablaufs und der Modulkatalog können auf der Hochschul-Homepage (www.hochschule-bundesbank.de) eingesehen werden.

PUBLICUS: Werden die Curriculumsinhalte auch auf Englisch unterrichtet?

Keller: Ja, ungefähr 25 bis 35 % der Studieninhalte werden – je nachdem, in welchem Profil sich Studierende vertiefen – in englischer Sprache, der Arbeitssprache des Europäischen Systems der Zentralbanken, unterrichtet. Die Hochschule legt zudem Wert darauf, den Studierenden zu vermitteln, dass gute englische Sprachkenntnisse in einer Zentralbank bzw. einer Aufsichtsbehörde eine Selbstverständlichkeit sind. Daher wird in den Fach- und Praxisstudienmodulen nicht nur ein Teil der Lehre, sondern auch ein beträchtlicher Teil der Prüfungsfragen der Klausuren und der Referats-, Seminararbeits- und Präsentationsthemen in englischer Sprache geprüft.

PUBLICUS: Wie werden die Lehrveranstaltungen durchgeführt und was macht die persönliche Lernatmosphäre an Ihrer Hochschule aus?

Keller: Die Studier- und Lernatmosphäre wird vor allem durch zwei Punkte geprägt:

  1. Kleingruppenkonzept: Die Lehre erfolgt an der Hochschule in kleinen Gruppen von 20 bis 40 Studierenden. Auf diese Weise ist eine intensive persönliche Betreuung der Studierenden durch die Lehrenden möglich. Dialogorientierte und teilnehmeraktivierende Lehrformen sind daher nicht die Ausnahme, sondern der Regelfall. Zudem fördert die Hochschule die Zusammenarbeit der Studierenden in noch kleineren Arbeits- und Lerngruppen aktiv durch die Bereitstellung von Gruppenarbeitsräumen sowie entsprechende Lehrangebote (u. a. Planspiele, Rollenspiele, Videotraining, Fallstudien, Projektarbeiten, Übungsaufgaben usw.).
  2. Wohnen auf dem Hochschulcampus: Während der Fachstudien stellt die Hochschule ihren Studierenden kostengünstig auf dem Campus oder in nächster Nähe Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung. Die Studierenden leben und arbeiten somit auf dem Hochschulcampus und können sich so voll auf das Studium konzentrieren.

Als Folge der räumlichen Nähe und der intensiven persönlichen Kontakte entstehen bei den Studierenden während der Fachstudienzeiten in Hachenburg viele Freundschaften, die oft ein ganzes Berufsleben halten.

PUBLICUS: Die Deutsche Bundesbank ermöglicht ihren Studierenden, den letzten Praxisabschnitt ihres Studiums bei anderen europäischen oder deutschen Institutionen abzulegen. Wo ist dies beispielsweise möglich?

Keller: Alle Studierenden können ein Praxismodul außerhalb der eigenen Einstellungsbehörde von sechs bis acht Wochen Dauer im Inland (z. B. bei Europäischer Zentralbank, Ministerien, BaFin) oder im Ausland bei anderen nationalen Zentralbanken, Aufsichtsbehörden oder Ministerien verbringen. Als Alternative zu einem Praxismodul außerhalb der eigenen Einstellungsbehörde ist auch ein Aufenthalt in der für die Zeit nach dem Examen vorgesehenen ersten beruflichen Spezialisierung in der Deutschen Bundesbank möglich. In den einzelnen Studienjahrgängen entscheiden sich meist zwischen 50 und 80 % aller Studierenden für einen Auslandsaufenthalt. Bei den einzelnen Aufnahmeinstitutionen waren in den vergangenen zwei Jahren die Zentralbanken zahlreicher europäischer Staaten vertreten, von Finnland, Island und Norwegen im Norden bis Malta und Zypern im Süden. Besonders viele Studierende sind in der Vergangenheit nach Dublin, London und Luxemburg gegangen.

PUBLICUS: Pflegt die Hochschule der Deutschen Bundesbank auch internationale Beziehungen zu anderen Hochschulen? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit/Kooperation?

Keller: Die Hochschule der Deutschen Bundesbank praktiziert seit längerer Zeit einen Lehrenden- und Studierendenaustausch mit drei osteuropäischen Zentralbankhochschulen, mit der PBC School of Finance an der Tsinghua Universität in Peking (China), und führt gemeinsame Seminare mit Studierenden verschiedener kanadischer und brasilianischer Hochschulen durch. Hinzu kommen Kooperationen mit drei Hochschulen im Inland. Lassen Sie mich die Kooperationsaktivitäten mit China etwas näher beschreiben. Sie umfassen vier einzelne Veranstaltungen:

Mitte Mai jedes Jahres laden wir 20 Studierende und zwei Lehrende der PBC School of Finance an der Tsinghua-Universität, Peking, zu einer internationalen Vorlesungswoche über Central Banking nach Hachenburg ein.

Ende Juni lädt die PBC School of Finance 10 Studierende der Bundesbank-Hochschule für zwei Wochen zu einer Summer School mit anderen internationalen Teilnehmern nach Peking ein, die dem chinesischen Bank- und Finanzsystem gewidmet ist.

Mitte Oktober unterrichten zwei Professoren der Bundesbank-Hochschule für jeweils eine Woche eine Masterklasse der PBC School of Finance über die institutionellen Grundlagen und die Geldpolitik des Eurosystems sowie die Reaktionen der EZB und der Bankaufsichtsbehörden auf die Finanz- und Eurokrise.

Mitte November laden wir zwei bis drei Professoren der PBC School of Finance zu einem gemeinsamen Workshop in Englisch mit sechs bis acht Professoren der Bundesbank-Hochschule ein, der sich mit der Präsentation und Verteidigung von Forschungsvorträgen beschäftigt.

PUBLICUS: Wie sehen für Ihre Studierenden die beruflichen Perspektiven nach einem erfolgreichen Abschluss des Bachelorstudiums als Beamtin oder Beamter im gehobenen Bankdienst aus?

Keller: In einem Wort: Hervorragend! Durch das duale Konzept des Bachelorstudiengangs wird für viele Einsatzfelder der Absolventinnen und Absolventen eine sehr hohe Berufsbefähigung erreicht. Die Studierenden sind nach dem Studium mit der Unternehmenskultur in den Dienststellen der Deutschen Bundesbank bzw. der BaFin vertraut und können nach kurzer Einarbeitung alle wichtigen Stellenprofile des gehobenen Dienstes in diesen Institutionen wahrnehmen. „Hachenburger” – so werden die Absolventinnen und Absolventen der Hochschule in der Bundesbank und der BaFin genannt – sind deshalb sehr begehrt und haben in beiden Institutionen sehr gute Aufstiegschancen.

PUBLICUS: Welches Profil muss man mitbringen, um zum Studium an Ihrer Hochschule zugelassen zu werden?

Keller: In erster Linie sollte man natürlich Interesse an wirtschaftlichen Themen mitbringen. Darüber hinaus sollten Studierende über gute Mathematik-, Deutsch- und Englischkenntnisse verfügen. Interesse für Mathematik ist deswegen förderlich, weil im Studium viele finanzmathematische, statistische und ökonometrische Methoden behandelt werden. Gute Deutschkenntnisse erleichtern das Verständnis der juristischen Studieninhalte, die insgesamt ca. 25 % des Stoffs ausmachen. Und gute Englischkenntnisse sind notwendig, um von Beginn an den englischsprachigen Lehrveranstaltungen folgen und in dieser Sprache schreiben und präsentieren zu können.

PUBLICUS: Wie gestaltet sich die Bewerbung und wie viele Studierende pro Jahr können das Studium in Hachenburg aufnehmen?

Keller: Jedes Jahr suchen wir ca. 140 Abiturientinnen und Abiturienten für unser Bachelorstudium „Zentralbankwesen/Central Banking”. Einstellungstermine für den Studiengang sind der 1. Oktober eines Jahres bzw. der 1. April des Folgejahres. Die entsprechende Ausschreibung findet man während des Bewerbungszeitraums (im Sommer des Vorjahres) in der Jobbörse der Deutschen Bundesbank, von wo aus man auch zum Online-Bewerbungsformular gelangt. Auf der Karriereseite der Bundesbank ist darüber hinaus eine ganze Reihe von Ansprechpartnern für weitergehende Fragen angegeben. Auf der Webseite der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (www.bafin.de) sind das Bewerbungsformular und die Ansprechpartner unter „Arbeiten bei der BaFin – Ausbildung und Studium – Studiengang Zentralbankwesen” zu finden.

PUBLICUS: Als Studierender an Ihrer Hochschule hat man den Vorteil, zugleich auch Beamte/Beamter mit einem festen Gehalt zu sein. Wie hoch sind die aktuellen Anwärterbezüge? Werden neben dem Gehalt weitere Unterstützungs-/Förderungsmöglichkeiten angeboten?

Keller: Die Studierenden sind Beschäftigte der Deutschen Bundesbank oder der BaFin (i.d.R. Beamtenanwärter/in) und erhalten Dienstbezüge sowie eine soziale Absicherung. Die Dienstbezüge belaufen sich – Stand 5’2016 – brutto auf ca. 1.560 € [netto 1.420 €] pro Monat für ledige Bundesbank-Studierende mit kaufmännischer Berufsausbildung sowie brutto ca. 1.150 € [netto ca. 1.110 €]) für Bundesbank-Studierende ohne Berufsausbildung. Außerdem unterstützen wir unsere Studierenden z. B. bei der Wohnungssuche an den Ausbildungsstandorten und übernehmen deren Kosten. Die Studierenden können sich daher vollständig auf den Studiengang konzentrieren, weil die Notwendigkeit entfällt, Nebentätigkeiten zur Sicherung des Lebensunterhalts aufzunehmen.

PUBLICUS: Sie waren selbst einmal Student der Hochschule der Deutschen Bundesbank. Was macht die Hochschule und das Studium aus Ihrer Sicht so einzigartig?

Keller: Neben der fachlich exzellenten Ausbildung vor allem der enge Kontakt mit den Mitstudierenden und den Professoren auf dem Campus in Hachenburg. Mich jedenfalls verbinden heute noch viele Freundschaften mit Mitstudierenden aus der damaligen Zeit. Auf der Homepage der Hochschule (www.hochschule-bundesbank.de) werden unter dem Punkt Studentisches – Alumni Portraits eine ganze Reihe von ehemaligen Studierenden vorgestellt, die allesamt genau diese beiden Punkte – Top-Ausbildung und enger persönlicher Zusammenhalt – herausstellen.

PUBLICUS: Wenn Sie zu Semesterbeginn die neuen Studierenden begrüßen oder sie mit Abschluss ihres Studiums verabschieden: Welchen Rat geben Sie Ihnen mit auf den Weg in das Studium bzw. in das Berufsleben?

Keller: Im Grundstudium begrüße ich die neuen Studierenden ganz bewusst mit dem Motto: „Wir bieten viel, aber wir verlangen auch einiges”. Wir wollen den Erstsemestern durchaus bewusst machen, dass die intellektuellen Anforderungen des Hochschulstudiums deutlich über die der gymnasialen Oberstufe hinausgehen. Manche Abiturienten unterschätzen nämlich nach meinen Erfahrungen Stoffmenge sowie Prüfungsanforderungen beträchtlich und stellen dann kurz vor den Klausuren fest, dass ihre Vorbereitungszeit nicht ausreicht.

Bei der Aushändigung der Bachelorurkunden verabschiede ich die Studierenden immer mit dem Hinweis, dass die Aufgaben von Bundesbank und BaFin, insbesondere Geldwert- und Finanzstabilität, es wirklich wert sind, dass man ihnen sein gesamtes Berufsleben widmet. Zudem weise ich stets auf Seriosität und Verlässlichkeit beider Institutionen sowie auf eine angemessene Work-Life-Balance unserer Beschäftigten hin.

PUBLICUS: Herr Professor Keller, herzlichen Dank für das Gespräch!

 

Dr. iur. Yvonne Dorf

Leitende Regierungsdirektorin
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