15.09.2016

Kommunale Handlungsfelder von morgen

Die Stadt im Jahr 2030: Das denken die deutschen Kommunen

Kommunale Handlungsfelder von morgen

Die Stadt im Jahr 2030: Das denken die deutschen Kommunen

Stadt 2030: Förderprogramme zur Beratung bei der kommunalen Ressourceneffizienz gefragt. | © panimoni - Fotolia
Stadt 2030: Förderprogramme zur Beratung bei der kommunalen Ressourceneffizienz gefragt. | © panimoni - Fotolia

Für die Studie „Was denken die deutschen Kommunen – Handlungsfelder heute und im Jahr 2030” hat der VDI (Zentrum Ressourceneffizienz) zusammen mit der Universität Hohenheim sämtliche 11.084 Kommunen in Deutschland zu den Herausforderungen in ihrer Stadt heute und im Jahr 2030 befragt. 10,2 Prozent der (Ober-)Bürgermeister aus Kommunen aller Größenordnungen beteiligten sich an der Befragung. Als Handlungsfelder wurden neben Ressourceneffizienz auch die Themen Mobilität, Energie, lokales Klima, Stadtentwicklung und Abfallwirtschaft definiert.

Die Initiative Stadt: Denken des VDI

Die VDI Initiative Stadt:Denken vereinigt Experten stadtaffiner Ingenieurdisziplinen und Gesellschaftswissenschaftler mit dem Ziel, Entscheider – auch in den Kommunen – durch interdisziplinäre Wissensvermittlung und -vernetzung zu unterstützen. Der Fokus der Initiative liegt dabei auf der mitteleuropäischen gewachsenen Stadt mit ihren teilweise in Jahrhunderten entwickelten Strukturen und Systemen.

Auf die Kommunen von morgen kommen in den nächsten Dekaden enorme Herausforderungen zu. Einerseits stehen die Städte im Zentrum der Energiewende und der bis 2050 notwendigerweise abgeschlossenen Dekarbonisierung der Wirtschaft. Andererseits müssen sie unterschiedliche demografische Entwicklungen bewältigen, die – je nach Region – von einem weiteren Wachstum bis hin zur Schrumpfung ihrer Bevölkerung reichen. Dabei sind die Bedingungen, unter denen die zwangsläufig einsetzenden Veränderungsprozesse ablaufen werden, nicht nur hinsichtlich der finanziellen Situation der Kommunen höchst unterschiedlich.


Mensch und Technik kommen sich selten so nahe wie in der Stadt. Neue Ideen, Innovationen und zukunftsfähige Techniken wirken dort ganz unmittelbar auf die Lebensqualität der dort lebenden Menschen. Mobilität von Menschen, Gütern und Informationen, Integration der Arbeitswelt in den Lebensraum, sichere, bezahlbare Ver- und Entsorgung (Wärme, Strom, Gas, Breitband, Wasser, Abwasser), Zusammenspiel der Generationen mit durchaus divergierendem Lifestyle – und das alles im lebenswerten Klima einer Stadt. Dieses komplexe Zusammenwirken diverser sozioökonomischer Subsysteme basiert auch auf fundierter Ingenieurskunst.

Die aus der Sicht der Initiative Stadt:Denken für eine Stadt der Zukunft relevanten Handlungsfelder wurden im Juni 2015 in der Veröffentlichung „Bausteine für die Stadt der Zukunft” veröffentlicht.

Abb. 1: Zentrale Ergebnisse der Studie: Die derzeit fünf wichtigsten Aufgaben aus Sicht der deutschen Bürgermeister.

Abb. 1: Zentrale Ergebnisse der Studie: Die derzeit fünf wichtigsten Aufgaben aus Sicht der deutschen Bürgermeister.

Was denken die Kommunen heute und im Jahr 2030

Gemeinsam mit Prof. Dr. Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim entwickelte Stadt:Denken eine an alle Bürgermeister Deutschlands gerichtete Umfrage. Diese sollte die aktuelle und künftige Bedeutung von 20 Themenbereichen in den vier Handlungsfeldern Mobilität, Energie, lokales Klima und Ressourceneffizienz für die Kommunen in Deutschland aufzeigen und vertiefte Fragen zu den Handlungsfeldern beantworten.

Die Umfrage wurde per E-Mail an die Bürgermeister verschickt. Von den 11.084 Bürgermeistern in den deutschen Kommunen konnte lediglich für 8.307 eine gültige E-Mail-Adresse ermittelt werden. Für zahlreiche sehr kleine Kommunen (< 500 Einwohner) konnte diese Adresse nicht ermittelt werden. Von den angeschriebenen 8.307 Kommunen wurde ein Rücklauf von 10,2 % erzielt. Dabei waren Kommunen aller Größenklassen recht repräsentativ vertreten, lediglich die Kommunen unter 2.000 Einwohner waren etwas schwächer repräsentiert.

Als vordringlichste aktuelle Aufgabe wird von den Bürgermeistern die Sanierung des öffentlichen Gebäudebestandes und dessen Neubau gesehen, dicht gefolgt von einer allgemeinen Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden. Die Sanierung von Wasser- und Abwassernetzen hat ebenfalls eine hohe Priorität. Von immer noch rund 2/3 der Bürgermeister wird aktuell der Ausbau des ÖPNV und der Verkehrsinfrastruktur insgesamt als kommunale Aufgabe gesehen.

Betrachtet man die in 15 Jahren wichtigen Aufgaben, wandelt sich das Bild nur teilweise. In der Gesamtheit bleiben beinahe alle Aufgaben ähnlich relevant oder relevanter als heute. Es fällt auf, dass lediglich das Anfertigen kommunaler Klimakarten sowie die Abfallwirtschaft von rund 20 % der Bürgermeister als weniger relevant angesehen werden. Insbesondere in Bezug auf die Klimakarten erscheint dies bemerkenswert, da doch eine Anpassung an die Klimafolgen und an Wetter-Extremereignisse in der Zukunft von rund der Hälfte der Bürgermeister als wichtiger als heute angesehen wird. Alle anderen Aufgaben werden von rund 90 % der Bürgermeister weiterhin als wichtig oder sogar noch wichtiger als jetzt eingeschätzt.

Eine stark zunehmende Bedeutung haben der Ausbau intelligenter Stromnetze, das Mobilitätsmanagement und der Ausbau des ÖPNV. Fragen der Sanierung von Gebäuden und der Steigerung der Energieeffizienz bleiben auch im Jahr 2030 auf der Aufgabenliste der Kommunen, rund 30 % der Bürgermeister beurteilen dies sogar noch mit steigender Wichtigkeit.

Auf die Frage nach Handlungskonzepten für Mobilität, lokales Klima und Energie geben mehr als 2/3 der größeren Städte über 50.000 Einwohner an, ein solches Handlungskonzept politisch beschlossen zu haben. Je kleiner die Kommunen sind, desto geringer ist der Anteil der Kommunen mit einem Handlungskonzept. Lediglich im Handlungsfeld Ressourceneffizienz muss festgestellt werden, dass es in weniger als 20 % der Kommunen ein beschlossenes Konzept gibt. Auffällig dabei ist, dass hier die Größe der Kommunen praktisch nicht relevant für die Anzahl der Konzeptnennungen ist.

Vertiefend wurden kommunale Ziele und eventuell notwendige Unterstützungen zur Erreichung dieser Ziele im Bereich der Ressourceneffizienz abgefragt. Von 130 Antworten bemängeln 44 fehlende Beratungsangebote und Förderprogramme für Lösungen im Bereich der Verbesserung der Ressourceneffizienz.

Abb. 2: Zentrale Ergebnisse der Studie: Relevanz der 20 Aufgaben im Jahr 2030; gleich wichtig (blau), 2030 wichtiger als heute (rot), an 100 % fehlende Werte: weniger wichtig als heute.

Abb. 2: Zentrale Ergebnisse der Studie: Relevanz der 20 Aufgaben im Jahr 2030; gleich wichtig (blau), 2030 wichtiger als heute (rot), an 100 % fehlende Werte: weniger wichtig als heute.

Hoher Beratungsbedarf zum Thema Ressourceneffizienz

Die in Abbildung 3 gezeigten Antworten spiegeln wider, dass die Frage der Ressourceneffizienz in den Kommunen – und vermutlich auch in der gesamten Gesellschaft – bislang noch keine dominierende Rolle spielt, wie dies beispielsweise bei der Energieeffizienz oder beim Klimawandel der Fall ist. So fühlen sich rund drei Viertel der Bürgermeister nicht ausreichend über den Zusammenhang zwischen Ressourcen- und Energieeffizienz und Klimaschutz informiert. Mehr als die Hälfte der Bürgermeister sieht in der Ressourceneffizienz ein Feld, dem bislang noch nicht viel Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Lediglich ein kleiner Teil der Bürgermeister sieht in der Ressourceneffizienz kein kommunales Aufgabenfeld, trotzdem haben erst 12,5 % der Kommunen einen hauptamtlichen, mit Ressourcenfragen betrauten Mitarbeiter. Ob dieser dann tatsächlich auf Ressourcenfragen antwortet oder auf dem Gebiet der Energieeinsparung oder des Klimaschutzes tätig ist, wurde nicht ermittelt.

Ein klares Ergebnis der Studie ist die Forderung nach Beratung und Förderung für Konzepte zur Verringerung des Ressourcenverbrauchs und der Erhöhung der Ressourceneffizienz in den Kommunen. Aufgrund der angespannten Finanzlage in den Kommunen würden rund 60 % der Kommunen Beratungsangebote nur dann in Anspruch nehmen, wenn diese für die Kommunen kostenlos wären.

Abb. 3: Meinungen zum Handlungsfeld Ressourcen

Abb. 3: Meinungen zum Handlungsfeld Ressourcen

Insbesondere vor dem Hintergrund der sich derzeit in Ansätzen entwickelnden Diskussion um die Sinnhaftigkeit weiterer Verschärfungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) bei Gebäuden sollte auf den Wunsch der Kommunen nach Beratungsangeboten und finanzieller Förderung zügig reagiert werden. Schließlich steigen die Baukosten wegen der immer größeren Komplexität der Energieeinsparmaßnahmen drastisch an. Aber auch im Bereich der kommunalen Erzeugung erneuerbarer Energie könnte eine integrierte Betrachtung der Ressourceneffizienz dem gesamten Energiesystem zu einer besseren Klima- und Energiebilanz verhelfen.

Land und Bund sollten hier den Kommunen zügig mit Förderprogrammen zur Beratung bei der kommunalen Ressourceneffizienz helfen. Ohne diese bislang weitgehend ignorierten Potenziale werden sich die anspruchsvollen Klimaziele des Bundes und der Länder kaum realisieren lassen.

 

Klaus Dosch

Diplom- Wirtschaftsingenieur/Diplom-Geologe, Diplom- Wirtschaftsingenieur/Diplom-Geologe, Faktor X Agentur Indeland Entwicklungsgesellschaft mbH, Düren
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