15.09.2016

Unberechtigte Abmahnung teuer bezahlt

Gebrauchtsoftware: Eine Alternative für öffentliche Auftraggeber

Unberechtigte Abmahnung teuer bezahlt

Gebrauchtsoftware: Eine Alternative für öffentliche Auftraggeber

Günstige Beschaffung für öffentliche Auftraggeber: Der Gebrauchtsoftware-Markt wird attraktiv. | © Joachim Wendler - Fotolia
Günstige Beschaffung für öffentliche Auftraggeber: Der Gebrauchtsoftware-Markt wird attraktiv. | © Joachim Wendler - Fotolia

Aussagen von Standardsoftwareherstellern zur angeblichen Unzulässigkeit eines Zweitmarktes für ihre Produkte haben immer noch ein starkes Gewicht. Allein die Aussicht auf eine rechtliche Konfrontation mit einem Marktgiganten wie Microsoft, Adobe oder SAP führt häufig dazu, dass auf den Einsatz oder Erwerb sogenannter „gebrauchter Software” verzichtet wird. Dabei überschreiten diese Aussagen und das Vorgehen der Hersteller teilweise die Grenze des rechtlich Zulässigen. Im Falle des US-Softwareherstellers Adobe hat das Oberlandesgericht Köln (OLG) dies mit seinem Urteil vom 24. Juni 2016 (Az. 6 U 173/15) in zweiter Instanz kürzlich festgestellt: Weil Adobe Kunden des Gebrauchtsoftware-Händlers usedSoft unberechtigt abgemahnt hat, verurteilte das OLG Adobe dazu, usedSoft den daraus resultierenden Schaden zu ersetzen.

Voreilige Abmahnung des Softwareherstellers

Das Urteil geht auf eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt aus dem Jahr 2009 zurück, mit der Adobe usedSoft den Handel mit ihren Produkten untersagen ließ. Obwohl es sich hierbei nur um eine vorläufige Entscheidung handelte, wandte sich Adobe an Gebrauchtsoftwarekunden und forderte unter Androhung gerichtlicher Schritte, die erworbenen Produkte zu übersenden und nicht weiter zu nutzen. Zur Begründung behauptete Adobe, Einzellizenzen aus sogenannten Adobe-Volumenverträgen dürften nicht weiterverkauft werden. Diese Behauptung war jedoch schon damals rechtlich stark umstritten und stellte sich später als falsch heraus. Das OLG Frankfurt hat dies bereits mit seinem Urteil aus Dezember 2012 entschieden (OLG Ffm Urt. v. 18. 12. 2012 Az.: 11 U 68/11), das später vom BGH uneingeschränkt bestätigt wurde (BGH, Urt. v. 14. 12. 2014, Az. I ZR 8/13 – UsedSoft III). Damit stand endgültig fest, dass die Eilentscheidung, auf die sich Adobe berufen hatte, zu Unrecht ergangen war.

Obwohl usedSoft seinen so angegriffenen Kunden Unterstützung bei der Rechtsberatung anbot, kamen viele den Forderungen Adobes nach und verlangten von usedSoft die Erstattung von Kaufpreisen und weiteren Schadensersatz, wodurch nicht nur den Kunden, sondern auch usedSoft ein erheblicher Schaden entstand. Diesen Schaden muss Adobe usedSoft nun aufgrund des OLG-Urteils in Höhe von über € 125.000 ersetzen.


Das OLG-Urteil sorgte für bemerkenswert viel Aufsehen. Dabei ist es nur konsequent, denn die zugrundeliegende Rechtslage ist lange geklärt. Grundlegend sind die Entscheidungen des EuGH und BGH, mit denen der Gebrauchtmarkt für Standardsoftware letztlich liberalisiert wurde.

Zuletzt urteilte der BGH im Dezember 2014 in seiner UsedSoft III – Entscheidung (vgl. BGH aaO), dass auch solche Einzellizenzen ohne Einschränkungen gehandelt werden können, die vom Hersteller als EDU-Lizenzen über sogenannte Volumenlizenzverträge auf den Markt gebracht wurden. „Hat der Ersterwerber (…) eine Lizenz erworben, die die Nutzung mehrerer eigenständiger Kopien des Computerprogramms erlaubt (sogenannte Volumen-Lizenz), ist er dazu berechtigt, das Recht zur Nutzung des betreffenden Programms für eine von ihm bestimmte Zahl von Nutzern weiterzuverkaufen und für die verbleibende Zahl von Nutzern weiter zu nutzen. Bei den einzelnen Lizenzen handelt es sich um jeweils selbständige Nutzungsrechte, die eigenständig übertragen werden können.”, so der BGH.

Risiko erheblicher Schadensersatzansprüche

Das Urteil des OLG Köln gegen Adobe ist rechtlich folgerichtig. Wer aufgrund einer Eilentscheidung (einstweiligen Verfügung) gegen Kunden seines Gegners vorgeht, muss diesem den daraus entstanden Schaden ersetzen, wenn sich später herausstellt, dass die Entscheidung zu Unrecht ergangen war. Die Rechtsprechung fordert in diesem Zusammenhang ein hohes Maß an Sorgfalt. Gerade bei einem Vorgehen gegen Kunden des Gegners aufgrund einer Eilentscheidung ist daher Zurückhaltung geboten, will man sich nicht – wie im Falle Adobes – dem Risiko erheblicher Schadensersatzansprüche aussetzen.

Bei einer Konfrontation mit Aussagen von Herstellern zur angeblichen Zulässigkeit des Gebrauchtsoftwarehandels ist eine kritische Betrachtung daher angebracht. Denn, wie das OLG Köln festgestellt hat, entsprechen sie nicht immer der geltenden Rechtslage.

Gerade Behörden, die zum verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeldern verpflichtet sind und dem wirtschaftlich-sten Angebot den Zuschlag erteilen müssen, sollten den Druck der Hersteller kritisch betrachten.

VK Münster: Beschaffung von Gebrauchtsoftware erlaubt und unbedenklich

Erst vor Kurzem bestätigte die Vergabekammer Münster einmal mehr, dass die Beschaffung von Gebrauchtsoftware ausdrücklich erlaubt und unbedenklich sei (VK Münster, E. v. 01. 03. 2016, Az. VK 1-2/16). Die Entscheidung schließt sich damit an die – im Ergebnis gleichlautende – Entscheidung der Vergaberechtskammer Düsseldorf vom 23. 05. 2008 (Az. VK – 7/2008 – L) an, die – wieder einmal – usedSoft erstritten hatte. Die Vergaberechtskammer Münster beanstandet den Ausschluss von gebrauchter Software als vergaberechtswidrig. Eine Ausschreibung, die nur Microsoft Licensing Solutions Partner zur Angebotsabgabe zuließ, wurde damit gestoppt. Ausschließlich neue Microsoft-Software zuzulassen, sei ein Verstoß gegen das offene Verfahren und gegen den Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung (§ 31 Abs. 6 VgV – früher § 8 EG Abs. 7 VOL/A). Gebrauchte Software muss ebenfalls angeboten werden können.

Mit Rücksicht auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des EuGH und des BGH ist eine Beschränkung auf neue Microsoft-Software „nicht mehr sachlich nachvollziehbar” (VK Münster, a.a.O, Tz. 114 nach juris). „Die rechtliche Konsequenz aus dieser Rechtsprechung (des BGH und des EuGH) ist, dass der Hersteller (Microsoft) weder einen Anspruch auf Unterlassung noch einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Erwerber (von gebrauchter Software) haben kann. Der BGH führt dazu sogar in seiner Entscheidung vom 11. 12. 2014 aus, dass man nicht einmal eine Vermögenseinbuße bei Microsoft erkennen könne. Der BGH hat damit im Grundsatz die Rechtmäßigkeit des Gebrauchtsoftware-Handels bestätigt” (VK Münster, a.a.O., Tz. 116 nach juris).

Sowohl die Rechtsprechung des EuGH als auch die Entscheidungen des BGH sind nach der VK Münster höchstrichterliche und abschließende Urteile. Da aber höchstrichterlich ein solches Risiko als geklärt gilt, ist es sachlich nicht nachvollziehbar, wenn die Vergabestelle sich dennoch auf ein solches „Risiko” berufen und nur neue Lizenzen beschaffen will. Der Grund – keine gebrauchte Lizenz wegen potentieller Regressansprüche des Herstellers – liegt so nicht mehr vor „und kann deshalb auch nicht als Rechtfertigung (…) herangezogen werden” (VK Münster, a.a.O., Tz. 117 nach juris).

Die VK Münster betont, dass Gebrauchtlizenzen keine vom Original abweichenden Lizenzen, sondern von der Neufassung nicht zu unterscheiden sind. Enthält die Neufassung das Downgrade-Recht, dann ermöglicht auch die gebrauchte Software die Anbindung an bereits vorhandene Produktlinien (VK Münster, a.a.O., Tz. 119 nach juris).

Auch das von der Beschaffungsstelle ins Feld geführte rechtliche Risiko, dass die Firma Microsoft bei einem Audit die Rechtmäßigkeit der Nutzung der Lizenzen bestreiten und einen Nachweis der Erschöpfung fordern könnte, verwirft die VK Münster (a.a.O., Tz. 124 nach juris). Es könne nicht dargelegt werden, dass „mit einer erfolgreichen Inanspruchnahme durch die Firma Microsoft zu rechnen ist” (VK Münster, a.a.O., Tz. 125 nach juris). Für die Beschaffungsstelle reiche es vielmehr aus, wenn sie über eine Freistellungsvereinbarung mit dem (Gebraucht-)Softwarehändler sicherstellt, dass der ursprüngliche Lizenznehmer seine Kopie des Computerprogramms zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs unbrauchbar gemacht hat (VK Münster, a.a.O., Tz. 128 nach juris). Da „im Ergebnis das Risiko einer Inanspruchnahme durch Microsoft praktisch nicht besteht, ist auch die vom Antragsgegner (…) vorgetragene Sorge, er trage im Falle einer Freistellungsregel das Insolvenzrisiko des Bieters, nicht nachvollziehbar” (VK Münster, a.a.O., Tz. 128 nach juris).

Wirtschaftliche Bedeutung der VK-Entscheidung

Mit einem dreistelligen Millionen-Betrag schlägt die Beschaffung von Standard-Software für öffentliche Auftraggeber jährlich zu Buche. Umso bedeutender ist für Behörden und Co. die Entscheidung der Vergabekammer. Durch die Anschaffung von Gebraucht-Software lassen sich erhebliche Einsparungen erzielen. Gängige Computerprogramme wie zum Beispiel Microsoft Office-Anwendungen werden auf dem Gebrauchtsoftware-Markt zwischen 30 und 50 % unter dem Neupreis angeboten. Für die unter Dauer-Sparzwang leidenden öffentlichen Auftraggeber ist die günstige Beschaffung ein Muss und damit auch der Blick auf den Gebrauchtmarkt. Sich von Software-Herstellern einschüchtern zu lassen oder ihre Praktiken nicht zu hinterfragen, kann sich die öffentliche Hand nicht mehr leisten.

 

Roland Kreitz

Rechtsanwalt, Kanzlei Büsing, Müffelmann & Theye, Frankfurt am Main
 

Dr. Claudia Nottbusch

Rechtsanwältin, Kanzlei Büsing, Müffelmann & Theye, Bremen
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