04.03.2019

Weitere Geschlechtskategorie gesetzlich verankert

Die Angabe „divers“ im Geburtenregister

Weitere Geschlechtskategorie gesetzlich verankert

Die Angabe „divers“ im Geburtenregister

Trotz neuer Geschlechtskategorie müssen Diskriminierungen im Alltag durch zunehmende Akzeptanz in der Bevölkerung abnehmen. | © M.Dörr & M.Frommherz - stock.ad
Trotz neuer Geschlechtskategorie müssen Diskriminierungen im Alltag durch zunehmende Akzeptanz in der Bevölkerung abnehmen. | © M.Dörr & M.Frommherz - stock.ad

Mit dem „Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben vom 18.12.2018 (BGBl I S. 2635)“ schafft der Gesetzgeber die vom BVerfG geforderte positive Geschlechtsbezeichnung für intersexuelle Menschen.

Hintergrund und Historie

Wird in Deutschland ein Kind geboren, ist sein Geschlecht nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 Personenstandsgesetz (PStG) im Geburtenregister festzuhalten. Sind die äußeren Geschlechtsmerkmale des Kindes nicht eindeutig männlich oder eindeutig weiblich, spricht man von einem intersexuellen Kind oder von einem Kind mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung. Nach der auf der Konsensuskonferenz in Chicago festgelegten Terminologie liegt eine Variante der Geschlechtsentwicklung vor, wenn die Geschlechtschromosomen, das Genitale oder die Gonaden inkongruent sind. In diesen Fällen konnte die Geburt des Kindes bereits nach § 22 Abs. 3 PStG a.F. ohne eine Geschlechtsangabe beurkundet werden. Die Regelung wurde auf Empfehlung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 2013 geschaffen, um sich den Problemstellungen des deutschen Ethikrates zum Thema „Intersexualität“ anzunehmen.

Im Juli 2014 beantragte eine erwachsene intersexuelle Person unter Bezugnahme auf § 22 Abs. 3 PStG a.F. die Änderung ihres Geschlechtseintrags im Geburtenregister auf „inter/divers“ oder „divers“. Sie trug vor, mit einem atypischen Chromosomensatz (sog. Turner-Syndrom) geboren und zunächst als Mädchen im Geburtenregister eingetragen worden zu sein. Tatsächlich fühle sie sich aber dauerhaft weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig. Da der begehrte Eintrag in § 22 Abs. 3 PStG nicht vorgesehen war, lehnten nach dem AG Hannover auch das OLG Celle und der BGH den Antrag ab. Das schließlich angerufene BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 10.10.2017 (I BvR 2019.16) die Unvereinbarkeit von § 21 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 22 Abs. 3 PStG mit dem Grundgesetz festgestellt. Bestünde eine Pflicht zur Beurkundung des Geschlechts im Geburtenregister, würde das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Betroffenen verletzt und gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG) verstoßen, wenn für Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung kein anderer positiver Geschlechtseintrag neben „weiblich“ oder „männlich“ zugelassen werde. Die in § 22 Abs. 3 PStG vorgesehene Registrierung ohne Geschlechtseintrag würde nicht abbilden, dass sich Betroffene nicht als geschlechtslos begreifen, sondern sich nach eigenem Empfinden in einer Geschlechtskategorie jenseits von männlich und weiblich verorten würden. Es müsse ein positiver Geschlechtseintrag geschaffen werden, da sonst der Eindruck entstehen könne, dass der Geschlechtseintrag nur noch nicht geklärt sei. Alternativ sei aber auch denkbar, auf einen personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag gänzlich zu verzichten.


Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, bis zum 31.12.2018 eine verfassungsgemäße Regelung herbeizuführen.

Verzicht auf einen Geschlechtseintrag im Personenstandsregister?

Bei der Umsetzung der Vorgaben aus der Entscheidung des BVerfG musste der Gesetzgeber beachten, dass den Personenstandsregistern nach § 54 PStG als einzigen personenbezogenen Registern in Deutschland Beweiskraft zukommt. Da sie als erste staatliche Register von der Geburt, der Heirat und dem Tod eines in Deutschland lebenden Menschen erfahren, gibt es vielfältige Mitteilungspflichten an andere Behörden und Gerichte, die weiteres Verwaltungshandeln beeinflussen. Der Gesetzgeber hat sich daher entschieden, auf einen Geschlechtseintrag im Geburtenregister nicht zu verzichten. Dieser legt für jede in Deutschland geborene Person faktisch das im Rechtsverkehr maßgebliche rechtliche Geschlecht fest. Für die Durchsetzung von Rechten und Pflichten, die an das Geschlecht geknüpft werden (z.B. beim Eherecht, der – derzeit ausgesetzten – Wehrpflicht, dem Abstammungsrecht, bei internationalen Regelungen und für die Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetze) muss daher ein valider Geschlechtseintrag erhalten bleiben.

Positiver Geschlechtseintrag für intersexuelle Menschen

Durch das neue Gesetz wird in § 22 Abs. 3 PStG der vom BVerfG geforderte positive Geschlechtseintrag geschaffen. Er lautet „divers“ und soll als Sammelbegriff möglichst vielen Betroffenen die Möglichkeit der Identifikation geben.

Darüber hinaus eröffnet § 45b PStG die Möglichkeit für Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung, ihren Geschlechtseintrag und – soweit gewünscht – die Vornamen durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt ändern zu lassen. Dieses „vereinfachte Verfahren“ wird in enger Umsetzung der Entscheidung des BVerfG auf Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung im Sinne der Definition der Konsensuskonferenz beschränkt. Dazu sieht § 45b Abs. 3 Satz 1 PStG die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung als Nachweis der Variante der Geschlechtsentwicklung vor. Diese muss weder aktuell sein, noch eine genaue Diagnose enthalten. Aus ihr muss lediglich hervorgehen, dass aus medizinischer Sicht eine Variante der Geschlechtswicklung gegeben ist. Die Pflicht zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung wird nach § 45b Abs. 3 Satz 2 PStG nur in zwei konkreten Ausnahmefällen durch die Möglichkeit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ersetzt. In beiden Fällen muss die Variante der Geschlechtsentwicklung medizinisch behandelt worden sein, worüber keine ärztliche Bescheinigung mehr vorliegt. Wenn die Behandlung im ersten Fall im Ergebnis bewirkt hat, dass die Variante der Geschlechtsentwicklung medizinisch nicht mehr nachweisbar ist oder im zweiten Fall so traumatisierend war, dass eine erneute Untersuchung nicht zumutbar ist, kann gegenüber dem Standesamt hierüber eine eidesstattliche Versicherung abgegeben werden.

Wurde nachgewiesen, dass die betroffene Person intersexuell ist, kann sie den Geschlechtseintrag im Geburtenregister ändern lassen, wobei sie zwischen den Eintragungsmöglichkeiten „männlich“, „weiblich“, „divers“ und ohne Eintrag wählen kann. Zusätzlich zum Geschlechtswechsel können auch die Vornamen neu bestimmt werden. Eine Änderung der Vornamen ohne vorherige Änderung des Geschlechts ist nicht möglich.

Aufgrund des engen Anwendungsbereichs von § 45b PStG, können transsexuelle Menschen von der Erklärungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen. Für sie gilt weiter das Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz – TSG).

Die Erklärung kann nach § 45b Abs. 1 Satz 1 PStG von volljährigen Deutschen im Sinne des Grundgesetzes und von Ausländern, deren Geburt in einem deutschen Geburtenregister beurkundet ist, abgegeben werden. Liegt kein deutscher Personenstandseintrag vor, gilt § 45b Abs. 1 Satz 2 PStG für deutsche Staatsbürger und für heimatlose Ausländer, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt, und für Asylberechtigte und ausländische Flüchtlinge, wenn sie ihren Wohnsitz im Inland haben. § 45b PStG gilt darüber hinaus für alle Ausländer, deren Heimatrecht keine vergleichbare Regelung kennt und die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis, oder eine Blaue Karte EU besitzen.

Die gemachten Ausführungen sind auf die Erklärungen zu den Vornamen zu übertragen.

Wollen Minderjährige eine Geschlechtsänderung beantragen, ist nach § 45b Abs. 2 PStG ihr Alter für das zu wählende Verfahren entscheidend. Bei Kindern unter vierzehn Jahren kann nur der gesetzliche Vertreter des Kindes die Erklärung abgeben. Nach Vollendung des 14. Lebensjahres und bis zur Volljährigkeit, kann das Kind die Erklärung nur selbst und mit Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter abgeben. Fehlt diese Zustimmung, kann sie durch das zuständige Familiengericht ersetzt werden, wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht. Das Gericht wird von Amts wegen tätig, nachdem es einen Hinweis bekommen hat, dass ein Verfahren erforderlich ist.

Für die Entgegennahme der Erklärung ist das Standesamt zuständig, das das Geburtenregister für die betroffene Person führt. Gibt es keinen entsprechenden Eintrag, ist das Standesamt zuständig, das das Eheregister oder Lebenspartnerschaftsregister der Person führt. Ist auch dies nicht vorhanden, ist das Standesamt, in dessen Zuständigkeitsbereich die Person ihren Wohnsitz hat oder zuletzt hatte oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ergibt sich danach keine Zuständigkeit ist das Standesamt I in Berlin zuständig.

Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)

Fehlt in den Fällen des § 45b Abs. 2 Satz 3 PStG die erforderliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, so hat das Standesamt dies dem Familiengericht nach der erweiterten Regelung von § 168a Abs. 1 FamFG mitzuteilen. Das Familiengericht kann dann von Amts wegen ein Verfahren nach § 45b PStG einleiten. Dem betroffenen Kind soll erspart werden, selbst einen Antrag beim Familienrecht gegen seine Eltern stellen zu müssen.

Fazit

Mit dem genannten Gesetz hat sich der Gesetzgeber im Wesentlichen darauf beschränkt, die vom BVerfG beanstandeten Regelungen des PStG anzupassen. Inwieweit darüber hinaus Änderungen im materiellen Recht – z.B. im organisierten Sport oder im Abstammungsrecht – zu erfolgen haben, wird zu prüfen sein.

Eine generelle Notwendigkeit, in Gesetzestexten den Gebrauch des generischen Maskulinums auszuschließen, besteht aus rechtlichen und auch pragmatischen Gründen nicht. Analog zu der Entscheidung des BGH vom 13.3.2018 (VI ZR 143.17) zur Frage, ob ein Anspruch auf eine geschlechtergerechte Sprache in AGB und Formularen besteht, ist auch bei Gesetzestexten davon auszugehen, dass nach dem allgemein üblichen Sprachgebrauch und Sprachverständnis der Bedeutungsgehalt einer grammatisch männlichen Personenbezeichnung jedes natürliche Geschlecht umfasst.

Die Schwierigkeiten, denen intersexuelle Menschen im Alltag begegnen, können durch eine Änderung des Geburtseintrags im Personenstandsregister sicher nicht beseitigt werden. Daher bleibt zu hoffen, dass neben der erfolgten Anpassung des Registerrechts die zu Recht beklagten Diskriminierungen im Alltag mit zunehmender Akzeptanz in der Bevölkerung abnehmen werden.

 

Uta Berndt-Benecke

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

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