18.03.2019

Mehr Vermeidung, Wiederverwendung und Recycling

Kommunale Wertstoffsammlung 4.0

Mehr Vermeidung, Wiederverwendung und Recycling

Kommunale Wertstoffsammlung 4.0

Die DUH untersuchte 43 Wertstoffhöfe in den Bundesländern Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg. | © Astrid Gast - stock.adobe.com
Die DUH untersuchte 43 Wertstoffhöfe in den Bundesländern Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg. | © Astrid Gast - stock.adobe.com

Die kommunale Abfallwirtschaft hat den ersten Zugriff auf ausgediente Produkte und Materialien und damit auf die Ressourcen der Zukunft. Die Kommunen haben bei der Umsetzung der EU-Vorgaben eine zentrale, wenn nicht sogar die wichtigste Schlüsselstellung inne. Zudem sind kommunale Wertstoffhöfe, abgesehen von wenigen Rücknahmeverpflichtungen des Handels, die einzige zentrale Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger zur Wertstoffrückgabe. Damit dieses Angebot auch in Anspruch genommen wird, muss die Rückgabe unkompliziert, verbrauchernah und korrekt durchgeführt werden. Die Erreichung der politischen Anliegen, Abfälle zu vermeiden, die Wiederverwendung von Produkten zu fördern, das Recycling von Siedlungsabfällen voranzubringen und die gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen, wird ohne eine exzellente kommunale Wertstofferfassung nicht möglich sein.

Testbesuche offenbaren Probleme

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) beschäftigt sich inzwischen seit mehr als zehn Jahren mit der kommunalen Wertstofferfassung und führt in regelmäßigen Intervallen Testbesuche zur Sammelpraxis und Serviceorientierung durch. Aktuelle DUH-Testbesuche ergaben, dass es Verbraucherinnen und Verbrauchern schwergemacht wird, Wertstoffe ordnungsgemäß zu entsorgen. Dies ergab eine Untersuchung von insgesamt 43 Wertstoffhöfen in den Bundesländern Thüringen, Bayern und Baden-Württemberg. Gravierendste Probleme waren unregelmäßige und arbeitnehmerunfreundliche Öffnungszeiten, eine eingeschränkte Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, fehlende oder kaum erkennbare Informationsschilder, die mangelhafte Schulung von Mitarbeitern, eingeschränkte Abgabemöglichkeiten für gefährliche Abfälle sowie fehlende Möglichkeiten, funktionstaugliche Produkte einer Wiederverwendung zuzuführen.

Eingeschränkte Erreichbarkeit

Verbraucher haben zur ordnungsgemäßen Entsorgung von Elektroaltgeräten, Schadstoffen, Sperrmüll, Altholz oder Altfarben zumeist keine andere Möglichkeit, als den kommunalen Wertstoffhof aufzusuchen. Deshalb sind arbeitnehmerfreundliche Öffnungszeiten und eine gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln ein Muss. Allerdings gibt es bei vielen Wertstoffhöfen Probleme mit Öffnungszeiten am Wochenende oder unter der Woche nach der üblichen Arbeitszeit. Als Konsequenz fangen Bürger an ihre Abfälle „kreativ“ zu entsorgen – mit negativen Folgen für die Umwelt. Wertstoffhöfe sollten samstags und unter der Woche mindestens einmal ab acht Uhr und an einem weiteren Tag bis achtzehn Uhr abends geöffnet haben.


Ausbaufähige Beschilderung

Zur Orientierung, welcher Abfall wohin gehört, sind Lagepläne im Eingangsbereich und eine eindeutige Kennzeichnung von Sammelbehältern notwendig. Was sich wie eine Selbstverständlichkeit anhört, ist keine. Bei mehr als der Hälfte der von der DUH untersuchten Wertstoffhöfe fehlten ein Lageplan im Eingangsbereich oder Hinweisschilder an Sammelbehältern. Insbesondere die Kennzeichnung von Schadstoffannahmestellen oder einem Wiederverwendungsbereich waren ausgesprochen verbesserungsbedürftig.

Besonders problematische Schadstoffsammlung

In über 35 Prozent der untersuchten Kommunen standen den Bürgern keine stationären oder regelmäßig geöffneten Sammelstellen zur Entsorgung von Schadstoffen zur Verfügung. Zumeist wurden nur mobile Sammelfahrzeuge eingesetzt oder eine Abgabe von Schadstoffen war nur an wenigen Tagen im Jahr möglich. Bürger werden so mit ihren Schadstoffen allein gelassen und fangen an, diese unsachgemäß und umweltschädigend zu entsorgen. Bürger müssen in zumutbarer Entfernung regelmäßig eine Möglichkeit erhalten, Schadstoffe ordnungsgemäß zu entsorgen.

Für die Entsorgung schadstoffhaltiger Abfälle gelten besondere Vorgaben wie die Annahme durch geschulte Personen, eine strikte Getrennthaltungspflicht und sichere Lagerung. Herkömmliche Entsorgungswege über den Restabfall, gelben Sack oder die Sperrmüllsammlung sind verboten. Schadstoffbelastete Abfälle stellen aufgrund ihrer giftigen, wassergefährdenden oder ätzenden Eigenschaften eine besondere Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Wenn Wertstoffhofmitarbeiter auf Nachfrage antworten, dass beispielsweise schadstoffhaltige Bauschaumdosen im gelben Sack, Restmüll oder auch dem Metallschrott entsorgt werden können, dann führt dies dazu, dass Verbraucher im schlechtesten Fall Schadstoffe immer falsch entsorgen. Fehlinformationen müssen deshalb durch regelmäßige Mitarbeiterschulungen und eine Qualitätssicherung unbedingt vermieden werden.

Wo bleibt die Vermeidung und Wiederverwendung?

Auch wird noch immer viel zu wenig Wert auf die konsequente Umsetzung der fünfstufigen Abfallhierarchie gelegt. An erster Stelle steht die Abfallvermeidung, gefolgt von der Wiederverwendung. Durch abfallberatende Tätigkeiten können Bürger über Strategien und Maßnahmen zur Abfallvermeidung informiert und im Wiederverwendungsbereich durch das Angebot gebrauchter Geräte zur erneuten Nutzung funktionstüchtiger Produkte angeregt werden. Eine Tauschbörse oder einen Wiederverwendungsbereich gab es jedoch nur bei rund dreißig Prozent der von der DUH untersuchten Wertstoffhöfe. Abfallberatende Tätigkeiten fanden praktisch nicht statt. Hier besteht noch viel Luft nach oben.

Zukunftsausrichtung der kommunalen Abfallwirtschaft

Bei der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft haben Kommunalpolitiker, neben der Verwirklichung der Ziele zum Ressourcenschutz und der Steigerung vermeidungsorientierten Handelns (z.B. Motivierung zu mehr „Re-Use“), einer Vielzahl gesellschaftlicher Anforderungen gerecht zu werden. Die Kosten der kommunalen Abfallwirtschaft sollen optimiert, abfallwirtschaftliche Maßnahmen transparent abgewickelt, kommunale Leistungen bürgerfreundlich und serviceorientiert umgesetzt, die Öffentlichkeit informiert und kommunale Arbeitsplätze gesichert werden. Doch diese Ziele lassen sich nur erreichen, wenn die kommunale Wertstofferfassung gut funktioniert und weiterentwickelt wird.

Das erste und entscheidende Glied in der abfallwirtschaftlichen Kette ist der Wertstoffhof. Produkte werden produziert, konsumiert und irgendwann bleiben sie ganz oder teilweise zurück. Die möglichst komplette Rückkehr dieser Altprodukte und der darin enthaltenen Ressourcen in die Kreislaufwirtschaft muss oberstes Ziel der Gesellschaft sein. Um das Wertschöpfungs-, Ressourcen- und Klimaschutzpotential voll auszuschöpfen, bedarf es neuer Denkansätze. Aber die Antwort auf die Frage, was man sammelt, wie man das tut und wie diese Ressourcen wiederverwertet werden, ist weitgehend unklar. Das führt dazu, dass das Recycling des Öfteren nicht ernst genommen wird. Wenn eine Sammelstelle gut funktioniert, inklusive der Beratung zur Abfallvermeidung, besuchen mehr Bürger dieses Zentrum als irgendeine andere Institution in der Gemeinde oder Region. Denn damit ist jeder konfrontiert. Es gibt also viele Gründe einem Wertstoffhof den Stellenwert zu geben den er braucht. Eine Orientierung wie dies gelingen kann bietet nach Einschätzung der DUH das neue RAL Gütezeichen 950 für eine bestmögliche und bürgerfreundliche Wertstofferfassung.

Das RAL Gütezeichen 950 als Best-Practice-Ansatz

Mit dem RAL Gütezeichen 950 sollen durch Bürgernähe, Serviceorientierung und eine saubere Abwicklung, neue Impulse in den wichtigen Bereich der kommunalen Rückführung von Ressourcen gebracht werden. Neben einer besonders bürgerfreundlichen Erfassung von Produkten und Wertstoffen, spielt auch die Abfallvermeidungsberatung eine zentrale Rolle. Durch abfallberatende Tätigkeiten können Bürgerinnen und Bürger über Strategien und Maßnahmen zur Abfallvermeidung informiert sowie im Wiederverwendungsbereich zur erneuten Nutzung funktionstüchtiger Produkte angeregt werden. Die Beratung soll nicht nur die Bürger ansprechen, die Wertstoffe und Produkte zurückbringen, sondern alle Menschen im Einzugsbereich des Wertstoffzentrums zur Nutzung von nachhaltigen, abfallarmen Produkten anregen.

Der Anteil der zurückgegebenen Wertstoffe und Produkte, die zur Wiederverwendung gehen bzw. der Rückführung in den Stoffkreislauf zugeführt werden, wird mittels der in der RAL-Gütesicherung niedergelegten „Produkt-Potential“-Methode transparent gemacht. Das auf die einzelnen zurückgegebenen Produkte bezogene „Produkt-Potential“ dient den Bürgern als Orientierungshilfe wie wertvoll das Sammelgut für die Kreislaufwirtschaft tatsächlich ist und zu welchem Anteil dieses stofflich genutzt wird. Der Beitrag des Bürgers zur Nachhaltigkeit wird damit dokumentiert.

Alle Maßnahmen zur Rückführung der angenommenen Produkte und Wertstoffe in den Stoffkreislauf werden im Rahmen des RAL-Gütezeichen 950 mit entsprechend zielführenden Anforderungen begleitet: beginnend mit deren Annahme, über die sichere Lagerung, die Weiterführung zur Wiederverwendung oder zur stofflichen bzw. sonstigen Verwertung. Die Kriterien des neuen Gütezeichens entsprechen in weiten Teilen den Forderungen, welche die DUH seit Jahren an die Kommunen stellt.
Die Orientierung an einem Best Case der Wertstofferfassung ist wichtig und angebracht. Wertstoffhöfe brauchen mehr Serviceorientierung und sollten sich vor allem an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orientieren. Deshalb sollten Kommunen ihr Konzept der Wertstofferfassung überprüfen lassen und auf ein exzellentes Niveau anheben. Nur so werden Sie Ihrer Verantwortung für den Klima- und Ressourcenschutz in vollem Umfang gerecht.

 

Thomas Fischer

Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft
Deutsche Umwelthilfe e.V.

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