10.07.2013

Wegweiser für nachhaltige Beschaffung

Kompetenzstelle gibt Durchblick bei komplizierten Vergabeverfahren

Wegweiser für nachhaltige Beschaffung

Kompetenzstelle gibt Durchblick bei komplizierten Vergabeverfahren

Neue Onlineplattform bringt Licht in den \"Nachhaltigkeits-Dschungel\". | © apfelweile - Fotolia
Neue Onlineplattform bringt Licht in den \"Nachhaltigkeits-Dschungel\". | © apfelweile - Fotolia

Nachhaltigkeit – ein facettenreiches Thema. Umweltschutz, Energiewende, nachhaltiges wirtschaftliches Arbeiten, aber auch die Bedingungen, unter denen Kleidung oder Lebensmittel entstehen, rücken immer weiter ins öffentliche Interesse. Und damit ist die Liste längst noch nicht erschöpft.

Zur Vielfalt des Themas kommt auch noch eine Vielzahl der Akteure: Behörden, Privat­ver­braucher, Regierungs- und Nicht­regierungs­organi­sationen, politische Parteien und die Industrie mit ihren Zulieferern. Bei diesem komplexen Feld sieht etwa ein kommunaler Beschaffer, der ein nachhaltiges Produkt für seine Stadt einkaufen möchte, vielleicht oft den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr – zumal er sich auch noch mit den Tücken des Vergaberechts konfrontiert sieht.

Im nächsten Jahr soll es die ersten standardisierten Vergabeformulare geben.

Hinzu kommt, dass die personelle Situation der Kommunen es dem zuständigen Mitarbeiter oftmals nicht erlaubt, sich eingehend mit dem Thema zu beschäftigen. Die Folge: Er muss sich seine Informationen – meist unter Zeitdruck – irgendwie im Internet zusammen suchen. Qualitätssicherung sieht anders aus.


Hilfe für Vergabeverfahren im „Nachhaltigkeits-Dschungel“

Dringend nötig ist also eine Gesamtschau auf Perspektiven, Handlungsalternativen, Zielkonflikte und Erfolgschancen. Leider fehlt sie derzeit zumindest auf behördlicher Ebene noch. Bei hierzulande etwa 30.000 Vergabestellen auch kein leichtes Unterfangen. Dementsprechend moniert auch der Rat für nachhaltige Entwicklung, dass einzelne Maßnahmen nur begrenztes Potential hätten. Damit Nachhaltigkeit kein ehrgeiziges, aber diffuses Ziel auf Bundesebene bleibt, hat das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern die Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung eingerichtet.

Grundlage hierfür sind die nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung und der Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 5. Dezember 2011. Ziel und Zweck der Expertenstelle ist die gezielte Information, Schulung und Aufklärung der Vergabestellen von Bund, Ländern und Kommunen bezüglich einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung.

Dass dieser übergreifende Ansatz ein längst fälliges Angebot ist, zeigt auch die jüngste Ernennung der Kompetenzstelle zum „Leuchtturmprojekt der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie“ durch den Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung. Dieser würdigte mit der Ernennung insbesondere die Ebenen übergreifende Zusammenarbeit, die hierzulande bisher einmalig ist. Denn Bund, Länder und Kommunen sind gleichermaßen beteiligt.

Online-Plattform soll Ordnung in Vergabesituation bringen

Herzstück der Kompetenzstelle ist eine gemeinsame, webbasierte Informationsplattform, die am 13. Mai von Bundeskanzlerin Angela Merkel freigeschaltet wurde (erreichbar unter www.nachhaltige-beschaffung.info). Sie schafft ein Forum für die beteiligten Stellen, dessen Inhalt einen Informationsaustausch über die Grenzen der örtlichen Zuständigkeit von Ländern und Kommunen hinweg ermöglicht. Dieses Forum steht allerdings nicht nur für Bund, Länder und Kommunen bereit, sondern bezieht auch die Interessen und das Fachwissen von Nichtregierungsorganisationen und der Industrie mit ein, um ein Expertennetzwerk für nachhaltige Beschaffung zu schaffen. Durch den ständigen Informationsaustausch und die daraus entstehenden Diskussionen soll das Thema lebendig gehalten und stetig weiterentwickelt werden. Am Montag, 13. Mai 2013, gab Bundeskanzlerin Angela Merkel den Startschuss für die Plattform, die ab sofort jedem Hilfesuchenden und -gebenden zur Verfügung steht. Ergänzend hierzu stehen die Fachleute der Kompetenzstelle per Hotline und E-Mail mit Rat und Tat zur Seite und bieten so einen Wegweiser im Beschaffungs-Dickicht.

Konkrete Handlungshilfen für den nachhaltigen öffentlichen Einkauf

Die Besonderheit der Webplattform: Sie soll nicht nur allen Verwaltungsebenen zur Verfügung stehen, sondern wird auch mit allen gemeinsam erarbeitet. Mit diesem übergreifenden Ansatz sollen alle Beschaffer von Bund, Ländern und Kommunen nicht nur allgemeine Informationen, sondern auch ganz konkrete Handlungshilfen wie Leitfäden, Textbausteine und Best-Practice Beispiele für den nachhaltigen öffentlichen Einkauf finden und nutzen. Die Plattform ergänzt sich also optimal mit der entsprechenden Website des Kompasses Nachhaltigkeit. Diese stellt die Labels in den Vordergrund, identifiziert die Kriterien, die sie ausmachen und macht sie vergleichbar; die Kompetenzstelle hält Praxishilfen und rechtliche Grundlagen bereit.

Wie funktioniert die Plattform?

Vertreter des Bundes und der 16 Bundesländer können Informationen auf die Plattform stellen. Der kommunale Beschaffer schickt seine Dokumente wiederum an die auf der Plattform angegebenen jeweiligen Landesvertreter. Der Beschaffer auf Bundesebene schickt seine Dokumente an die Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung beim Beschaffungsamt des BMI. Diese laden die Neuigkeiten im Anschluss an eine kurze Prüfung hoch. Perspektivisch soll es zudem ein geschlossenes Diskussionsforum geben, in dem sich ausschließlich Beschaffende austauschen können. Diese stehen vor ganz spezifischen Herausforderungen und Problemen. Die Möglichkeit, sich hier gezielt mit Kollegen auszutauschen, ist sicherlich ein guter Weg, um schnellstmöglich zu einer jeweils individuellen, adäquaten Lösung zu kommen.

Leitfäden zur öffentlichen Beschaffung standardisieren

Die Gefahr der jetzigen Vergabesituation: Politische Ziele und unternehmerische Investitionsstrategien finden keine gemeinsame Grundlage. Das Problem besteht aber nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene. Auch der Kompromisstext des „Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe“ vom November 2012 hilft bei der Entwicklung konkreter Lösungen nicht viel weiter. Denn dieser überlässt es der sektorspezifischen Rechtsprechung, verbindliche Ziele gemäß der jeweiligen Politik zu definieren.

Ergo: Auch die Europäische Union schafft keine allgemeinverbindlichen Vorgaben dafür, Aspekte der Nachhaltigkeit im öffentlichen Einkauf durchzusetzen.

Weiteres Ziel ist daher, die Leitlinien für die nachhaltige öffentliche Beschaffung zu standardisieren. Auch hier blickt man auf eine unüberschaubare Vielzahl verschiedenster Empfehlungen. Dabei sollen nicht etwa bestehende Regelungen über Bord geworfen werden. Es geht vielmehr um deren Verzahnung, um so Lücken zu schließen und Licht in den „Nachhaltigkeits- Dschungel“ zu bringen. Zum einen stellen wir zu diesem Zweck gemeinsam mit Kommunen und Ländern Überlegungen zu den Standardkriterien der öffentlichen Beschaffung an. Auf der anderen Seite erarbeiten wir zusammen mit der Wirtschaft einen entsprechenden Anforderungskatalog, um so die „Messlatten“ der öffentlichen Hand und der freien Wirtschaft in Einklang zu bringen. Nur so kann eine Lösung für die Standardisierung gefunden werden, mit der beide Seiten zufrieden sind.

Beschaffungsamt macht sich für Standardisierung stark

Mit der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung macht das Beschaffungsamt einen weiteren Schritt in Richtung Standardisierung der öffentlichen Vergabe. Das gleiche Ziel verfolgt auch das Projekt XVergabe, die einen plattformübergreifenden Standard für den Austausch von Dokumenten zwischen Bietern und elektronischen Vergabeplattformen schafft. Sprich: Unternehmen, die sich an einer öffentlichen Vergabe beteiligen wollen, benötigen nur noch einen Bieterclient, um auf die unterschiedlichen eVergabe-Plattformen zugreifen zu können. Diese sind nämlich nicht interoperabel. Hieß bisher für den Bieter: Der Aufwand stieg ins Unermessliche, weil dieser mit unterschiedlichen Systemen arbeiten musste, um seine Produkte oder Dienstleistungen mehreren Vergabestellen anbieten zu können. EU-weit spricht man von etwa 300 verschiedenen Bieteranwendungen. Das kann bald Vergangenheit sein, wenn XVergabe als verbindlicher Standard eingeführt wird.

Auch die Verbesserung der Vergabeunterlagen ist dann keine Zukunftsmusik mehr, sondern greifbare Realität: Im nächsten Jahr soll es die ersten standardisierten Formulare geben. Diese Standardisierung ist ein weiterer Vorteil für die Vergabestellen, die dadurch Zeit und Geld sparen können.

Umgekehrt ergibt sich ebenfalls ein Vorteil für Unternehmen: Ziel ist, dass Bieter künftig vereinfachte Formulare unmittelbar am PC ausfüllen können und dabei zielführend unterstützt werden.

 

Martin Zeidler

Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern, Ansprechpartner für die Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung, Bonn
n/a