10.07.2013

Sport: Damoklesschwert Beihilfenrecht?

Untersuchungen der EU zu kommunalen Förderungen im Profifußball

Sport: Damoklesschwert Beihilfenrecht?

Untersuchungen der EU zu kommunalen Förderungen im Profifußball

Vorsicht geboten: kommunale Förderungen von Profifußballvereinen auf dem EU-Prüfstand. | © roxcon - Fotolia
Vorsicht geboten: kommunale Förderungen von Profifußballvereinen auf dem EU-Prüfstand. | © roxcon - Fotolia

Der Anteil des Sports am Bruttosozialprodukt der Europäischen Union beträgt stattliche 3 % und liegt damit um 1 % höher als der Anteil der Landwirtschaft. Der Profisport spielt in der EU aber nicht nur als Wirtschaftsfaktor eine herausragende Rolle. Bei sportlichen Großereignissen erreichen Fernsehübertragungen Einschaltquoten von bis zu 55 %, wobei in den meisten europäischen Ländern das Interesse am Profifußball am größten ist. Auch als Arbeitgeber ist der Profisportsektor nicht zu unterschätzen: in der EU sind hier rund 800.000 Menschen beschäftigt.

Die gegenwärtigen Untersuchungen der Kommission fokussieren sich wegen dessen finanzieller Bedeutung auf den Profifußballbereich.

Vielerorts ist insbesondere der Profifußball eng mit der öffentlichen Hand verflochten, z. B. über kommunale Beteiligungen an der Stadieninfrastruktur oder durch öffentliche Förderungen von Fußballvereinen. Dies ist der Hintergrund, warum die Europäische Kommission zuletzt verstärkt Förderungen von Profisportvereinen verschiedener Spielklassen auf ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilfenrecht untersucht. So hat sie bisher Fördermaßnahmen in Spanien, den Niederlanden, Schweden und Dänemark einer Prüfung unterzogen. Oft werden solche beihilfenrechtlichen Prüfungen durch Beschwerden von Konkurrenten oder aus dem politischen Raum angestoßen. Dass die Europäische Kommission vergleichbare Untersuchungen demnächst auch in anderen Mitgliedstaaten vornimmt, erscheint wahrscheinlich, da sie seit Oktober 2012 offiziell staatliche Beihilfen für Profifußballvereine in der EU untersucht. Dazu verlangt die Europäische Kommission von den Mitgliedstaaten Auskünfte über ihre Förderungspraxis.

Als potentiell beihilfenrechtswidrige Maßnahmen nennt die Europäische Kommission beispielhaft die Ausgestaltung von Nutzungsbedingungen für Stadien, die Grundstückspreise bei Immobiliengeschäften, aber auch Finanzhilfen für in Schwierigkeiten geratene Vereine. Ferner spielen Bürgschaften für Vereine, aber auch die öffentliche Förderung von Sportanlagen sowie Sonderbehandlungen von Profisportvereinen bei der Zahlung von Abgaben und der Erbringung von Sozialleistungen eine Rolle.


EU-Beihilfenverbot

Staatliche Beihilfen sind nach dem EU-Recht grundsätzlich verboten (Art.107 Abs.1 AEUV). Gezielte Maßnahmen, die direkt oder indirekt einem Unternehmen einen Vorteil verschaffen, der geeignet ist, den grenzüberschreitenden Wettbewerb zu verzerren, müssen zuvor bei der Europäischen Kommission – der zuständigen Aufsichtsbehörde – angemeldet (Notifizierungspflicht) und von dieser freigegeben werden. Alternativ können diese auch unter einen Freistellungstatbestand fallen, der eine Beihilfengewährung ausnahmsweise ohne ausdrückliche Genehmigung erlaubt.

Überprüfung von Maßnahmen zugunsten von Profifußballvereinen in Deutschland sind absehbar.

Ohne vorherige Freigabe oder Freistellung sind Beihilfen rechtswidrig und dürfen wegen des Durchführungsverbotes nicht gewährt werden (Art.108 Abs.3 S.3 AEUV). Förderungen, die ohne Genehmigung ausgezahlt bzw. gewährt werden, müssen daher grundsätzlich durch den jeweiligen Mitgliedstaat zzgl. Zinsen zurückgefordert werden. Dies gilt auch, wenn eine nachträgliche Betrachtung ergibt, dass diese genehmigungsfähig waren. In einem solchen Fall kann jedoch u. U. von einer Rückforderung abgesehen werden. Allerdings müssen sog. Rechtswidrigkeitszinsen gleichwohl ab Erhalt der Förderung bis zur formellen Freigabe gezahlt werden.

Anwendbarkeit des EU-Beihilfenrechts auf den Profisport

An die zwingenden Vorschriften des EU-Beihilfenrechts sind sowohl die Mitgliedstaaten selbst als auch ihre Untergliederungen und damit auch Kommunen gebunden. Der Sport unterfällt den beihilfenrechtliche Vorschriften allerdings nur, wenn mit ihm eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird, was im Falle des Profisports in aller Regel der Fall ist (EuGH, Urt. v. 12. 12. 1974, Walrave und Koch/Association Union Cycliste Internationale, Rs. 36/74, Slg 1974–1405). In ihrem Schreiben an die Mitgliedstaaten vom Oktober 2012 bekräftigte die Europäische Kommission dies und forderte die Mitgliedstaaten konkret dazu auf, eine Übersicht der Finanzierungssysteme, insbesondere für Profifußballvereine, vorzulegen.

Vor allem im Profifußball geht die Europäische Kommission davon aus, dass staatliche Maßnahmen, die Vereinen einen Vorteil verschaffen, grundsätzlich geeignet sind, den Wettbewerb zu verzerren und den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen. Dies soll sich aus der vielfältigen Tätigkeit der Vereine auf verschiedenen Märkten ergeben, die vor allem bei Merchandising, Kartenverkauf und der Teilnahme an europaweiten Wettbewerben grenzüberschreitend ist.

Daraus folgt, dass die öffentliche Hand bei der Ausgestaltung von Förderungen jeder Art auch im Profisportbereich das EU-Beihilfenrecht beachten muss. In bestimmten Bereichen gibt es dazu detaillierte Vorgaben, so z. B. die sog. Grundstücksmitteilung, die insbesondere Regelungen für den häufig im Rahmen von Stadionneubauprojekten erforderlichen Verkauf von Grundstücken durch die öffentliche Hand enthält, sowie die sog. Bürgschaftsmitteilung, die Kriterien für die Gewährung staatlicher Garantien beinhaltet.

Kooperation von UEFA und Europäischer Kommission zum Financial Fair Play (FFP)

Vor allem Profifußballvereine wurden – nicht nur wenn sie in eine wirtschaftliche Schieflage geraten waren – in der Vergangenheit oft von den Kommunen gefördert. Dies geschah vor allem aufgrund der gesellschaftlichen Bedeutung der Vereine und ihrer Bedeutung für das Ansehen einer Kommune oder einer Region. Die Förderungen erfolgten jedoch häufig zum Missfallen von Konkurrenten, die ohne solche Hilfen operieren müssen.

Am 21. 03. 2012 haben die Europäische Kommission und die UEFA für den Bereich des Profifußballs die „Financial Fair Play“-Regeln (FFP) mittels einer Gemeinsamen Erklärung eingeführt, um ein umsichtigeres Finanzmanagement im Sektor zu erreichen. Dabei wurde die Anwendbarkeit des EU-Beihilfenrechts auf die Förderungen von Profifußballvereinen ausdrücklich betont. Den Vereinen droht somit nicht nur die Rückforderung der erhaltenen Förderung, sondern darüber hinaus auch der sportlich wie finanziell schwerwiegende Ausschluss von den lukrativen und viel beachteten europäischen Wettbewerben. Beispielsweise wurde dem spanischen Erstligaclub FC Málaga die Zulassung zu den UEFA-Klubwettbewerben ab der Saison 2013/2014 bis Mitte 2017 entzogen, u. a. wegen des Bestehens überfälliger Verbindlichkeiten gegenüber Steuerbehörden.

Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission im Profisportbereich – nicht alles ist verboten!

Allerdings erkennt die Europäische Kommission an, dass die meisten Profisportvereine auch Jugend- und Amateurmannschaften unterhalten, und geht davon aus, dass die Förderung dieser Tätigkeiten keine Beihilfe im Sinne des Art.107 Abs.1 AEUV darstellt (Staatliche Subventionen für professionelle Sportklubs (Frankreich), N 118/2000). Das Gleiche gilt für Unterstützungsmaßnahmen in den Bereichen Ausbildung, Förderung des Sportumfeldes und des Freizeitsports sowie der Steigerung der Attraktivität der Kommune (Dienstleistungsverträge zwischen lokalen Gebietskörperschaften und Volleyball- bzw. Basketballvereinen (Niederlande), N555/2004).

Auch hält die Europäische Kommission die Förderung des Sportanlagenbaus, entweder unmittelbar durch Zahlungen oder aber mittelbar durch Steuervergünstigungen o. ä., in speziellen Fällen für zulässig. Dies gilt, wenn Sportanlagen auch für den Breitensport oder sonstige kulturelle Ereignisse, wie etwa Konzerte oder andere gesellschaftliche Zusammenkünfte genutzt werden, die Förderung verhältnismäßig und auf ein Minimum begrenzt ist (Steuervergünstigungen zur Förderung des Sportsektors (Ungarn), Beschl. v. 09. 11. 2011, SA.31722; Multifunktionsanlage Uppsala (Schweden), Beschl. v. 02. 05. 2013, SA.33618; Kofinanzierung der Copenhagen Arena (Dänemark), Beschl. v. 15. 05. 2013, SA.33728).

Aktuell laufende Untersuchungen der Europäischen Kommission gegen Profifußballvereine

Zuletzt wurden Untersuchungen zu Förderungen zugunsten der spanischen Fußballvereine FC Valencia und Real Madrid sowie zugunsten von fünf Profifußballvereinen aus den Niederlanden bekannt. Im Falle des FC Valencia geht es um den Nachlass bei Sozialabgaben, Sozialversicherungs- und Steuerrückständen des hoch verschuldeten spanischen Erstligisten. Real Madrid soll Steuervergünstigungen erhalten haben und es sollen Grundstücke an den Verein vergünstigt verkauft worden sein. Konkret soll der Fußballclub Ende der 1990er Jahre im Gegenzug zum umstrittenen Verkauf seines Trainingsgeländes von kommunaler Seite unter anderem ein Grundstück erhalten und für dieses später im Rahmen eines Tauschgeschäftes mehrere, weitaus hochwertigere Grundstücke erhalten haben.

Im März 2013 gab die Europäische Kommission bekannt, gegen die niederländischen Profifußballvereine NEC Nijmegen, Willem II Tilburg, MVV Maastricht, PSV Eindhoven und den FC Den Bosch Untersuchungen durchzuführen. Beim Erstligisten NEC Nijmegen geht es um eine Forderung in Höhe von 2,2Mio.€ gegen den Club, die von der Gemeinde Nijmegen beglichen wurde. Die Gemeinde Maastricht verzichtete auf eine Forderung von 1,7Mio.€ gegen den Zweitligisten MVV Maastricht und kaufte dessen Stadion für 1,85Mio.€. Hinsichtlich des Erstligisten Willem II Tilburg wurde eine rückwirkende Senkung der Stadionmiete durch die Gemeinde Tilburg bekannt, die ein Volumen von 2,4Mio.€ hatte. Der international bekannte PSV Eindhoven verkaufte der Gemeinde Eindhoven Land für mehr als 48Mio.€, das diese sodann günstig an den Club verpachtete (sog. sale and lease-back). Ferner entlastete die Gemeinde Den Bosch den dort ansässigen Zweitligisten mit einer Forderungsübernahme in Höhe von 1,65Mio.€ und kaufte für diesen ein Trainingsgelände für einen Betrag von 1,4Mio.€, wobei die Europäische Kommission die Marktüblichkeit dieses Vorgangs bezweifelt.

Ausblick – Damoklesschwert Beihilfenrecht?

Die gegenwärtigen Untersuchungen der Europäischen Kommission fokussieren sich wegen dessen finanzieller Bedeutung auf den Profifußballbereich. Dass in absehbarer Zeit auch Maßnahmen zugunsten von Profisportvereinen in Deutschland Gegenstand von Nachprüfungen sein werden, ist daher wahrscheinlich, zumal es sich dabei um eine weitverbreitete Praxis handelt.

Zur Vermeidung negativer Konsequenzen und finanzieller Risiken sowohl für Vereine als auch für Kommunen sollte die Gewährung von direkten oder indirekten Unterstützungsmaßnahmen an Profisportvereine vorab auf ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilfenrecht und ihre mögliche Notifizierungspflicht geprüft werden. Bestehende Förderungen sollten ferner ebenfalls auf ihre Vereinbarkeit geprüft und ggf. beihilfenrechtskonform strukturiert werden.

 

Dr. Gregor Schiffers

Rechtsanwalt bei Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbH
 

Prof. Dr. Robin van der Hout

Rechtsanwalt / Advocaat, Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel
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