10.07.2013

Queen-Bees, Glass Ceiling, Token Woman

Warum sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert?

Queen-Bees, Glass Ceiling, Token Woman

Warum sind Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert?

Führung ist nach wie vor tendenziell Männersache. | © ernsthermann - Fotolia
Führung ist nach wie vor tendenziell Männersache. | © ernsthermann - Fotolia

Die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote in Führungspositionen ist ein allgegenwärtiges Thema, um die Gleichstellung von Männern und Frauen in der Gesellschaft, der Politik und der Wirtschaft voranzutreiben. Der Anteil der erwerbstätigen Frauen ist sogar von 41,6 % (1991) auf knapp 45 % (2006) angestiegen (vgl. Jung, Personalwirtschaft, 2011, S.642). Die Anzahl an Frauen in Führungspositionen ist jedoch trotz Bundes­gleich­stellungs­gesetz und trotz einer Ver­ein­barung der Bundes­regierung mit der Privatwirtschaft zur Chancengleichheit seit Jahren anhaltend niedrig (vgl. Wippermann in BMFSFJ (2011), S.7). Zudem nimmt der Frauenanteil in Führungspositionen mit zunehmender Größe der Unternehmen als auch in höheren Hierarchieebenen ab.

Betrachtet man die Hauptverwaltungsbeamtenstellen in Niedersachsen, so ist statistisch gesehen nicht einmal jede zehnte Stelle mit einer Frau besetzt. An den zur Verfügung stehenden Angeboten für weibliche Fach- und Führungskräfte, Förderansätzen und femininen Karriereunterstützungspotentialen mangelt es nicht, im Gegenteil, wie die folgenden Beispiele andeuten: Basisseminar „Der weibliche Weg zum Erfolg“ (FcF Institut, Berlin), Beratung und Coaching „Coaching für Solo-Unternehmerinnen“ (Bildungsserver Berlin Brandenburg), Projekt „Managerinnen 50plus“ oder das Mentoring-Programm „Fit für Führung“ des niedersächsischen Sozialministeriums.

An mangelnder Transparenz in der Gesellschaft oder an fehlenden Instrumenten zur grundsätzlichen Unterstützung beziehungsweise Förderung des sonst so reizvollen Geschlechts kann es eigentlich nicht liegen, dass Führung tendenziell Männersache ist. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang die Frage, auf welche möglichen Erklärungsansätze die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen zurückzuführen ist.


Führungskraft …

Bevor auf die möglichen Gründe der Unterrepräsentanz eingegangen wird, sollen zunächst sowohl das Begriffsverständnis der Führungskraft und des Führens erläutert, aber auch die Ansprüche, die an eine Führungskraft gestellt werden, dargelegt werden.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend definiert Führungskräfte wie folgt: „Führungskräfte umfassen Personen ab 18 Jahren, die im SOEP (Anm. der Redaktion: es handelt sich um eine jährlich repräsentative Wiederholungsbefragung) angaben, als Angestellte in der Privatwirtschaft in:

  • Funktionen mit umfassenden Führungsaufgaben (z. B. Direktorinnen und Direktoren, Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer oder auch Vorstände größerer Betriebe und Verbände) oder
  • sonstigen Leitungsfunktionen oder hoch qualifizierte Tätigkeiten (z. B. Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter, wissenschaftliche Angestellte, Ingenieurinnen und Ingenieure)

tätig zu sein.

Damit werden unter den Begriff „Führungskräfte“ sowohl Personen in Leitungsfunktionen, als auch hoch qualifizierte Fachkräfte gefasst.“ Eine häufig verwandte und eher unkonventionelle Begriffserläuterung beschreibt eine Führungskraft so: „Eine Führungskraft ist wie ein guter Lotse, der ein Schiff durch verschiedenartige Gewässer bringt. Er gibt nicht nur Richtungshinweise, sondern sorgt auch dafür, dass der Kurs gehalten wird.“ (so Gremmers, Neu als Führungskraft – So werden Sie ein guter Vorgesetzter, 2009, S.12).

… und Führung

Führen bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch jemand den Weg zeigen, ihn geleiten, steuern oder leiten, aber auch handhaben und in bestimmter Weise bewegen. Eine eindeutige Definition von Führung ist in der Literatur jedoch nicht zu finden, da sie vom jeweiligen Kontext abhängig ist und es darauf aufbauend wiederum zahlreiche Theorien und vertiefende Betrachtungen gibt. Somit ist Führung ein Teilbereich des Managements, der sich mit der Einflussnahme auf Personen beschäftigt (vgl. dazu Völker, Managementkonzepte beurteilen und richtig anwenden, 2008, S.115).

Die für die weiteren Ausführungen bedeutsame psychologische Führungsforschung unterscheidet zwischen verschiedenen Führungstheorien, die sich gemeinsam mit der zentralen Frage beschäftigen, wie Führungserfolg erklärt werden kann. Anforderungen, die an eine Führungskraft zum erfolgreichen Führen gestellt werden, sind variabel und umfassend. So wird von einer Führungskraft erwartet, dass sie das Unternehmen repräsentiert und zum wirtschaftlichen Erfolg beiträgt sowie die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen klar führt, d. h. Ziele und Aufgaben formuliert und kontrolliert, ihnen aber auch Rückmeldung zu ihrer Arbeitsleistung gibt und sie motiviert (vgl. etwa Franken, Verhaltensorientierte Führung – Handeln, Lernen und Diversity in Unternehmen, 2010, S.11–17).

Ebenso wollen Führungskräfte auch ihre eigenen Vorstellungen bezüglich ihrer Laufbahn und dem Berufsleben gestalten. Insbesondere soll eine Führungskraft als Kernkompetenzen kommunikative und soziale Fähigkeiten besitzen, ziel- und ergebnisorientiert arbeiten, eine realistische Selbsteinschätzung aufweisen, also seine eigenen Stärken und Schwächen kennen, und über Selbstorganisation wie beispielsweise über effektives Zeit- und Stressmanagement verfügen.

Unterschiedliche Führungsstile

Folgende Eigenschaften werden einer Führungsperson zumeist zugesprochen: Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, Entschlossenheit, Durchsetzungsvermögen und Durchsetzungswille sowie Intelligenz, Integrität und Vertrauenswürdigkeit. Aber auch Aufgeschlossenheit und Interesse an guten sozialen Bindungen.

Schon vor Jahren wurde festgestellt, dass sich Frauen und Männer in ihren Führungsstilen nicht gravierend unterscheiden und die Effektivität der Führung nicht abhängig vom Geschlecht ist. So fand man heraus, dass in Einklang mit dem Stereotyp Frauen dazu tendieren, demokratischer bzw. kooperativer zu leiten. Frauen waren bei Aufgaben, die interpersonale Fähigkeiten erfordern, eher bessere Führungspersonen. Männer waren eher bessere Führungspersonen bei Aufgaben, die erforderten, Personen zu dirigieren und zu kontrollieren. Allerdings waren keine gravierenden Unterschiede festzustellen. Zudem können Frauen auch einen „männlichen“ Führungsstil an den Tag legen. Ebenso können Männer auch sehr gute interpersonelle Fähigkeiten besitzen (vgl. etwa Völker, a. a. O., S.121 f.).

Dies wird vor allem auch durch die Gleichheitstheorie unterstützt. Der Hauptgedanke der Gleichheitstheorie liegt darin begründet, dass Frauen den Männern in allen Belangen gleichwertig sind und sich in ihren Denk- und Verhaltensmustern, Einstellungen, Eigenschaften sowie in ihren Kompetenzen und in ihrer Motivation nicht unterscheiden (vgl. Neuberger, Führen und führen lassen 2002, S.771 ff.). Im Hinblick auf den Stil der Führung von Männern und Frauen konnte durch mehrere Studien gezeigt werden, dass sich beide Geschlechter nicht unterscheiden. Hervorzuheben ist insbesondere, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass Frauen häufiger über die sogenannten Soft-Skills verfügen als Männer.

Im Folgenden werden Erklärungsansätze präsentiert, die eine Unterrepräsentanz von Frauen begründen könnten.

Denken in Stereotypen – „Weibliche“ und „männliche“ Führung

Stereotypisches Denken in Bezug auf den Führungsstil ist nicht selten. Auf der Grundlage der Führungsstilforschung, die ebenfalls auf den Führungstheorien fußt, werden vermeintlich geschlechterspezifische Führungseigenschaften einander häufig gegenübergestellt. So wird unter anderem ein autoritärer Führungsstil und ein aufgabenorientiertes Führungsverhalten eher männlichen Führungskräften zugeschrieben, wohingegen ein demokratischer Führungsstil sowie ein beziehungsorientiertes Führungsverhalten eher mit dem weiblichen Geschlecht assoziiert werden. Als typisch weibliche Eigenschaften werden u. a. die Bandbreite der „Soft Skills“ angesehen. Typisch männliche Eigenschaften sind u. a. fordernd, wettbewerbsorientiert, rational, aggressiv, äußerlich, kalt, fokussiert, aktiv, linear. Selbst unter Annahme der Existenz dieser Typologien könnte jedoch weder die eine, noch die andere Ausprägung einen absoluten Führungserfolg gewährleisten. Davon ausgehend, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede gäbe, könnte der weibliche Terminus nach vorliegenden Erkenntnissen gar zukünftig der überlegenere sein.

Differenztheorie der Geschlechter

Bei der Differenztheorie wird von der Verschiedenartigkeit der Geschlechter ausgegangen. Frauen haben demnach Stärken, die Männer nicht besitzen und andersherum. Diese Stärken seien jedoch so geschlechtsspezifisch, dass das andere Geschlecht die jeweiligen Eigenschaften nie erwerben könne. Dieser Ansatz fußt auf ein absolutes Denken, nach welchem alle Frauen feminin und alle Männer maskulin führten. Die Geschlechter dürften nicht als Alternativen gesehen werden, vielmehr benötigten die Unternehmen die Kompetenzen beider Geschlechter. Diese höchst einfache Behauptungen müssen sich nicht nur der Kritik der Stereotypenbildung aussetzen, sondern auch dem Vorwurf, sie seien schlichtweg falsch.

„Think Manager –Think Male“

In Anlehnung an die Stereotypen der Geschlechter entstand das Modell „Think Manager – Think Male“. Der Manager-Beruf wird insbesondere im Top-Management als typisch männlich angesehen, da dem Manager oft Eigenschaften wie aktiv, aggressiv, hart entschlussfreudig und rational, also den nach stereotypischem Denken typisch männliche Persönlichkeitsmerkmale, zugeordnet werden. Da Frauen dem Stereotyp nach diese Eigenschaften nicht besitzen, widersprechen Sie folglich dem Bild einer Führungskraft.

Die gläserne Decke (engl.: Glass Ceiling)

„Glass Ceiling“ bezeichnet eine unsichtbare, kaum überwindbare Barriere von Vorurteilen und Diskriminierungen, an die Frauen im Berufsleben stoßen, wenn sie Karriere machen wollen. Das bedeutet, dass die gesellschaftlichen Strukturen und Normen durch die Stereotypen so stark geprägt sind, dass Frauen auf dem Karriereweg ganz oben oft nicht durchstoßen können.

Old Boys Network

Bei dem Old Boys Network handelt es sich um Männerbünde in den oberen Führungsebenen, die von bestimmten Merkmalen geprägt sind. Neben den schwierigen Zugangsbedingungen, den Prinzipien von Brüderlichkeit, Gleichheit und Kameradschaft gilt vor allem der Grundsatz des Ausschlusses von Frauen. Aufgrund fehlender Integration in solche Gruppen und mangelnder persönlicher Kontakte, aber auch weil sich Frauen in Führungspositionen oft gegenseitig mit Argwohn und Missgunst betrachten, anstatt sich wie Männer zu verbünden, verringert sich die Chance der Frauen in gehobene Positionen zu gelangen.

Token Woman

Token kommt aus dem Englischen und bedeutet Einzelfall oder auch Aushängeschild. Frauen in Führungspositionen sind solche Einzelfälle. Da sie dadurch sichtbarer und auffälliger sind, wird ihr Verhalten in besonderem Maße analysiert und registriert. Die Unterschiede werden übertrieben, die Weiblichkeit einerseits betont und andererseits auch ihre Abweichungen zur Männerwelt verdeutlicht. Es werden bei Führungsfrauen häufiger „Unfähigkeiten“ wahrgenommen, was den Anpassungsdruck der Frauen erhöht.

Queen-Bees

Das Queen-Bee-Syndrom wird in Bezug zu einem Bienenstock gesehen und kann kurz und knapp beschrieben werden: „Die Bienenkönigin kultiviert ihren Sonderstatus und ist blind für die Probleme anderer Frauen“. Diese Führungsfrauen genießen ihren Sonderstatus unter Männern und sehen andere Frauen als Konkurrentinnen. Dieses Phänomen ist jedoch als ein untergeordnetes Hindernis für Frauen zu betrachten.

Karrierehindernis: Vereinbarkeit von Karriere und Familie

Fraglich ist, ob Familie und Kinder einen Einfluss auf die Karriere einer Frau haben. Laut statistischem Bundesamt waren Frauen und Männer im Jahr 2006 nur in der Altersgruppe der unter 30-jährigen mit anteilig 7 % – bezogen auf alle abhängig erwerbstätigen Frauen bzw. Männer in dieser Altersgruppe, die Angaben zu ihrer Stellung im Betrieb gemacht hatten – als Führungskräfte gleich stark vertreten. Die spätere Familienplanung und damit einhergehende Unterbrechung im Beruf dürften ein wichtiger Grund für die Abnahme von Frauen in Führungspositionen in höheren Altersgruppen sein. Statistisch gesehen bekommen Frauen laut Statistischem Bundesamt ihr erstes Kind mit 29,6 Jahren, was diese These weiter stützt. Heirat, die Geburt von Kindern sowie die Wahrnehmung von Betreuungsaufgaben (für Kinder und ältere Familienmitglieder) haben großen Einfluss auf ihren Erwerbsverlauf. Dadurch verringert sich die Dauer der Betriebszugehörigkeit, was wiederum eine Erklärung für Einkommensunterschiede und Karrierechancen sein könnte, denn Führungskräfte werden häufig nach Alter und Betriebszugehörigkeit ausgesucht. Folglich vermindert sich aufgrund der familienbedingten Auszeit die Chance für Frauen in eine Führungsposition zu gelangen. Allerdings zeigt sich auch, dass der Anteil kinderloser Frauen in Führungspositionen sinkt und der Anteil von Frauen mit Kindern steigt. Dies könnte bedeuten, dass sich für Frauen Familie und Karriere nicht zwangsläufig ausschließen. Das Problem scheint also nicht die Tatsache zu sein, Beruf und Familie seien unvereinbar, sondern die Annahme, dass es so sei.

Fazit

Insgesamt lässt sich feststellen, dass es vielfältige Ursachen für die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen geben kann. Als wichtigster Grund für die mangelnde Akzeptanz von Frauen in Führungspositionen scheint vor allem das Denken in Stereotypen. Keinen Grund für eine Unterrepräsentanz stellt ein unterschiedliches Führungsverhalten zwischen Frauen und Männern dar, da es nach empirischen Befunden nicht existiert. Gerade vor dem aktuellen Hintergrund des Fachkräftemangels, den Auswirkungen des demografischen Wandels und den Vorteilen eines Diversity Management wird es nötig sein, dass Unternehmen auch auf die „Ressource“ Frau als Führungskraft zurückgreifen und sich nicht von stereotypischem Denken leiten lassen, sondern durch geeignete Personalentwicklungsmaßnahmen allen Führungskräften die notwendigen Kompetenzen vermitteln. Dieser Artikel soll dazu beitragen Vorurteile gegenüber Frauen in Führungsebenen abzubauen und könnte somit ein – wenn auch nur marginaler – Mosaikstein des zukünftigen Bildes der Führungskräftelandschaft von Organisationseinheiten sein.

Prof. Dr. Stefan Eisner

Prof. Dr. Stefan Eisner

Geschäftsführer, NSI Consult, Braunschweig
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