10.07.2013

Aktuelle Rechtsprechung im Überblick

Neues zu den energiewirtschaftlichen Konzessionsverfahren

Aktuelle Rechtsprechung im Überblick

Neues zu den energiewirtschaftlichen Konzessionsverfahren

Mit der Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen setzen die Kommunen energie- und umweltpolitische Akzente. | © M. Schuppich - Fotolia
Mit der Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen setzen die Kommunen energie- und umweltpolitische Akzente. | © M. Schuppich - Fotolia

Zahlreiche Städte und Gemeinden haben in den letzten Jahren ein Verfahren für die Neuvergabe der Wegenutzungsrechte für ihre Strom- oder Gasverteilnetze durchgeführt, befinden sich derzeit noch im Verfahren oder werden alsbald ein solches eröffnen. Hintergrund ist, dass Strom- und Gaskonzessionen gem. §46 Abs.2 Satz 1 EnWG höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren eingeräumt werden dürfen, und somit ein periodischer Wettbewerb um den Betrieb der Verteilnetze entstehen soll.

Die Kommunen treffen eine Systementscheidung darüber, ob das Energienetz vom bisherigen Energieversorgungsunternehmen weiterbetrieben wird, ob eigene Stadtwerke (ggf. unter Beteiligung eines strategischen Partners) mit dem Betrieb betraut werden sollen oder ob das Wegenutzungsrecht an einen Dritten vergeben wird. Oftmals versuchen die alten Konzessionsnehmer mit allen Mitteln ihre Stellung zu halten. So versuchen einige Netzbetreiber eine Bewerbung von Konkurrenten dadurch zu erschweren, dass sie die notwendigen Netzdaten nicht oder nur unvollständig an die Gemeinde herausgeben.

Ein stetes Problem sind zudem Altkonzessionäre, die sich über Jahre weigern, die Verteilanlagen an ihren Nachfolger zu übertragen. In dem Zeitraum, in dem der Altvertrag schon ausgelaufen, der Neukonzessionär aber noch keinen Zugriff auf das Netz hat, wird nicht selten unter Verweis auf den vertragslosen Zustand die Zahlung der Konzessionsabgabe eingeschränkt.


Ein Wettbewerb um den örtlichen Verteilnetzbetrieb entsteht aber dann schon gar nicht, wenn bereits der Umstand, dass eine Konzession neu vergeben wird, gar nicht von potentiellen Interessenten wahrgenommen werden kann. Wird der Wegenutzungsvertrag z. B. vorzeitig verlängert und dabei das vorzeitige Vertragsende gar nicht oder in einem ungewöhnlichen Bekanntmachungsmedium publiziert, wird den interessierten Mitbewerbern die Möglichkeit genommen, überhaupt ihr Interesse zu bekunden.

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Vergabe der Wegenutzung ergeben sich insbesondere aus §46 EnWG und dem Transparenz- und Nichtdiskriminierungsgebot des EU-Primärrechts. Da diese Vorgaben nur wenige konkret erkennbare Marschregeln liefern, kommt es entscheidend auf die gerichtliche Spruchpraxis an, um sich im Dickicht des Konzessionsrechts zurechtzufinden. Mit diesem Beitrag sollen einige aktuelle Entscheidungen dargestellt werden.

Anzeige vorzeitiger Beendigung von Konzessionsverträgen

Ein transparentes und nichtdiskriminierendes Auswahlverfahren kann nur erfolgen, wenn der Wettbewerb auf eine Weise eröffnet wird, die nicht von vornherein potentielle Bewerber benachteiligt. Das OLG Celle hat mit Urteil vom 23. 05. 2013 (Az.: 13 U 185/12 Kart) festgestellt, dass auch bei einvernehmlicher vorzeitiger Beendigung von Konzessionsverträgen das Auslaufen und der beabsichtigte Neuabschluss wie bei einem regulären Auslaufen im Bundesanzeiger bekannt zu machen sind. Während bei regulärem Auslaufen §46 Abs.3 Satz 1 EnWG explizit den Bundesanzeiger als Bekanntmachungsmedium festlegt, ist bei der vorzeitigen Beendigung in §46 Abs.3 Satz 3 EnWG allgemeiner von der Pflicht zur „öffentlichen Bekanntmachung“ die Rede.

Der Entscheidung des OLG Celle lag der Sachverhalt zugrunde, dass eine Gemeinde auf Anregung des Altkonzessionärs – eines Regionalversorgers – vor Auslaufen des bestehenden Wegenutzungsvertrages einen neuen Vertrag mit einer Laufzeit über weitere 20 Jahre abschließen wollte. Rechtlich musste dazu der bestehende Vertrag aufgelöst und dieser Umstand und das Vertragsende nach §46 Abs.3 Satz3 EnWG öffentlich bekanntgemacht werden. Die Bekanntmachung erfolgte dann im Deutschen Ausschreibungsblatt, einem für Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen unüblichen Bekanntmachungsmedium.

In der Folge bekundete ausschließlich der Altkonzessionär sein Interesse und erhielt den Zuschlag. Nachdem die kleine Gemeinde eingemeindet und die örtliche Energiepolitik neu überdacht worden war, teilte die nunmehr zuständige Kommune dem Netzbetreiber mit, dass sie den Wegenutzungsvertrag aufgrund der unzureichenden Bekanntmachung für nichtig halte und die Konzession daher neu vergeben werden müsse.

Während das LG Hannover den neu abgeschlossenen Konzessionsvertrag noch für wirksam hielt, entschied sich das OLG Celle für die Vertragsnichtigkeit. Die Bekanntmachung bei vorzeitiger Vertragsverlängerung müsse im gleichen Medium erfolgen wie bei einem regulären Auslaufen des Konzessionsvertrages, nämlich im Bundesanzeiger. Eine Bekanntmachung in einem anderen Medium laufe dem Zweck der Bekanntmachungspflicht zuwider, einen Wettbewerb um das Netz zu eröffnen. Das Urteil legt damit fest, dass die Bekanntmachung des Auslaufens eines Wegenutzungsvertrages in jedem Fall im Bundesanzeiger zu erfolgen hat. Konzessionsverträge, die nach einer Bekanntmachung des Vertragsendes in einem anderen Medium neu abgeschlossen wurden, sind nichtig.

Verweigerung der Datenherausgabe

Ist der Konzessionswettbewerb durch die Bekanntmachung eröffnet, ist es für die Erstellung aussagekräftiger Bewerbungen von Mitbewerbern essentiell, konkrete Informationen zum Netzgebiet und den Netzanlagen zu erhalten. Das LG Hannover hat am 28. 02. 2013 (Az.: 21 O 10/12) entschieden, dass ein Anspruch auf Informationen, die ein Bewerber zur Durchführung des Verfahrens über die Vergabe der neuen Konzession benötigt und deren Mitteilung dem bisherigen Konzessionär zugemutet werden kann, sich unabhängig von etwaigen Endschaftsbestimmungen als ungeschriebener Nebenanspruch aus dem auslaufenden Konzessionsvertrag ergibt. Dem Urteil lag der nicht unübliche Fall zugrunde, dass der alte Konzessionär des Gasverteilnetzes zwar grundsätzlich einige Informationen zur Verfügung stellen wollte, aber nicht die von der Klägerin verlangten wirtschaftlichen Daten (z. B. kalkulatorische Restwerte), die für eine Ermittlung des entscheidenden Ertragswertes des Netzes unerlässlich sind.

Das Gericht entschied damit, dass der Altkonzessionär unabhängig von vertraglichen Sonderabreden zur Herausgabe von Informationen in dem Umfang verpflichtet ist, der dem Dritten eine gleichwertige Teilnahme am Wettbewerb um die Neuvergabe ermöglicht. Die herauszugebenden Daten müssen eine zuverlässige Schätzung des Ertragswertes des Verteilnetzes ermöglichen, auf dessen Grundlage nach der Rechtsprechung der Netzkaufpreis zu ermitteln ist.

Verfahrensrügen nach Abschluss des neuen Wegenutzungsvertrages

Immer wieder kommt es vor, dass der Altkonzessionär an einem Auswahlverfahren teilnimmt, aber die von der Gemeinde getroffene Auswahlentscheidung dadurch ignoriert, dass er dem neuen Energieversorgungsunternehmen die Herausgabe der Netzanlagen verwehrt. Altkonzessionäre berufen sich insofern häufig auf vermeintliche Mängel im abgeschlossenen Konzessionierungsverfahren und eine hieraus folgende Nichtigkeit des Konzessionsvertrages mit dem neuen Energieversorgungsunternehmen (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 22. 11. 2012, Az. 16 U (Kart) 22/12).

Jetzt hat das LG Mannheim mit Urteil vom 03. 05. 2013 (Az.: 22 O 33/12 Kart) entschieden, dass ein Altkonzessionär nicht unter Hinweis auf etwaige Fehler im Auswahlverfahren die Netzherausgabe verweigern könne, wenn er nicht aktiv auf die Ausräumung vermeintlicher Fehler hingewirkt und gegebenenfalls bereits im Konzessionsverfahren gerichtliche Schritte gegen die Gemeinde eingeleitet hat. Selbst in Auswahlverfahren, in denen gegen Vorschriften verstoßen wurde, könne der dann abgeschlossene neue Wegenutzungsvertrag nicht nichtig sein, weil die Vorgaben an die Konzessionsvergabe allein die Gemeinde, nicht aber den neuen Netzbetreiber binden. Ist der Gesetzesverstoß nur einem Vertragspartner zuzurechnen, sei die Nichtigkeit eines Vertrages nur möglich, wenn der Zweck des Gesetzes eine Nichtigkeit unbedingt verlangt. Dies hat das LG Mannheim zurecht nicht erkennen können, da es dem Altkonzessionär ohne Weiteres zumutbar gewesen wäre, bereits während des Verfahrens auf eine Ausräumung der Fehler hinzuwirken oder zumindest im einstweiligen Rechtsschutz den Abschluss des neuen Wegenutzungsvertrages zu verhindern. Bleibt er untätig, kann er sich später nicht mehr auf eine Nichtigkeit berufen.

Keine Wartefrist bei Abschluss des neuen Wegenutzungsvertrages, vertragliche Abrede auf Fortzahlung von Konzessionsabgabe zulässig

Das Erfordernis, vermeintlich rechtswidrige Verfahrenshandlungen rechtzeitig zu rügen, hat auch das LG Köln in seinem Urteil vom 22. 03. 2013 (Az.: 90 O 51/13) gestärkt. Dort hatte die Gemeinde eine Auswahlentscheidung getroffen, die Bewerber schriftlich informiert und unverzüglich einen neuen Wegenutzungsvertrag mit dem obsiegenden Unternehmen abgeschlossen. Der Altkonzessionär beantragte im einstweiligen Rechtsschutz, den Parteien die Durchführung des neuen Vertrages zu untersagen, weil die Gemeinde nach Mitteilung ihrer Auswahlentscheidung den unterlegenen Bietern nicht ausreichend Zeit gegeben habe, um gegen den Abschluss des neuen Wegenutzungsvertrages Rechtsmittel einzulegen. Das LG Köln stellte jedoch fest, dass eine Wartefrist, anders als im formellen Vergaberecht, im EnWG nicht vorgesehen und dies keine planwidrige und damit ausfüllungsbedürftige Regelungslücke sei. Dass die Rechtsschutzmöglichkeiten der unterlegenen Bieter damit beschränkt sind, erkennt das Gericht, verweist diesbezüglich aber auf den – verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden – nicht vorhandenen Rechtsschutz im unterschwelligen Vergabeverfahren und die Notwendigkeit, den Konzessionärswechsel nicht ungebührlich hinauszuzögern.

Zudem entschied das LG Köln, dass die konzessionsvertragliche Abrede, die einen Anspruch der Gemeinde auf Fortzahlung der Konzessionsabgabe nach Ablauf des Konzessionsvertrages und der einjährigen gesetzlichen Fortzahlungspflicht nach §48 Abs.4 EnWG vorsah, keine unzulässige Nebenleistung im Sinne des §3 Abs.2 Nr.1 KAV darstelle und somit nicht rechtswidrig sei. Eine Regelung zur Fortzahlungspflicht von Konzessionsabgaben für die Zeit nach dem Auslaufen des Konzessionsvertrages wird für die Kommunen aufgrund der sich häufig verzögernden Netzübernahmeverfahren und der oft lang andauernden vertragslosen Zeiträume immer wichtiger.

Ausblick

Die Vergabe von Konzessionen für die örtlichen Strom- und Gasverteilnetze ist ein wesentlicher Bestandteil der Möglichkeit von Kommunen, energie- und umweltpolitische Akzente im Rahmen der Energiewende zu setzen. Die Rechtslage zu Konzessionsverfahren erscheint mangels konkreter Regelungen und fehlender höchstrichterlicher Rechtsprechung aber weiterhin unklar. Jedoch können die Entscheidungen der Gerichte mittlerweile in vielen Gesichtspunkten einen Leitfaden für das Vorgehen der Gemeinde geben, sodass der den Gemeinden eröffnete Gestaltungsspielraum ausgenutzt und unliebsame Streitigkeiten vermieden werden können. Sofern das EnWG deutliche Regelungen enthält, wie etwa zur Bekanntmachung des Auslaufens des Altvertrages, müssen diese zwingend eingehalten werden, um nicht die Nichtigkeit des neuen Wegenutzungsvertrages zu riskieren. Aufgrund der sich häufenden Urteile zu verspäteten Verfahrensrügen ist damit zu rechnen, dass Bewerber vermehrt im laufenden Verfahren etwaige Bedenken vortragen.

 

Astrid Meyer-Hetling

Rechtsanwältin, Partner Counsel Becker Büttner Held, Berlin
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