15.08.2015

Verwaltungsvereinfachung neu gedacht

Das Modellvorhaben „Kooperatives E-Government in föderalen Strukturen”

Verwaltungsvereinfachung neu gedacht

Das Modellvorhaben „Kooperatives E-Government in föderalen Strukturen”

Föderale Verwaltungsvereinfachung – Dranbleiben lohnt sich. | ©
Föderale Verwaltungsvereinfachung – Dranbleiben lohnt sich. | ©

Einfache, effiziente und einheitliche Verwaltungsabläufe zwischen Behörden und Unternehmen sind zunehmend ein wichtiger Standortfaktor. Dies gilt umso mehr, wenn sich ein Wirtschaftsraum so wie die Rhein-Neckar-Region über mehrere Bundesländer erstreckt. Die Folge: Betriebe sehen sich im Alltag mit teilweise sehr unterschiedlichen Verfahren und Vorgehensweisen konfrontiert – was in vielen Fällen den bürokratischen Aufwand erhöht.

Verwaltungsvereinfachung: Kristallisationspunkt der Regionalentwicklung

Vor diesem Hintergrund rief die Metropolregion Rhein-Neckar im Jahr 2010 gemeinsam mit dem Bund und den Ländern Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz das Modellvorhaben „Kooperatives E-Government in föderalen Strukturen“ ins Leben. Erklärtes Ziel: Verwaltungsvorgänge im Drei-Länder-Eck sollen durch intelligente Vernetzung, durch neue Formen der ebenen-, länder- und fachübergreifenden Zusammenarbeit sowie durch den sinnvollen Einsatz von IT kundenfreundlicher, schneller und kostengünstiger werden. Fünf Jahre nach dem Start des Modellvorhabens sind erste Teilprojekte erfolgreich umgesetzt und die beteiligten Akteure um eine zentrale Erfahrung reicher: Die gemeinsam vorangetriebene Verwaltungsvereinfachung ist ein dickes Brett – doch das ausdauernde Bohren lohnt sich allemal.

Auch wenn das E-Government-Modellvorhaben formal im Jahr 2010 startete, so reichen die regionalen Bemühungen zum Bürokratieabbau zurück bis ins Gründungsjahr der Europäischen Metropolregion Rhein-Neckar.


Bei der ersten Regionalkonferenz „Wirtschaft trifft Verwaltung“ im Jahr 2005 identifizierten Vertreter aus Unternehmen, Behörden und Kammern bereits die wichtigsten Themen im länder-übergreifenden Kontext: „Ausländische Fachkräfte“, „Genehmigungen für den Straßenverkehrsraum“, „Vergabe öffentlicher Aufträge“ und „E-Government als Perspektive“. Erfolgreiche Projekte aus diesen Anfangsjahren sind etwa der Handwerkerparkausweis, der grenzüberschreitend in allen 290 Kommunen der Region gilt. Noch heute bilden die vier genannten Schwerpunkte den Kern des Modellvorhabens, wenngleich sich die Schwerpunkte mit der fortschreitenden Digitalisierung verändert haben.

Prozesse zwischen Wirtschaft und Verwaltung verbessern

Ein zentrales Anliegen des Modellvorhabens ist es, die Abläufe zwischen Unternehmen und Behörden zu vereinfachen. Zwei sehr gelungene Projekte sind in diesem Zusammenhang der Prozess-Daten-Beschleuniger „P23R“ und das regionale E-Vergabe-Portal „auftragsboerse.de“. „P23R“ sorgt für einen automatisierten, digitalen Austausch zwischen Behörden und Unternehmen im Bereich der Berichtspflichten. Die IT-Lösung wurde gemeinsam mit einem Konsortium von 13 Institutionen entwickelt (z. B. diversen Fraunhofer-Instituten) und in der Metropolregion Rhein-Neckar von der BASF SE erprobt. Derzeit prüft der Bund, wie eine Breiteneinführung erfolgen kann. „auftragsboerse.de“ startete 2006 zunächst als reine Bekanntmachungsplattform für öffentliche Aufträge der Kommunen und Kreise. Im Jahr 2010 erfolgte die Erweiterung um eine E-Vergabelösung. Weit über 1.000 öffentliche Ausschreibungen wurden bis 2014 über das System abgewickelt. Die dabei gesammelten Erfahrungen flossen in einen umfassenden Relaunch des Portals ein. Bau- und Handwerksbetriebe, aber auch Lieferanten und Dienstleister finden unter www.auftragsboerse.de seit Anfang 2015 eine Fülle öffentlicher Ausschreibungen. Der zentrale Zugang spart den Betrieben Zeit und Geld, da die Informationssuche an verschiedenen Stellen entfällt und die hinterlegten Ausschreibungsunterlagen kostenlos abrufbar sind. Zudem kann der Vergabeprozess vollständig elek­tronisch abgewickelt werden. Zugleich profitieren die Verwaltungen von der elektronischen Kommunikation mit dem Bieter und effizienteren Prozessen.

Zugang zur Verwaltung erleichtern

Neben der Prozessoptimierung soll mit dem E-Government-Modellvorhaben der Zugang zur Verwaltung vereinfacht werden. Ganz in diesem Zeichen stehen zum Beispiel die einheitliche Behördennummer 115 (seit 2012) und das Portal „verwaltungsdurchklick.de“ (seit 2011). In beiden Fällen bündelt eine technische Lösung Daten, die Kommunen und Kreise in den drei Portalen „Hessen-Finder“, „BUS.Rlp“ und „service-bw“ hinterlegen. Im Internet sind die länderübergreifenden Informationen zum Dienstleistungsangebot der Ämter und Behörden rund um die Uhr unter www.verwaltungsdurchklick.de abrufbar – nutzerfreundlich nach Unternehmens- und Lebenslagen aufbereitet. Wer persönliche Auskunft wünscht, wählt die vorwahlfreie Rufnummer 115. Der Clou: Die meisten Anrufe werden zentral vom regionalen Servicecenter in Ludwigshafen beantwortet – unabhängig davon, ob der Anruf aus dem badischen, hessischen oder pfälzischen Teil der Region kommt.

Behördliche Daten digitalisieren und visualisieren

Um die Genehmigung von Routen für Autokrane effizienter zu gestalten, wurde die „Digitale Straßenkarte Rhein-Neckar“ im Modellvorhaben entwickelt und im November 2014 freigeschaltet. Die Straßenkarte bildet die befahrbaren Hauptrouten für Autokrane (je nach Krangesamtgewicht und Achslasten) in der Rhein-Neckar-Region ab. Damit erfolgt erstmals eine einheitliche und transparente Darstellung des Straßennetzes, das Auskunft über den Zustand der wichtigsten Verkehrsadern gibt und Basis für zielgerichtete Investitionen der knapper werdenden öffentlichen Mittel sein kann.

Autokrane sind unentbehrlich für nahezu jedes größere Bauvorhaben, sei es zur Montage von Beton- und Stahlkonstruktionen für Industrieanlagen oder den Hoch- und Brückenbau. Der Einsatz und insbesondere die Anfahrt der mobilen Bauhelfer muss im Vorfeld jedoch gut geplant und von den Straßenverkehrsbehörden, die für den jeweiligen Streckenabschnitt zuständig sind, genehmigt werden. Für die digitale Straßenkarte mussten umfangreiche Datensätze von 24 Erlaubnis- und Genehmigungsbehörden und den sechs zuständigen Baulastträgern aufbereitet und zusammengeführt werden.

Vorhaben mit Modellcharakter

Die bislang gewonnenen Erkenntnisse stoßen nicht nur innerhalb der Region auf reges Interesse, sondern haben auch in anderen Regionen Anklang gefunden. So haben sich zum Beispiel im Rheinland und in der Metropolregion Nordwest mehrere Gebietskörperschaften zusammengeschlossen, um nach dem Vorbild Rhein-Neckar ebenfalls innovative Formen der Verwaltungszusammenarbeit zu erproben. Im Juni 2015 würdigte der Beamtenbund die länderübergreifende Vorgehensweise der Region mit seinem Innovationspreis. Die Jury befand, mit dem Modellvorhaben sei erstmals ein „Reallabor der Verwaltungsmodernisierung“ geschaffen worden, in dem sich eine neue Kultur der Kooperation entwickeln konnte. Ein dickes Lob für eine Arbeit, die gewiss nicht immer einfach ist, sich aber dennoch lohnt, weil sie dazu beiträgt, dass Deutschland auch künftig ein attraktiver Wirtschaftsstandort mit einer modernen, leistungsfähigen Verwaltung bleibt.

 

DREI FRAGEN AN DR. CHRISTINE BROCKMANN

PUBLICUS: Wo liegt die größte Herausforderung in der länderübergreifenden Verwaltungszusammenarbeit?

Brockmann: Im Modellvorhaben sollen im Bereich der ebenen- und länderübergreifenden Verwaltungszusammenarbeit exemplarisch neue Arbeits- und Kooperationsformen auf der Basis vernetzter IT-Infrastrukturen erprobt werden. Dabei ist es das Ziel, innovative E-Government-Anwendungen zu entwickeln, die sich konsequent am Nutzen für Bürger und Unternehmen orientieren und auf Seiten der Verwaltung gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit erhöhen. Die Herausforderung liegt darin, dass wir mit dem Modellvorhaben auf keiner „grünen Wiese” gestartet sind, sondern länder- und kommunalspezifische Prozesse sowie eine heterogene IT-Landschaft vorgefunden haben. Daher steht am Anfang eines jeden Projekts eine fundierte Bestandsaufnahme der Regelungen und Abläufe in allen drei Landesteilen der Region. Darauf basierend können wir entscheiden, ob organisatorische und technische Lösungen überhaupt Sinn machen. E-Government ist kein Selbstzweck, sondern soll allen Beteiligten einen echten Mehrwert bieten.

PUBLICUS: Ist das Modellvorhaben ohne Probleme angelaufen?

Brockmann: Durch die 2010 unterzeichnete Kooperationsvereinbarung von Bund, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz sowie dem Verband Region Rhein-Neckar haben wir einen institutionellen Rahmen für das Modellvorhaben geschaffen, das anschließend mit einzelnen Projekten unterlegt werden musste. Sicherlich war es nicht einfach, die Finanzierung für die Einzelprojekte sicherzustellen und Akteure zu gewinnen, die sich neben ihrer alltäglichen Arbeit in das innovative Vorhaben einbringen. Dennoch haben unsere Partner recht schnell erkannt, dass das Miteinander nicht nur Mehrarbeit, sondern auch Vorteile bringt. Inzwischen haben wir ein gut funktionierendes Netzwerk, in dem Wirtschaft und Verwaltung den konstruktiven Austausch suchen.

PUBLICUS: Hat ein Umdenken in den öffentlichen Verwaltungen eingesetzt?

Brockmann: Wirtschaft und Verwaltung arbeiten im Modellvorhaben gemeinsam an Lösungen und erhalten so ganz neue Einblicke, was sehr zuträglich für das gegenseitige Verständnis ist. Durch den Perspektivwechsel steigt die Bereitschaft, gemeinsam neue Wege zu gehen. Außerdem trägt die Zusammenarbeit über Verwaltungsebenen hinweg dazu bei, dass die sachorientierte Kooperation im Vordergrund steht.

 

Dr. Christine Brockmann

Leiterin Fachbereich „Verwaltungsvereinfachung / E-Government”; Metropolregion Rhein-Neckar GmbH
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