15.08.2015

Eine humanitäre Herausforderung

Die Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern und Flüchtlingen

Eine humanitäre Herausforderung

Die Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern und Flüchtlingen

Die Rettung von Flüchtlingen auf See ist ein Anfang – deren Integration eine dauerhafte humanitäre Aufgabe. | © william87 - Fotolia
Die Rettung von Flüchtlingen auf See ist ein Anfang – deren Integration eine dauerhafte humanitäre Aufgabe. | © william87 - Fotolia

Die Meldungen über Flüchtlingsdramen und Tote im Mittelmeer führen uns Tag für Tag schreckliche Einzelschicksale vor Augen. Die Lage in Kriegsregionen wie in Syrien, im Nordirak oder einzelnen afrikanischen Staaten bleibt unverändert dramatisch. Dies lenkt zunächst die Bemühungen auf die Erstversorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern.

Hier läuft inzwischen das Krisenmanagement in Bayern auf vollen Touren. Kommunen, Staat, Wohlfahrtsverbände und Ehrenamtliche sorgen für Unterkünfte und Betreuung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Städte und Gemeinden können sich auf die Hilfsbereitschaft der Bürgerschaft bei der Betreuung von Menschen in Not verlassen.

Allerdings geht es nicht nur um Unterbringung, Verpflegung, medizinische Versorgung von Menschen mit traumatischen Kriegserlebnissen, die an den Folgen von Folter und Vergewaltigung leiden. Nach der humanitären Versorgung in den ersten Monaten müssen Staat und Kommunen an die Integration der anerkannten Flüchtlinge und Asylbewerber in den nächsten Jahren denken: Viele Menschen werden lange bleiben. Nach dem Asylverfahren bekommen viele Menschen ein Bleiberecht, sie brauchen Obdach. Kinder brauchen Kindergarten und Schule, Erwachsene brauchen Sprachunterricht und Integrationskurse. Übergänge ins Berufsleben müssen geebnet werden.


Kommunen brauchen finanzielle Mittel

Die Kommunen können diese Aufgaben bei der Integration schaffen, wenn Bund und Länder die Kommunen dauerhaft und tatkräftig unterstützen. Die Kommunen wissen, wie es geht – aber ohne Geld geht es nicht. Der Bund hat Mittel zugesagt – diese Mittel müssen die Länder an die Kommunen weiterleiten. Noch ist in vielen Ländern offen, auch in Bayern, ob und wie die Bundesmittel an die Kommunen weitergeleitet werden. Die Länder müssen die Bundesmittel für eine bessere Unterstützung der Kommunen verwenden.

Bund, Länder und Kommunen können diese humanitäre Herausforderung gemeinsam schultern. Die Kommunen leisten unkomplizierte Hilfe zusammen mit einer Fülle an Initiativen von hilfsbereiten Bürgern. Dieses Engagement braucht mehr Unterstützung von Bund und Ländern. Die Länder müssen dauerhaft die menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern sicherstellen. Der Ausbau der Asylsozialberatung ist nötig, um den vielfach traumatisierten Menschen eine erste soziale Hilfe zu geben. Menschen aus unterschiedlichen Staaten sitzen in Erstaufnahmeeinrichtungen auf engem Raum. Freiwillige, die etwa mit Sprachunterricht helfen wollen, brauchen eine Anleitung. Ehrenamtliches Engagement braucht professionelle Unterstützung, damit die Hilfe richtig ankommt.

Die Voraussetzungen in den Städten und Gemeinden sind positiv: Die Bevölkerung ist grundsätzlich bereit, die Ankommenden offen aufzunehmen. Dabei brauchen Bürger und Kommunen aber mehr Unterstützung. Wir müssen den Flüchtlingen und Asylbewerbern Perspektiven geben: Sie benötigen Chancen, um sich in die Gesellschaft integrieren zu können. Die Kommunen haben Erfahrungen mit Integration, die Kommunen sind bereit und können das, sofern sie die Finanzmittel zur Verfügung haben. Bayerische Städte und Gemeinden sind Heimat geworden für Flüchtlinge und Vertriebene nach 1945, für ,Gastarbeiter’ aus Italien, Griechenland oder Spanien in den 1970er Jahren und für Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion nach 1990. Integration funktioniert über Kindergärten, Schulen, Sprachunterricht und Beruf. Unbegleitete Minderjährige, Kinder von Asylbewerbern und Flüchtlinge brauchen einen unkomplizierten Zutritt zur Schule – dies darf nicht an den Schuljahresanfang gebunden sein, sondern muss auch während des Schuljahres möglich sein. Integrationskurse und Sprachunterricht für Erwachsene ebnen Übergänge ins Alltagsleben. Und wichtig ist der rasche Zugang zu Arbeitsplätzen.

Besonders drängt die überdurchschnittlich betroffenen Städte München, Passau und Rosenheim die Kostenfrage für die unbegleiteten jungen Flüchtlinge. Die Regelung, wonach die örtliche Jugendhilfe für unbegleitete Minderjährige eine rein kommunale Aufgabe ist, lässt sich mit Blick auf die hohen Zahlen von jungen Menschen aus Krisengebieten nicht aufrechterhalten. Es muss – wie inzwischen von Bund und Freistaat in Aussicht gestellt – zu einer besseren Verteilung der unbegleiteten Minderjährigen in Deutschland kommen und zu einer gerechteren Verteilung der Finanzierung.

Maßnahmenbündel für Wohnungsbau erforderlich

Der Bayerische Städtetag richtet den Fokus über die aktuellen Herausforderungen der Erstaufnahme und Unterbringung hinaus auf die weitere Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Ein schneller Ausbau des Angebots an preiswertem Wohnraum ist in den Städten unerlässlich für das Miteinander in der Stadtgesellschaft. Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum für einen wachsenden Teil von Menschen, die sich sonst die steigenden Preise in den Städten nicht leisten können. Bei der Suche nach bezahlbarem Wohnraum darf keine Konkurrenz entstehen zwischen sozialhilfebedürftigen Familien, Alleinerziehenden, Rentnern und Obdachlosen mit Flüchtlingen und anerkannten Asylbewerbern.

Nach den vorliegenden Zahlen wird rund ein Drittel der Flüchtlinge und Asylbewerber anerkannt oder erhält hier ein Bleiberecht. Der Wohnungsbedarf dieser Menschen übersteigt bereits jetzt das Angebot erheblich. Wenn ein Asylbewerber anerkannt ist, wird zum Beispiel aus dem Syrer, der in Damaskus geboren ist, ein Nürnberger, der in Damaskus geboren ist: Er muss aus der Gemeinschaftsunterkunft ziehen und braucht eine Wohnung. Er muss in die Gesellschaft integriert werden.

Der Bayerische Städtetag begrüßt die Absicht der Bayerischen Staatsregierung, weitere Mittel für die Wohnbauförderung zur Verfügung zu stellen. Das Maßnahmenbündel des Innenministers zur Verbesserung der Wohnraumversorgung zeigt, dass die Anliegen der Städte und ihrer Bürgerschaft ernst genommen werden. Das geht in eine gute Richtung, aber der Freistaat muss weiter nachlegen, um den Wohnungsbau spürbar anzukurbeln.

Zusätzlich zu bereits in Aussicht gestellten Mitteln müssen Mittel aus dem Bayerischen Modernisierungsprogramm und der Städtebauförderung zur Wohnraumschaffung fließen. Die Staatsregierung muss die in Aussicht gestellten Mittel planbar und stetig fließen lassen. Es geht nicht allein darum, anerkannte Flüchtlinge mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Die Bemühungen müssen zu allen Bürgerinnen und Bürgern helfen, die günstige Wohnungen brauchen. Aber auch der Bund ist gefordert, sich hier über das bisherige Maß hinaus zu engagieren. Fläche, Preis, Finanzierungskosten: Diese Parameter müssen so gesteuert werden, dass am Ende ein Mietpreis steht, den alte Menschen, Alleinerziehende, junge Familien, Geringverdienende und anerkannte Flüchtlinge zahlen können – möglichst ohne soziale Transferleistungen.

Dafür stehen Bund, Freistaat und Kommunen gemeinsam in der Pflicht. Nach Ansicht des Bayerischen Städtetags lässt sich mehr billiger Wohnraum schaffen, wenn die Kräfte von Bund, Freistaat und Kommunen gebündelt werden und wenn der Wohnungsbestand mit Belegungsrechten mit einbezogen wird.

Wohnen ist Grundvoraussetzung für die soziale Integration in die Stadtgesellschaft. Einen spürbaren Erfolg können wir nur erreichen, wenn Bund, Freistaat und Kommunen ihre Kräfte in einem Förderpooling bündeln. Der Bund kann mit einer Wiedereinführung der degressiven Abschreibung im Mietwohnungsbau zur Mobilisierung privaten Kapitals beitragen. Zinsvergünstigungen schaffen beim derzeit niedrigen Zinsniveau nicht den notwendigen Anreiz, in den sozialen Wohnungsbau zu investieren.

Der Freistaat muss mit einer Verknüpfung von Wohnraumförderung und Städtebauförderung zur gezielten Aufwertung der nachverdichteten Gegenden beitragen. Städte und Gemeinden sind bereits aktiv und ergänzen staatliche Förderprogramme mit eigenen Mitteln: etwa das München-Modell für Käufer und Mieter; das Modell der Sozialgerechten Bodennutzung in München, Nürnberg oder Erding; das Förderprogramm „100 Häuser für 100 Familien” in Nürnberg; vergünstigte Baulandveräußerungen in Familien- und Einheimischenmodellen.

Hinweise der Redaktion: Zum Thema (Schul-)Bildung für Flüchtlinge siehe bereits auch den Beitrag in PUBLICUS 2015.6 S. 4 und zum Thema bauplanungsrechtliche Verbesserung bei der Unterbringung von Flüchtlingen siehe den Beitrag in PUBLICUS 2014.12 S. 12.

Am 15. 07. 2015 (nach Eingang obigen Beitrags) informierte die Bundesregierung, dass das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher beschlossen hat. Der Gesetzesentwurf ist unter www.bmfsfj.dezu finden.

 

Dr. Ulrich Maly

Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg,
Vorsitzender des Bayerischen Städtetags,
stellv. Präsident des Deutschen Städtetages, Nürnberg
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