15.12.2015

Kreative Interpretation beim Mindestlohn

Die öffentliche Hand als Negativbeispiel – Ein holpriger Weg

Kreative Interpretation beim Mindestlohn

Die öffentliche Hand als Negativbeispiel – Ein holpriger Weg

Auch die öffentliche Hand interpretiert die Mindestlohnverordnung „kreativ”. | © M. Schuppich - Fotolia
Auch die öffentliche Hand interpretiert die Mindestlohnverordnung „kreativ”. | © M. Schuppich - Fotolia

Die Mindestlohnverordnung wird durch Arbeitgeber immer wieder kreativ interpretiert. Lohnkostensenkungen sind das Ziel. Die Branche nutzt dabei die Ignoranz der Auftraggeber. Die öffentliche Hand ist hier das Negativbeispiel.

Negativbeispiele aus Franken

Für das Sicherheitsgewerbe in Deutschland gilt der Mindestlohn seit dem 1. Juni 2011. Mit dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohnes (MiLoG), das am 11. 08. 2014 beschlossen wurde, gilt der Mindestlohn für ganz Deutschland. Seither kann man fast täglich in der Presse die Diskussionen verfolgen, wie mit der Aufzeichnungspflicht umzugehen ist, ob Sachleistungen anrechenbar sind, ob Zulagen und Zuschläge eingerechnet werden können und ob der Mindestlohn für alle Beschäftigten gilt.

Die praktische Umsetzung nimmt dann jeder Arbeitsgeber selbst in die Hand. Im folgenden Beitrag sollen Beispiele aus Bayern bzw. aus Franken in den Blick genommen werden, die dem Verfasser täglich vor Augen gehalten werden.


Kreativität in Sicherheitsunternehmen

In einer aktuellen, vielbeachteten Entscheidung des BAG vom 13. 05. 2015 geht es vor allem um Urlaubstage, Feiertage und Krankheitszeiten. Die Richter entschieden zugunsten von pädagogischem Personal, dem der Mindestlohn vorenthalten wurde. Knabbern auch die Sicherheitsunternehmen an diesen Kosten? Aus Sicht des Verfassers: Ja, und dabei geht die Kreativität noch weiter.

Gekürzt werden die Stundenlöhne bei den Nachtstunden, Sonntagsstunden und Feiertagsstunden. Ebenso wird der korrekte Tariflohn bei Urlaub, Krankheit und Freistellung nicht bezahlt, eventuell sogar weniger als der Mindestlohn. Bei betrieblichen Ausbildungen gilt das Gleiche. Die tariflichen Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit werden ebenso gekürzt. Von gar keinen Zuschlägen gehen die Varianten über 5 % pauschal bis zu den Anbietern, die tatsächlich tarifkonform bezahlen. Ist ein Mitarbeiter krank, wird der Dienstplan so geändert, dass er an den Fehltagen weniger Stunden Einsatzzeit hat. So kürzt man auch den Lohnanspruch.

5 % unter Tarif

Ob man aber tarifkonform bleiben kann, wenn man an öffentlichen Ausschreibungen teilnimmt, bleibt die Frage. Dort wird 5 % unter Tarif für die Vergabestelle immer noch als tarifkonform angesehen, was einer Aufforderung zum Lohndumping und zur Hinterziehung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen durch die ausschreibende Vergabestelle der öffentlichen Hand gleichkommt. Und bei Ausschreibungen liest man auch mal, dass die Leistungen, die bisher Fachkräfte erbracht haben, in der neuen Ausschreibung von Mitarbeitern mit Unterweisung oder Sachkunde erledigt werden sollen. Da macht man den Bock zum Gärtner.

Die Aufzeichnungspflicht

Auch bei der Aufzeichnungspflicht kursieren kreative Lösungen am Markt. Bei Anbietern von Revierdiensten werden auch mal nur die Kontrollzeiten bezahlt, nicht aber die Rüst- und Fahrzeiten. So kommt man rasch auf einen übertariflichen Lohn, der tatsächlich aber unter dem Mindestlohn liegt. Auch das ist nur ein Beispiel. Und im Veranstaltungsdienst gibt es die Beispiele, in denen nur die Zeit der eigentlichen Veranstaltung bezahlt wird, quasi ab Einlass der Besucher, nicht aber die Vorbereitungszeit, die Einweisungen und die vorgeschalteten Kontrollen.

Fazit

Kurz gesagt, die Sicherheitsbranche ist genau so kreativ wie andere Branchen, weshalb der Zeigefinger allen gilt. Ganz besonders aber den Auftraggebern, die hier mit ihren Ausschreibungen und Vergabekriterien massiv Vorschub leisten.

Der Mindestlohn ist richtig, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein angemessenes Einkommen zu ermöglichen. Daran gibt es keinen Zweifel.

Der Weg dorthin ist jedoch noch lang und holprig. Das liegt nicht alleine an den Arbeitgebern.

 

Heinz Siemon

Dipl.-Kaufmann, Prokurist und Kaufmännischer Leiter ARNDT – Sicherheit und Service GmbH & Co. KG, Nürnberg
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