15.08.2015

Unis in der AGG-Zwickmühle

Hürden bei der Umsetzung des Professorinnenprogramms

Unis in der AGG-Zwickmühle

Hürden bei der Umsetzung des Professorinnenprogramms

Erstberufungen von Frauen auf unbefristete W 2- und W 3-Professuren fördert das Professorinnenprogramm II. | © jpopeck - Fotolia
Erstberufungen von Frauen auf unbefristete W 2- und W 3-Professuren fördert das Professorinnenprogramm II. | © jpopeck - Fotolia

Universitäten, die sich fort­schrittlich zeigen wollen oder die schlicht Fördergelder für neue Frauenprofessuren ein­werben möchten, müssen einen Spagat zwischen Frauen­förderung und Nicht­diskrimi­nierung hinbekommen, wenn sie die fraglichen Stellen öffentlich ausschreiben. Solche Stellen­aus­schreibungen erfolgen mehr oder weniger transparent unter Finanzierungsvorbehalt. Dieses Durchwursteln stellt sich als Folge ungarer Förderrichtlinien dar. Möglicherweise werden weitere Fortschritte in der Kunst des Richtlinienerlasses notwendig werden.

Das Programm zur Förderung von Professorinnen

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat Richtlinien zur Umsetzung des Professorinnen­programms des Bundes und der Länder zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen – Professorinnenprogramm II vom 06. 12. 2012 erlassen und bekannt gemacht. Die PR-Seite dazu lautet www.bmbf.de/de/494.php, die Inhaltsseite hat die Adresse www.bmbf.de/pub/tagungsdokumentation_professorinnenprogramm.pdf(„tagung” nur mit einem „g”, abgerufen am 16. 06. 2015).

Als Rechtsgrundlage wird angegeben die Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Artikel 91 b Abs. 1 Nr. 2 des Grundgesetzes über das Professorinnenprogramm des Bundes und der Länder zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen – Professorinnenprogramm II. Danach können Erstberufungen von Frauen auf unbefristete W 2- und W 3-Professuren im Wege einer Anschubfinanzierung durch Zuwendungen gefördert werden. Der Zuwendungsgeber entscheidet auf Grund seines pflichtgemäßen Ermessens auf der Basis eines Gleichstellungskonzepts bzw. anhand der positiven Bewertung der Umsetzung eines im Professorinnenprogramm I erfolgreichen Gleichstellungskonzepts im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Je Hochschule können bis zu drei Erstberufungen von Frauen über fünf Jahre gefördert werden, und zwar mit jeweils höchstens 150.000,– € pro Jahr und Professur. Es geht also pro Uni um bis zu 2,25 Mio. €; ein Betrag, bei dem sich eine gewitzte Antragstellung lohnt.


Probleme für die Personalstellen der Unis

Die personellen Maßnahmen der Universitäten bezwecken eine Erhöhung des Frauenanteils innerhalb der Professorenschaft. Deshalb sind sie an sich nicht als Verletzungen des § 1 AGG zu qualifizieren, sondern im Lichte der Spezialnorm des § 5 als Versuche zur erstmaligen Herstellung zahlenmäßiger Gleichheit. Gemäß § 5 AGG ist zusätzlich zu den Ausnahmen in den §§ 8 bis 10 sowie in § 20 AGG eine unterschiedliche Behandlung auch zulässig, „wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile wegen eines in § 1 genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen.” So weit so gut. Das Problem trifft die Personalstellen der Unis aber bei der Formulierung der entsprechenden Stellenausschreibungen.

Denn wenn Professuren ausgeschrieben werden, sucht man nach dem Eignungs- und Leistungsprinzip (Art. 33 Absätze 2 und 5 GG) die besten Bewerber aus und muss nach § 11 AGG diskriminierungsfrei ausschreiben. Andernfalls ist die Universität Ersatzansprüchen nach § 15 Absatz 2 in Verbindung mit § 24 AGG ausgesetzt, und zwar mit Beweislastumkehr nach § 22. Die Urteile des EuGH vom 8. November 1990 in der Rechtssache C-177/88 (Dekker, Slg. 1990, I-3941) und Rechtssache C-180/95 Draehmpaehl vom 22. 04. 1997 zeigen klar, dass der Ersatzanspruch durch den objektiven Verstoß in der Anzeigenformulierung ausgelöst wird und keiner Darlegung einer Art haftungsausfüllenden Kausalität bedarf. Diese Urteile ergingen noch vor dem Hintergrund der auf das Geschlecht begrenzten Antidiskriminierungsregeln in §§ 611a und 611b BGB, beanspruchen aber auch nach der Ausweitung der Diskriminierungsverbote durch das AGG weiterhin volle Beachtung. Die Diskriminierung kann nicht durch Hinweis auf eine Rechtsgrundlage im Grundgesetz beschönigt werden. Denn der in der Richtlinie zitierte Artikel 91b GG erlaubt keine geschlechtsspezifischen Abweichungen von Artikel 3, sondern eröffnet Kompetenzen zur Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre.

Diskriminierungsfreier Ausschreibungstext gesucht

Die Universitäten versuchen nun, solche Stellen zwar formal geschlechtsneutral auszuschreiben, aber dennoch im Ausschreibungstext irgendwie darauf hinzuweisen, dass die Stelle nur dann finanziert werden kann, wenn eine weibliche Bewerberin das – im Prinzip offene – Auswahlverfahren gewinnt. Wenn der Hinweis allzu deutlich ist, liegt eine offen diskriminierende Ausschreibung nach § 11 AGG vor; wenn er zu sehr verklausuliert ist, kann es sein, dass später Reise- und Bewerbungskosten für männliche Bewerber als Vertrauensschaden geltend gemacht werden oder dass unliebsames Presseecho entsteht, zum Beispiel unter dem Titel „Bewerber-Bluff”.

Meist versteckt sich das Problem in Sätzen wie „finanziert aus Mitteln des Programms für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre mit dem Ziel der Förderung der Chancengleichheit von Frauen in Forschung und Lehre” oder „sofern die Voraussetzungen vorliegen, ist eine Finanzierung aus Mitteln für zusätzliche Gleichstellungsmaßnahmen im Rahmen des Professorinnenprogramms II vorgesehen”. Beispiele solcher Versuche, in der Zwickmühle rechtskonform zu agieren, finden sich unter anderem in

 

Dr. Alexander Konzelmann

Leiter der Boorberg Rechtsdatenbanken RDB, Stuttgart
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