10.09.2013

Verjährung droht – Eile geboten

Kommunen sollten nichtige Beitragssatzungen schnellstmöglich ersetzen

Verjährung droht – Eile geboten

Kommunen sollten nichtige Beitragssatzungen schnellstmöglich ersetzen

Balance zwischen Rechtssicherheit einerseits und Fiskalinteresse andererseits verlangt Neuregelung. | © Cmon - Fotolia
Balance zwischen Rechtssicherheit einerseits und Fiskalinteresse andererseits verlangt Neuregelung. | © Cmon - Fotolia

Nichtige Beitragssatzungen können nicht mehr zeitlich unbegrenzt ersetzt werden: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG v. 05. 03. 2013 – 1 BvR 2457/08) fordert eine neue Verjährungsregelung – Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b KAG ist verfassungswidrig.

Entstehen der Beitragspflicht

Die h. M. verlangt für das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungs­gebundene Einrichtungen u. a. das Vorliegen einer gültigen Beitrags­satzung (BayVGH, in: BayVBl 2012, 45; BayVBl 2011, 240).

Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 KAG aber nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein, sondern kann auch später in Kraft treten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes nämlich vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen. Darin liege keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen kann und die neue Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreift (BVerwG, in: NVwZ 1986, 483; BayVBl 1976, 315).


Der Verjährungsbeginn

Für den Fall, dass eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt wird, sollte Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b KAG verhindern, dass eine rückwirkend entstandene Forderung verjährt, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstreckt. Die vierjährige Festsetzungsfrist sollte erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu

laufen beginnen, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht wird.

Dies aber verstößt gegen Art. 2 Abs. 1 GG und das Gebot der Rechtssicherheit, ein wesentlicher Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips, da es erlauben würde, Beiträge zeitlich unbegrenzt festzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht verlangt jedoch für einen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Fiskalinteresse auf der anderen Seite eine zeitliche Obergrenze für den Beginn der Verjährungsfrist. Die Bürger sollen mögliche staatliche Eingriffe voraussehen und sich darauf einrichten können.

Verjährungsregelungen sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Sie greifen ohne (betätigtes) Vertrauen.

Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für einen Vorteil durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Zwar wirken Vorteile über eine längere Zeit und tragen deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Ein Vorteilsempfänger muss in zumutbarer Zeit Klarheit darüber haben, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

Auftrag zur Neuregelung

Dem Gesetzgeber obliegt es nunmehr, einen gerechten Interessensausgleich zu schaffen. Da ihm dafür mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, hat das Bundesverfassungsgericht zunächst nur eine Unvereinbarkeitserklärung ausgesprochen. Sollte der Gesetzgeber untätig bleiben, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein.

Es bleibt dem Gesetzgeber nunmehr überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (OVG NRW, in: NVwZ-RR 2000, 535).

Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden BayVGH BayVBl 1985, 211).

Die Unvereinbarkeitserklärung führt jedenfalls dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 KAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf. Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen diese Vorschrift entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

Tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein, wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen.

Vorbeugende Maßnahmen seitens der Kommunen

Da in jedem Fall eine zeitliche Schranke zu erwarten ist, sollten Kommunen und Zweckverbände Satzungen, über deren Gültigkeit derzeit Streit besteht, baldmöglichst ersetzen und Beitragsbescheide – soweit noch nicht erlassen – auf den Weg bringen.

 

Dr. Friedrich Albrecht

Vorsitzender Richter am Bundespatentgericht a. D., München
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