10.09.2013

Lücken im Bildungscontrolling

Wie die Kompetenz einer Behörde bewertet werden kann

Lücken im Bildungscontrolling

Wie die Kompetenz einer Behörde bewertet werden kann

Effektive und effiziente Organisationsanalysen sind auch jenseits von Kennzahlen möglich. | © Cybrain - Fotolia
Effektive und effiziente Organisationsanalysen sind auch jenseits von Kennzahlen möglich. | © Cybrain - Fotolia

Über einen strukturierten und beteiligungsorientierten Ansatz ist es möglich, alle die Faktoren in ihrem Wirkungsverbund zu erfassen und zu bewerten, die die Kompetenz einer Organisation tragen. Dies zeigt ein im Landesamt für Besoldung und Versorgung durchgeführtes Pilotprojekt zum Thema Bildungscontrolling und Kompetenzmanagement.

Neue Evaluationsansätze

In einem sich verändernden Umfeld ist Lernen eine wichtige Anpassungs- und Veränderungsanforderung. Lernen entsteht durch die Zufuhr und die Reflexion von Information und Wissen und durch die Nutzung des daraufhin selbst generierten Handlungswissens. Bildung beschreibt dabei den Prozess und das erreichte Niveau des Lernens. Lernen kann heute auf unterschiedlichen Wegen erfolgen, indem inspirierende Seminare besucht, anregende Gespräche geführt, Projekte oder Routinen reflektiert werden oder der Lernstoff selbst erarbeitet wird. Lernen ist dabei immer ein Lernen des Einzelnen. Entscheidend für eine Organisation ist, dass das, was gelernt wird, auch im Sinne der Geschäfts- bzw. Behördenziele wichtig und richtig ist.

Eine Organisation kann dieses Lernen durch die Zur-Verfügung-Stellung von entsprechenden Fortbildungsmitteln, durch Freistellung oder durch die Schaffung von Lernmöglichkeiten und Lerngelegenheiten unterstützen. Auf das Lernen selbst hat sie keinen Einfluss. Steuern kann sie es nur, indem sie Lernanforderungen beschreibt und vor allen Dingen, die richtigen Prozesse und Instrumente zur Verfügung stellt, um die Überführung des Lerngewinns in die Organisation zu gewährleisten.


Der Lernerfolg wird – sofern überhaupt – meist nur auf der Grundlage des zur Verfügung gestellten und ausgegebenen Budgets, der wahrgenommenen Zufriedenheit und der potenziellen Nutzungsmöglichkeit bewertet. Diese Form der Bewertung beschränkt sich auf formales und gesteuertes Lernen. Sie bezieht sich dabei immer nur auf eine einzelne Bildungsmaßnahme. Die vielfältigen Formen des informellen und impliziten Lernens, der alternativen Lernorte und Lernwege sowie der Gestaltung arbeitsplatzbezogener Lernräume werden dabei ignoriert. Was fehlt, ist eine organisatorisch systemische Analyse des Bildungs- und Lernerfolgs. Diese Betrachtungserweiterung ist geboten, weil es nicht Fortbildungsziel einer Organisation sein kann, nur die höchstpersönliche Befähigung eines Einzelnen zu verbessern. Ziel einer Organisation ist es immer auch die Gesamtbefähigung zu steigern. Die bisherigen Evaluationsansätze ermöglichen im Wesentlichen nur eine Optimierung geplanter Lernsituationen. Sie dienen primär dem Bildungsträger zur Verbesserung seiner Produkte. Der hier vertretene Ansatz bezieht sich auf die Organisation als Lernnutzer. Rückt diese Organisationsperspektive nicht in den Fokus, besteht das Risiko, dass Bildungszugewinne im Kopf des Lernenden verbleiben.

Ob und wie intensiv das Erlernte in eine Organisation eingebracht wird, hängt wesentlich von den Arbeitsbedingungen und von der Bereitschaft des Lernenden ab, das auch zu wollen. Angesichts ausgeprägter Selbstentwicklungsbedürfnisse, kann heute zumindest von einer latenten Einbringungsbereitschaft der Lernenden ausgegangen werden, es sei denn, sie wird von der Organisation blockiert oder gehemmt. Damit stehen die ermöglichenden Bedingungen im Mittelpunkt der Nutzung der intellektuellen Ressourcen einer Organisation. Diese Bedingungen sind insbesondere die Bereitschaft der Beschäftigten, Verantwortung zu übernehmen und Wissen auszutauschen, die Qualität der Führungs-, Fach- und Sozialkompetenz, der professionelle Einsatz von Führungsinstrumenten, die Güte der Personaleinsatzsteuerung und der Personalentwicklung, die lerntransferorientierte Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Abläufe, die Angemessenheit der IT-Infrastruktur sowie die Qualität der Kooperation und Kommunikation im Innern wie nach außen. Ob sie vorliegen, bedarf der Analyse.

Das Pilotprojekt

Diese andere Perspektive auf ein „Bildungscontrolling“ konnte erstmals im Frühjahr 2013 in einer baden-württembergischen Landesbehörde getestet werden. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung und dort die Abteilung 3, zuständig für Besoldung und Versorgung, waren zu einer Pilotierung bereit. Unter Anleitung der Führungsakademie Baden-Württemberg wurden von einer repräsentativ zusammengestellten Gruppe in einem strukturierten und elektronisch gestützten Verfahren in drei Workshop-Tagen die oben genannten Einflussgrößen sowie drei Ergebnisgrößen identifiziert, besprochen, analysiert und bewertet. Bewertet wurde, wie ausgeprägt diese Einflussgrößen in der Wirklichkeit tatsächlich vorhanden und worauf sowohl Schwächen als auch Stärken zurückzuführen sind. Weiter wurde analysiert und bewertet, welche wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen diesen Einflussfaktoren bestehen und in welchem Verhältnis diese zum Geschäftserfolg stehen. Den Geschäftserfolg kennzeichnende Ziele waren die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, der Kundenzufriedenheit und der Qualifikation der Bediensteten sowie die Gestaltung motivierender Arbeitsbedingungen.

Ausgehend von diesen Zielen konnte aufgezeigt werden, wie mit Hilfe eines transparenten und nachvollziehbaren Selbstbewertungsansatzes das intellektuelle Vermögen dieser Abteilung zuverlässig eingeschätzt werden kann und wie bei einer ganzheitlichen Betrachtung die Maßnahmen, die den höchsten Nutzen versprechen, herausgefiltert werden können. Dies gelingt bei dieser Methode dadurch, dass die aus dem Qualitätsmanagement bekannte Bewertungssystematik nach Qualität und Nachhaltigkeit mit der Methode des vernetzten Denkens und mit dialogischen Verfahren zur Erschließung des impliziten Wissens verbunden werden.

In dem automatisiert erstellten Ergebnisbericht konnte der Abteilung eine sehr hohe Prozesseffizienz attestiert werden. Vorgeschlagen wurde unter anderem, wie die Weiterbildungsprogramme noch transferorientierter gestaltet und der Erfahrungsaustausch verbessert werden können. Hingewiesen wurde darauf, dass unter besonderen Bedingungen die Steuerung der Abläufe durch definierte Prozesse an Grenzen stoßen kann. Bestätigt werden konnte die Wichtigkeit des von der Behörde initiierten Führungskräfteentwicklungskonzepts. Vorgeschlagen wurde, dieses Konzept um selbstgesteuerte, praxisorientierte Lerngruppenformen wie das kollegiale Coaching zu ergänzen. Angeregt wurde auch, die Bewertung nach zwei oder drei Jahren zu wiederholen, um bewerten zu können, welche Wirkungen die auf diese „Eröffnungsbilanz“ hin veranlassten Maßnahmen erbracht haben.

Fazit

Ziel der Pilotierung war es, neben der Erstellung einer bildungs- und lernbezogenen Organisationsdiagnose für die Behörde auch in Erfahrung zu bringen, ob die im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums entwickelte Methode der „Wissensbilanz made in Germany“ auf öffentliche Verwaltungen übertragbar ist. Die Teilnehmer haben das generell bejaht. Übereinstimmend fanden sie die Methode interessant und inspirierend. Sie verschafft neue Einblicke, wie die eigene Behörde funktioniert. Die Teilnehmenden zeigten sich von der Wirkung des methodischen Vorgehens überrascht. Die Interpretation der Fragen wurde als Herausforderung angenommen. Insgesamt gesehen stellten sie fest, dass das Ergebnis ein realistisches Bild der Behörde zeichnet und die Methode mit leichten Anpassungen bei den Einflussfaktoren auf andere Landesbehörden übertragbar sein müsste.

Damit konnte nachgewiesen werden, dass der „Kompetenzmonitor“, so die Projektbezeichnung, geeignet ist, eine Lücke im Bildungscontrolling zu schließen. Das Projekt hat gezeigt, dass es auch jenseits von Kennzahlen ein wirksames Instrument gibt, mit dessen Hilfe effektiv und effizient eine auf Bildung und Lernen bezogene Organisationsanalyse durchgeführt werden kann.

 

Dr. Siegfried Mauch

Führungsakademie Baden-Württemberg, Stuttgart
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