15.10.2014

Vergütungsstruktur als Erfolgsfaktor

Leistungsanreizsystem für Geschäftsführer öffentlicher Unternehmen

Vergütungsstruktur als Erfolgsfaktor

Leistungsanreizsystem für Geschäftsführer öffentlicher Unternehmen

Vergütungssysteme müssen gut durchdacht sein, um dauerhaft zu optimaler Leistung und Erfolg zu führen. | © auris - Fotolia
Vergütungssysteme müssen gut durchdacht sein, um dauerhaft zu optimaler Leistung und Erfolg zu führen. | © auris - Fotolia

Immer häufiger werden Geschäftsführer öffentlicher Tochterunternehmen leistungsorientiert vergütet. Leistungsorientierte Vergütungsstrukturen dienen dabei als Steuerungsinstrument, das die Ziele der Tochterunternehmen mit denen des Mutterkonzerns in Einklang bringen und Leistungsniveaus erhöhen soll. Bei (Über)Erreichung der festgelegten Ziele winken den Geschäftsführern zumeist monetäre Prämien. Vor allem im „Konzern Stadt” erfreut sich dieses Steuerungsinstrument großer Beliebtheit: Nach der Privatisierungswelle der 1980er und 1990er Jahre in Deutschland sahen sich nun viele Städte mit der neuartigen Herausforderung konfrontiert, die so ausgegliederten Töchterunternehmen zu steuern. Kurzfristiges Resultat dieser noch unerschlossenen und hoch komplexen Aufgabe waren Missstände und eine generelle Laissez-faire-Haltung gegenüber den Töchtern.

Für Abhilfe soll ein gezieltes Beteiligungsmanagement sorgen, das sich dafür unter anderem einer Leistungssteuerung über Kennzahlen und Prämien bedient. Entsprechend thematisierte auch die 2. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance, die dieses Jahr einem zukunftsfähigen Beteiligungsmanagement gewidmet war, Vergütungsstrukturen von Geschäftsführern öffentlicher Unternehmen als wesentlichen Erfolgsfaktor. Über diese Veranstaltung, die vom 28. bis zum 29. April 2014 stattfand, haben wir in der Juli-Ausgabe berichtet (siehe PUBLICUS 2014.7, S. 18 ff.). Doch wie sehen erfolgsversprechende Vergütungsstrukturen en détail aus? Wie sollen Ziele festlegt, wie die Zielerreichung gemessen werden? Und unter welchen Bedingungen können finanzielle Prämien motivieren?

Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Motivationswirkung variabler Vergütung hoch umstritten. Die Einführung externer monetärer Anreize kann zu einem niedrigeren Leistungsniveau als zuvor führen: Das ursprüngliche Motivationsmoment der Tätigkeit an sich, die sogenannte intrinsische Motivation, wird durch den zusätzlichen externen Anreiz verdrängt. Die zu erreichende Prämie liegt dann nur mehr im Fokus der leistungsorientiert Belohnten. Solche Effekte sind allerdings nicht zwingend. Intrinsische Motivation kann bei Schaffung bestimmter Rahmenbedingungen ebenso durch extrinsische Anreize verstärkt werden. Die Ökonomen Bruno S. Frey und Margit Osterloh haben diese verschiedenen Facetten des Zusammenspiels intrinsischer und extrinsischer Motivation untersucht („Crowding Effects”) und wegweisende Bereiche aufgedeckt, die es als Rahmenbedingungen für den Verstärkungseffekt zu beachten gilt.


Eben diese Rahmenbedingungen gilt es auch bei der Kennzahlensteuerung zu etablieren. Dabei muss vor allem auch der jeweils einzigartigen Ausgangssituation, in der sich der Mutterkonzern befindet, Genüge getan werden. Das städtische Beteiligungsmanagement sieht sich dem öffentlichen Zweck verbunden und damit gesellschaftlichen Interessen. Gerade in einem solchen prosozialen Umfeld kann es zu einer Verdrängung vorhandener intrinsischer Motivation kommen. Umso achtsamer sollten der öffentliche Bereich im Allgemeinen und Städte im Speziellen mit der Einführung leistungsorientierter Anreizstrukturen umgehen. Darüber hinaus treten nolens volens in den allerwenigsten Arbeitsumfeldern ausschließlich rein intrinsisch oder rein extrinsisch motivierende Faktoren auf. Vielmehr sind Mischformen die Regel.

Bei aller Komplexität der Zusammenhänge konnte belegt werden, dass vor allem folgende drei Aspekte ausschlaggebend für die Verstärkung von Motivation sind. Sie tragen alle dazu bei, dass Leistungsziele nicht zum alleinigen Mittel zum Zweck werden:

  1. Die Freude an der Arbeit im sogenannte Flow-Erlebnis
  2. Das Einhalten von Normen innerhalb psychologischer Verträge
  3. Die Möglichkeit selbstbestimmten Handelns

Jeden dieser Aspekte können zu schwer erreichbare Zielvorgaben, eine wahrgenommene Unterforderung und als unfair oder kontrollierend empfundene Vergütungssysteme konterkarieren. Die Teilnehmer der Speyerer Tagung für Public Corporate Governance teilten ähnlich negative Erfahrungen. Um ihnen entgegenzuwirken, ist eine gewissenhafte Auseinandersetzung mit allen drei Aspekten unabdingbar, um richtungsweisende Empfehlungen für tatsächlich erfolgsversprechende Vergütungssysteme abzugeben:

Freude an der Arbeit stärken: der Flow-Effekt

Der Psychologe und Managementwissenschaftler Mihaly Csikszentmihalyi beschrieb das Flow-Erlebnis als Glückserfahrung durch das vollständige Aufgehen im eigenen Tun. In diesem Zustand befindet sich ein Individuum regelmäßig dann, wenn es in jedem Augenblick seines Handelns eine Ausgeglichenheit zwischen den wahrgenommenen Anforderungen und den eigenen Fähigkeiten erfährt und unmittelbar positive Ergebnisse verzeichnen kann. Im Flow-Erlebnis ist es möglich, in freier Exploration hoch konzentrierte, gegenwärtige Arbeit zu leisten, die das Zeitgefühl verändert und die Außenwelt vergessen lässt.

Um das Flow-Gefühl für eine auszuführende Tätigkeit zu stärken, stehen im Rahmen leistungsorientierter Vergütung mehrere Stellschrauben zur Verfügung: Die Leistungsziele der Leitungspositionen in den Töchtergesellschaften können so angepasst werden, dass deren Angemessenheit und damit eine Ausgeglichenheit zwischen Anforderungen und Fähigkeiten gewährleistet wird. Die festgelegten Ziele sollten den Leistungserbringer weder über- noch unterfordern, sie sollten Zwischenziele beinhalten und nur in gemeinsamen Leistungsgesprächen festgelegt werden. Ein Top-Down-Vorgehen ist hier zu vermeiden, schließlich kann nur der Leistungserbringer Aussagen darüber treffen, welche Ziele er oder sie als angemessen wahrnimmt. Die Wahrnehmung der Angemessenheit wiederum kann durch unmittelbare Rückmeldungen durch die Tätigkeit an sich oder auch etwa mittels Fortbildungsmaßnahmen beeinflusst werden. Hierbei ist die Verknüpfung und gemeinsame Ausrichtung von Leistungssteuerungs- und Personalentwicklungsmaßnahmen wegweisend. Eine Personalauswahl der Aufgabe entsprechend schließt den Kanon der aufeinander auszurichtenden Personalfunktionen. Insgesamt kann so die Tätigkeit per se als Hauptziel im Fokus aller Akteure bewahrt werden.

Normen einhalten: psychologische Verträge

Neben dem reinen Tauschvertrag, den Leistungsempfänger und -erbringer schließen, indem sie sich auf die zu erbringende Leistung und die (variable) Gegenleistung verständigen, bestehen zwischen Geschäftsführern städtischer Beteiligungen und den Verantwortlichen innerhalb der Stadtverwaltung regelmäßig auch psychologische Verträge. Solche psychologischen Verträge würdigen gegenseitig die intrinsische Motivation des Gegenübers und sind von nicht-instrumentaler Natur, das heißt, die darin ausgeübten Handlungen dienen nicht als berechnetes Mittel zum Zweck und werden auch nicht als solches empfunden. Eine Verletzung von Fairnessnormen kann zum Bruch von psychologischen Verträgen führen. Wenn etwa Vergütungssysteme unbegründete Sanktionen für die Verletzung bisher stets eingehaltener Normen beinhalten, so kann bereits die Androhung einer Bestrafung leicht als ungerechte Geringschätzung bisheriger Leistung empfunden werden. In der Folge treten eine Verdrängung der intrinsischen Motivation zur Einhaltung des psychologischen Vertrages und Vertragsbrüche des Gegenübers ein. Um Vertragsbrüche zu vermeiden, gilt es etwa in Partizipation faire Systeme mit als gerecht empfundenen Kennzahlen zu etablieren anstatt, wie in der Praxis allzu oft der Fall, auf bereits vorhandene oder leicht messbare Kennzahlen zurückzugreifen. Wieder kann auch hier ein Fokus auf gemeinsame Ziele den Teamgeist zwischen Stadt und Beteiligungen aufrechterhalten und damit die gegenseitige Bereitschaft erhöhen, psychologische Verträge einzugehen.

Selbstbestimmtes Handeln ermöglichen

Als weiteren Stellhebel einer erfolgsversprechenden Gestaltung extrinsisch motivierender Faktoren haben die Psychologen Edward L. Deci und Richard D. Ryan gemäß ihrer Selbstbestimmungstheorie den Ort der Handlungsverursachung, den sogenannte „locus of causality”, definiert. Je nachdem, ob die Form der extrinsischen Motivation eher frei von einem Individuum gewählt oder als von außen aufgezwungen empfunden wird, wirkt sich diese verstärkend oder verdrängend auf bereits vorhandene intrinsischer Motivation aus. Wird ein externer Anreiz etwa mit der Möglichkeit gekoppelt, aus einem Pool von Leistungszielen zu wählen, erhöht das die zugesprochene Autonomie; der Kontrollschwerpunkt verschiebt sich in Richtung selbstbestimmten Handelns.

Je mehr ein Individuum in die Gestaltung der Entgeltsysteme, die Wahl der Leistungsziele und die Höhe der Soll-Ziele eingebunden wird, umso eher wird es die Ziele als persönlich relevant erachten und sich mit ihnen identifizieren können. Handlungen werden dann nicht mehr nur fremdbestimmt ausgeführt, um Belohnung zu erhalten oder Bestrafung zu vermeiden, sondern freiwillig gewählt. Neben Bedingungen, die die Autonomie etwa in Form von Wahlmöglichkeiten stärken, hilft die transparente Offenlegung von Hintergründen, die für die Wahl bestimmter Ziele ausschlaggebend waren, ein als informativ und nicht kontrollierend empfundenes System zu etablieren.

Neben dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung definieren Deci und Ryan zwei weitere menschliche Grundbedürfnisse – nämlich den Wunsch nach Kompetenz und sozialer Eingebundenheit, die es für eine erfolgreiche Integration extrinsischer Vergütungsstrukturen zu beachten gilt. Auch hier sind begleitende Maßnahmen der Kompetenzförderung und die Einbeziehung in einem sozialen Kontext richtungsweisend.

Fazit: Über kollektives Handeln zu gemeinsamen Zielen

Regeln der Kooperation sowie Partizipationsmöglichkeiten erhöhen insgesamt die Motivation, leistungsbereit gemeinsame Ziele zu verfolgen. Bei der Konzeption, Ein- und Durchführung variabler Vergütungsstrukturen sollten sie daher nicht fehlen, um extrinsische Motivationsfaktoren wie Leistungsvergütung erfolgreich zu integrieren.

Nur angemessene (im Sinne des Flow-Effekts), als gerecht empfundene (im Sinne psychologischer Verträge) Leistungsziele, die Autonomie und Kompetenz des Leistungserbringers nicht untergraben (im Sinne der Selbstbestimmungstheorie), können eine verstärkende Wirkung variabler Vergütung auf bereits vorhandene intrinsische Motivation entfalten.

Von besonderer Bedeutung ist die Einhaltung der drei vorgestellten Erfolgsfaktoren für die Einführung von Leistungsvergütung im öffentlichen Sektor, da laut neuesten Studien eine Verdrängung von intrinsischer Motivation und damit Leistungsabfall infolge der Fehlgestaltung solcher Systeme vor allem in prosozialer Umgebung auftreten kann.

Die Tagungsreihe zu Public Corporate Governance bietet eine Plattform, um solche und andere Themen mit Vertretern aus Wissenschaft, Praxis und der öffentlichen Verwaltung zu diskutieren, weiterzuentwickeln und erfolgreich umzusetzen. Die 3. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance wird vom 13. bis 14. April 2015 an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften stattfinden.

 

Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner

Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, Speyer Wissenschaftliches Institut für Unternehmensführung und Corporate Governance (wifucg), Berlin
 

Dipl.-Kffr. Martyna Swiatczak

Wissenschaftliche Beraterin und freie Dozentin, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, Speyer
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