15.10.2014

E-Vergabe – schöne neue Welt!

Interview mit den geschäftsführenden Gesellschaftern von enPORTAL

E-Vergabe – schöne neue Welt!

Interview mit den geschäftsführenden Gesellschaftern von enPORTAL

© Cybrain - Fotolia
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Clemens Graf von Wedel (54)
hat an den Universitäten Freiburg und München Jura studiert und das Studium 1990 als Assessor iur. in Düsseldorf abgeschlossen. Bis 1997 arbeitete er in verschiedenen Funktionen für die Treuhandanstalt in Berlin. Seit 1998 ist er als Energieeinkaufsberater selbständig. Im Jahr 2008 gründeten er und Rainer Otto das Unternehmen enPORTAL, seitdem ist Wedel geschäftsführender Gesellschafter der enPORTAL GmbH mit Sitz in Hamburg-Harburg.

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Rainer Otto (49)
hat an der Universität Hamburg und der Technischen Universität Hamburg-Harburg Wirtschaftsingenieurswesen studiert und das Studium 1992 als Diplom-Ingenieur oec. abgeschlossen. Nach vertriebsnahen Funktionen für Investitionsgüter im Energieanlagenbau (KAEFER Isoliertechnik, Bremen und Freudenberg, Weinheim) wechselte er 1998 mit Beginn der Energiemarktliberalisierung zu VASA Energy, der damaligen Vertriebsgesellschaft von Vattenfall in Deutschland. Dort leitete er den Industriekunden-Vertrieb, seit 2002 ist er selbständiger Energieeinkaufsberater. Im Jahr 2008 gründeten er und Clemens Graf von Wedel das Unternehmen enPORTAL, seitdem ist Otto geschäftsführender Gesellschafter der enPORTAL GmbH mit Sitz in Hamburg-Harburg.

Die Chancen mit enPORTAL

Der öffentliche Sektor ist mit einem Auftragsvolumen von mehr als 250 Milliarden Euro der größte Auftraggeber in Deutschland. Die Kommunen haben daran einen maßgeblichen Anteil. Der bei diesen öffentlichen Auftragsvergaben einzuhaltende Prozess verursacht jährlich Bürokratiekosten in Höhe von rund 19 Mrd. Euro. Um diese Kosten zu reduzieren und das Vergabewesen insgesamt schlanker und effizienter zu gestalten, soll zukünftig jedes Vergabeverfahren vollelektronisch und „medienbruchfrei” abgewickelt werden (sog. e-Vergabe). Während die e-Vergabe bislang nur als optionale Regelung ausgestaltet war, ist sie nunmehr in Art. 22 der RL 2014/24/EU zur verbindlichen Vorgabe geworden. Die EU-Vergaberichtlinien sind bis April 2016 in deutsches Recht umzusetzen. In der Ausgabe 2014.9 des PUBLICUS haben wir erstmals ein Online-Tool für Ausschreibungen im Energiebereich vorgestellt.


Für PUBLICUS sprach Christine Kreitmeier-Heger mit den geschäftsführenden Gesellschaftern Clemens Graf von Wedel und Rainer Otto über die Chancen, die ihr Energiebeschaffungs-Portal enPORTAL bietet.

PUBLICUS: Graf von Wedel, Herr Otto, zunächst eine grundsätzliche Frage: Wie ist die aktuelle Stimmung bei den Kommunen. Schließlich stehen bei einigen wahrscheinlich größere Veränderungen an.

enPORTAL: Natürlich verursacht die künftige Pflicht zur e-Vergabe erst mal Unsicherheiten und das spüren wir bei vielen. Nach dem ersten Schritt aber, nachdem man den Wandel vollzogen hat, erkennen doch viele die Chancen, die das bietet.

Wer jahrzehntelang mit dem Taschenrechner gerechnet hat und plötzlich Excel verwenden soll, ist erst mal vorsichtig. Sobald er merkt, dass Excel doch mehr kann als der Taschenrechner und man die Daten und Prozesse einfacher verwalten kann, wird es auch genutzt und dann kommt doch die Erkenntnis.

PUBLICUS: Wie sind Sie überhaupt zu der E-Vergabe gekommen? Und wie kam es dann zur Entwicklung dieser Plattform? Vielleicht erzählen Sie zunächst, wie Sie beide das Portal ins Leben gerufen haben, und wie Sie auch zu den öffentlichen Ausschreibungen gekommen sind.

enPORTAL: Wir sind seit vielen Jahren als Einkaufsberater unterwegs. In den Anfangsjahren haben wir Energieeinkauf gemacht, so wie es viele heute noch machen. Das heißt, wir haben mit Hilfe von Telefon und Fax, einer großen Excel-Liste und per E-Mail Angebote angefragt und angefordert. Diese haben wir ausgewertet und versucht, die Angebote mathematisch vergleichbar zu machen, um dann dem Kunden das Angebot des günstigsten Lieferanten vorlegen zu können.

Das hat funktioniert und es hat lange sehr gut funktioniert. Doch Strom und Gas werden an der Börse gehandelt, es sind also Produkte mit sich schnell ändernden Preisen. Die Strom- und Gasbörse in Leipzig, die EEX, hat Mitte des ersten Jahrzehnts sehr stark an Handelsvolumen zugenommen und damit stark für eine Transparenz der Preise gesorgt – aber auch die Geschwindigkeit zwischen der Abgabe eines Angebots und der Annahmemöglichkeit erhöht. Wer schnell reagieren konnte, der hat auch gute Preise bekommen, und das ist auch noch heute so.

Wir haben damals erkannt, dass unsere Methoden zwar zu einem ganz guten Ergebnis führen, aber nicht mehr zu dem besten. Gerade dann, wenn wir für viele Abnahmestellen Angebote angefordert hatten – und das gleichzeitig gemacht haben –, konnten wir nicht mehr schnell genug sein. Zudem sind mit dem immer stärker liberalisierten Markt auch mittlere Stadtwerke auf den Markt gekommen, die nicht nur in ihrem Stadtgebiet, sondern auch darüber hinaus, also bundesweit, angeboten haben.

Um diesem Dilemma Herr zu werden, sahen wir die Lösung im Internet, da man dort Kunden und Lieferanten vernetzen kann und der ganze Prozess der Ausschreibung, der Angebotsabgabe und der Auswertung in der Cloud stattfinden kann.

Daher haben wir 2007 begonnen, die Vergabeplattform zu programmieren, und sind 2008 für privatrechtliche Ausschreibungen online gegangen. Gestartet sind wir mit unserem damaligen Kundenstamm. Nach einem Jahr kam die Firma KUBUS Kommunalberatung und Service, ein Unternehmen aus Schwerin, auf uns zu. KUBUS ist eine Beteiligungsgesellschaft des Mecklenburg-Vorpommerischen Städte- und Gemeindetages und des Schleswig-Holsteinischen Städte- und Gemeindetages. Diese Gesellschaft erbringt Dienstleistungen für Kommunen. Will beispielsweise eine kleine Kommune ein Feuerwehrauto neu beschaffen (was ja eher alle 20 Jahre vorkommt), lässt sie dies über KUBUS erledigen, da das Unternehmen als Profi bessere Konditionen erhält und auch weiß, worauf man aufpassen muss, damit das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.

KUBUS hat auch Strom- und Gas-Ausschreibungen für die Kommunen gemacht. Dies allerdings nach der alten VOL, bevor es die Möglichkeit gab, elektronisch auszuschreiben. Das war ein extrem formell aufwändiges Verfahren, was aber für ein börsengehandeltes Produkt wie Strom und Gas denkbar ungeeignet war.

PUBLICUS: Inwiefern?

enPORTAL: Und zwar aus mehrfachen Gründen: Einerseits gibt es in der VOL extrem lange Bindefristen an ein Angebot (im Bauleistungsbereich sind das 42 Tage). Das macht bei einem an der Börse gehandelten Produkt wie Strom und Gas keinen Sinn. Dazu kommt, dass die VOL viele Zusatzinformationen von einem Lieferanten verlangt. Sie müssen verschiedenste Eigenerklärungen abgeben. Das wurde früher – im Baubereich ist das immer noch so – alles in Papier gemacht. Ein Beispiel: Eine Kommune hat ein Rathaus, eine Schule, 50 Straßenlaternen und zwei Klärwerke. Früher wurden diese ganzen Informationen – die Zähler, die Zählpunktbezeichnungen, die Verbräuche, die Leistungen – abgeschrieben, ein Leistungsverzeichnis erstellt und dieses per Post an verschiedene Lieferanten geschickt. Diese mussten alle Eigenerklärungen (z. B. zur Tariftreue) abgeben, ein Angebot abgeben und sich 42 Tage daran halten.

Im Ergebnis führte dies dazu, dass einerseits solche Ausschreibungen kaum stattgefunden haben und wenn doch, kam in der Regel nur ein Angebot von dem örtlichen Lieferanten. Denn der kannte schon alle Zähler und Zählpunktbezeichnungen, er hatte die Daten und musste das nicht noch einmal erfassen. Er hat die Eigenerklärung abgegeben, einen relativ hohen Preis angesetzt – weil er wusste, es wird sowieso kein anderer anbieten. Allein der formelle Aufwand war enorm.

PUBLICUS: Also fand kein Wettbewerb statt?

enPORTAL: Diesen gab es im Prinzip nicht.

PUBLICUS: Wie kam es nun zu der Zusammenarbeit mit KUBUS?

enPORTAL: Der Geschäftsführer von KUBUS fragte an, ob er nicht die Ausschreibungsplattform für sich nutzen könne, im Wege einer Lizenz, wenn es gelingen würde, die VOL-rechtlichen Sondervorschriften darin abzubilden. Das war 2009. Damals wurde die VOL erweitert, indem die elektronische Vergabe als weitere Verfahrensart zugelassen wurde.

Das war auf dem Feld der E-Vergabe sozusagen der Durchbruch im Bereich Energie. Wir haben das Portal entsprechend programmiert und erweitert, d. h. wir haben das VOL-Verfahren mit den Vergabefristen, mit der sogenannten elektronischen Signaturkarte – das ist eine besondere Art der Verschlüsselung und der Unterschrift – abgebildet. Die VOL hat das Verfahren gegenüber dem alten Verfahren etwas geändert.

PUBLICUS: Worin bestanden die Unterschiede?

enPORTAL: Es gibt jetzt ein zweistufiges Verfahren, das wie folgt aussieht:

In der ersten Stufe gibt es ein Qualifizierungsverfahren für interessierte Unternehmen, die dort anbieten können. Dieses findet nach wie vor in der 42-Tage-Frist statt. Hier muss man sich qualifizieren, um an dem eigentlichen Verfahren, dem Auktionsverfahren, teilnehmen zu dürfen.

In Bezug auf das anschließende Auktionsverfahren kann der Auftraggeber frei bestimmen, wann er dieses durchführt. Es ist ein sehr kurzes Verfahren. Bei uns läuft das in sechs Stunden ab: Es wird meistens morgens gestartet und endet am selben Tag gegen Mittag. In verschiedenen Stufen können die Bieter ihre Angebote verbessern und am Ende, bei Zeitablauf, erhält automatisch derjenige Bieter, der das beste Angebot hat, den Zuschlag und wird beauftragt.

PUBLICUS: Worin sehen Sie den entscheidenden Unterschied zu dem alten „Papier-Verfahren”?

enPORTAL: Der entscheidende Unterschied zwischen dem papierenen Verfahren und der elektronischen Plattform ist folgender: Wir stellen die ganzen Daten – also der Abnahmestellen (Verbräuche, Leistung, Zähler) – elektronisch zur Verfügung, d. h. in einer Datei. Ein potentieller Lieferant kann sich diese dann herunterziehen und weiterverarbeiten. Das wird in den Fällen interessant, in denen viele Abnahmestellen bestehen und ein Lieferant (sofern er den Kunden gewinnt) die ganzen Daten weiterverarbeiten muss, um die Abnahmestellen für die Lieferung anzumelden und sie im eigenen System zu pflegen.

Das war früher sehr aufwändig, weil es per Hand erfolgte.

Das fällt durch das elektronische Verfahren komplett weg.

PUBLICUS: Das heißt: einmaliger Aufwand, mehrfacher Nutzen?

enPORTAL: Der Aufwand ist für uns, die Daten einmal zu erfassen und im System darzustellen. Für den Lieferanten bedeutet es, dass er im Prinzip mit diesen Daten maschinell weiter arbeiten kann. Für die Gemeinde, die Stadt, den Landkreis ist es zunächst eine größere Hürde: Das Herrschaftswissen, das bisher der alte Versorger hatte, wird diesem entzogen und letztendlich in unsere Datenbank eingelesen. Das ist auch relativ einfach möglich, wenn man entsprechende Excel-Dateien bereitstellen kann. Und wenn das einmal stattgefunden hat, ist in den Folgejahren der Aufwand sehr gering, quasi null.

PUBLICUS: Wie wird mit Änderungen bei den Auftrag- gebern verfahren?

enPORTAL: Der Kunde muss das bei wesentlichen Änderungen, die die Zukunft betreffen, mitteilen. Beim Thema Verbrauch gibt es Informationspflichten des alten Versorgers, oder des Versorgers, der die Ausschreibung gewinnt.

Bei leistungsgemessenen Abnahmestellen (Verbrauch > 100.000 kwh p. a.) können wir die Daten automatisch monatlich aktualisieren. Eine Information muss außerdem fließen, wenn der Kunde, z. B. eine Gemeinde, das Rathaus umbaut o.Ä. und den alten Zähler gegen einen neuen austauscht.

Ebenfalls dann, wenn eine Schule geschlossen oder eine neue Abnahmestelle, z. B. ein Kindergarten eröffnet wird. Sind die ganzen Informationen einmal angelegt – stehen sie auf Jahre hinaus für die Ausschreibung zur Verfügung.

enPORTAL: Der entscheidende Unterschied, den wir gerne noch einmal herausarbeiten würden, ist, dass die Ausschreibung früher nur mit einem sehr hohen formellen Aufwand durchführbar war. Die Masse der potentiellen Anbieter hatte daran gar nicht teilgenommen, weil der Verarbeitungsaufwand viel zu groß war, um wettbewerbsmäßig ein vernünftiges Angebot abgeben zu können. Durch den elektronischen Datenaustausch fällt der formelle Aufwand weg.

PUBLICUS: Wie hat sich das bei Ihnen in Zahlen ausgewirkt?

enPORTAL: Als wir 2009 zunächst mit Strom nach der VOL gestartet sind, hat das dazu geführt, dass wir am Anfang zwischen drei und fünf Angebote bekommen haben. Das war insofern schon eine Verfünffachung, da bisher immer nur ein Angebot vorgelegen hatte.

Bei unseren privatrechtlichen Ausschreibungen lagen wir da bereits irgendwo zwischen 10 und 30 Angeboten. Ein halbes Jahr später waren wir dann im öffentlich-rechtlichen Energiebereich schon auf demselben Niveau der Angebotszahl wie im privatrechtlichen Bereich.

Das Interessante ist, dass die Teilnehmer, die dort dabei sind, sich nicht nach großen oder kleinen Unternehmen selektieren. Es ist vielmehr eine phantastische Mischung durch die Landschaft unserer Stadtwerke und größeren Verbundunternehmen.

PUBLICUS: Ist das denn für die Stadtwerke schlecht, dass der Wettbewerb vielleicht dazu führt, dass sie da rausgedrängt werden? Oder ist es vielleicht sogar positiv, weil sie flexibler sind?

enPORTAL: Genau das ist der Punkt: Es ist für diejenigen positiv, die das Verfahren als Chance erkennen und die auch Kunden gewinnen möchten. Sehr viele Stadtwerke, sowohl größere und mittlere als auch kleinere, drängen über ihr eigenes Stadtgebiet hinaus und wollen auch Städte und Gemeinden außerhalb versorgen. Für diese Stadtwerke ist es eine ungeheure Chance, die sie auch nutzen. Es ist also beileibe kein Thema nur für „die Großen”.

Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass die Großen – also EON, RWE, ENWB, Vattenfall – die Gewinner dieser Liberalisierung sind.

PUBLICUS: Nicht die Größe ist also entscheidend dafür, günstig Preise anbieten zu können?

enPORTAL: Genau, auf die Größe kommt es nicht an. Letztendlich ist der Preis an der Börse, der zu jeder Minute wechselt, immer der Ausgangspunkt für eine Kalkulation, egal wo man für den Verkauf zuständig ist. Und dann stellt sich die Frage, wie viele interne Kosten man hat, um den an der Börse gehandelten Strom zum Endkunden zu bringen. Da zeigt die Erfahrung ganz deutlich, dass die mittleren und kleineren Stadtwerke sehr viel kostengünstiger aufgestellt sind als die Großkonzerne.

Bei uns sieht man klar, dass die mittleren und kleineren Stadtwerke die Gewinner dieses Verfahrens sind. Allerdings nur diejenigen, die es für sich als Chance erkennen. Wenn ein Stadtwerk nicht nach außen geht, sondern im Stammgebiet versucht, den Status quo zu halten, dann ist dieses Verfahren nicht gut.

PUBLICUS: Worin liegen darüber hinaus die Chancen der Stadtwerke?

enPORTAL: Hier gibt es verschiedene Gründe. Einer ist, dass ein Stadtwerk nicht diese Margenerwartung hat wie z. B. EON, ENBW oder Vattenfall. Letztere haben ganz klare Vorgaben an ihre Vertriebsabteilung, die bei ihrer Kalkulation bestimmte Margen einpreisen müssen.

Außerdem laufen unserem Eindruck nach manche Prozesse wesentlich schlanker ab als in großen Unternehmen.

Zudem gibt es sicher auch welche, die eine gewisse kommunale Nähe haben, also ein besonderes Augenmerk darauf haben, in bestimmten Regionen präsent zu sein, um dort neue Kunden gewinnen zu können.

Unser Lieblingsbeispiel ist eine Ausschreibung, die wir im letzten Jahr in Bayern mit KUBUS zusammen durchgeführt hatten. Es wurde für gut 1000 Kommunen eine Stromausschreibung gestartet für die Jahre 2015, 2016, 2017. Gestartet wurde also in drei Paketen, in diesen untergliedert nach Landkreisen und Nutzungsarten (nur Straßenlaternen, z. T. Ökostrom usw.).

Vorher gab es dort im Wesentlichen zwei Lieferanten. Das waren EON Bayern und die Lechwerke LEW, also ein regionaler Versorger. Nach der ersten Ausschreibung sah die Landschaft ziemlich anders aus. EON und LEW haben etwa 50 % ihrer Lieferstellen an den Wettbewerb verloren. Es gibt z. B. jetzt unter anderem ein mittelgroßes Los, das durch die Stadtwerke Neustadt in Holstein beliefert wird. Das konnte sich vorher niemand vorstellen. Das sind vielleicht 30 Leute, die in Schleswig-Holstein ein Stadtwerk betreiben; die kaufen gut ein und sind in der Lage, sich ein Los mit 2000 – 3000 Abnahmestellen zu sichern. Das war vorher in der „alten Welt” physisch einfach gar nicht möglich.

Und daran sieht man erneut den Unterschied dieser elektronischen Vergabe: Sie können sehr viel mehr Marktteilnehmer befragen, die eine wirkliche reelle Chance haben, an diesem Verfahren teilzunehmen und mitzubieten.

PUBLICUS: Kann man denn aufgrund des verstärkten Wettbewerbs aus Verbrauchersicht annehmen, dass der Strompreis sich zumindest nicht so sehr erhöht, wenn die Kommunen ihre Ersparnisse weitergeben?

enPORTAL: Auf jeden Fall kann man so weit gehen. Auf der einen Seite steht der eigentliche Strompreis, also der Erzeugungspreis im Kraftwerk. Der ist in den letzten Jahren kontinuierlich gefallen. Auf der anderen Seite stehen die Umlagen, insbesondere die Umlagen für die Erneuerbaren Energien (EEG-Umlage). Sie ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Kunden, die in der Vergangenheit intensiv den Wettbewerb genutzt haben, hatten letztendlich in der Regel die Situation, dass sie trotz steigender Umlage keine Erhöhung im Gesamtstrompreis hatten, weil sie günstiger eingekauft haben.

PUBLICUS: Die Kostenersparnis liegt dann im Fall der bayerischen Kommunen konkret worin?

enPORTAL: Im niedrigeren Energiebeschaffungspreis, der weitergegeben wird.

Aber man muss natürlich sagen, dass das von den Großhandelspreisen an der Börse abhängt. Dort sind die Strompreise sehr niedrig, man kann aber auch nie günstiger einkaufen, als der Markt es zulässt.

Vorher wurden eigentlich nicht wirklich Marktpreise eingekauft: Wenn ich immer nur mit einem Lieferanten abschließe und der das weiß, kann man sich vorstellen, dass dieser nie das anbieten wird, was eigentlich möglich wäre.

PUBLICUS: Wie kommen Sie an die Lieferanten, an die Bieter?

enPORTAL: Die Lieferanten sind bei uns auf der Plattform gelistet. Es gibt theoretisch 900 Lieferanten in Deutschland. Das fängt an mit den großen vier, deren Tochtergesellschaften, den freien Verbundunternehmen, den ganzen Stadtwerken. Wir haben auf unserer Plattform 500 Lieferanten, die also einen ständigen Zugang dazu haben. Und wenn es einen Lieferanten gibt, der mitmachen will, aber noch keinen Zugang zu der Plattform hat, meldet er sich hier und bekommt den Zugang.

PUBLICUS: Wie schätzen Sie denn die Situation bei den Kommunen ein? Wie sind die denn momentan in ihrer Ausstattung generell vorbereitet? Ist ein schneller „Umstieg” möglich bzw. was müssen sie an Voraussetzungen im schlechtesten Fall noch schaffen bzw. was ist im besten Fall vorhanden?

EnPORTAL: Wir können das nur für den Bereich Strom und Gas beurteilen. Die Voraussetzungen sind total einfach: Nötig ist ein Rechner mit Internetzugang und später eine Chipkarte für die Signatur.

Sofern es Dienstleister gibt, die ihnen die Dienstleistung der Plattform anbieten, sind die Vorbereitungen und Voraussetzungen banal.

Anders ist es, wenn es dazu keine Dienstleistung gibt. Dies wird sich jetzt aber durch die Pflicht zur elektronischen Vergabe durch Entwicklung von entsprechenden weiteren Plattformen sicher sehr stark ändern. Für eine kleine Kommune macht es keinen Sinn, ein e-Vergabeverfahren zu entwickeln, mit dem es dann am Markt diese Abfragen macht. Eigentlich müssten sich in den nächsten zwei Jahren verschiedene Dienstleister etablieren.

Für Strom und Gas gibt es unsere Plattform. Uns ist aber nicht bekannt, dass es eine vergleichbare Plattform für z. B. Gebäudereinigung, für Schulen oder Rathäuser gibt.

PUBLICUS: Wie hat man sich das konkret vorzustellen: Eine Kommune entscheidet sich, ihre Strom- und Gasausschreibungen über enPORTAL zu organisieren. Gebe ich Ihnen meine Excel-Listen mit den Vergabestellen?

enPORTAL: So kann man sich das vorstellen, relativ trivial. Vorher sollte man natürlich einen Vertrag mit uns schließen. Die Gemeinde oder KUBUS gibt uns eine Excel-Datei mit den Zählern der Gemeinde, wir importieren die Daten in das System, der Kunde bekommt einen Zugang zu dem Portal, damit er seine Abnahmestellen selber in dieser cloudbasierten Lösung noch einmal nachvollziehen kann – und dann geht es los.

Zunächst wird die sogenannte Qualifizierungsphase gestartet. Dann kann die Kommune, je nach Marktlage, das Auktionsverfahren starten.

PUBLICUS: Wie verhält es sich mit dem „Self Service”, den Sie auf Ihrer Homepage anbieten. Dieser reicht für das komplette Verfahren wohl nicht?

enPORTAL: Der Self Service richtet sich im Prinzip an kleinere Unternehmen, denen wir eine abgespeckte Variante unseres Ausschreibungs- und Betreuungsverfahrens anbieten. Mit diesem Service kann man privatrechtliche Ausschreibungen komplett selbständig durchführen, z. B. für eine Apotheke oder ein Altenheim, wo der Energieeinkauf nur eine geringe Bedeutung hat, für die man einen Dienstleister nicht in Anspruch nehmen will, gleichzeitig aber „fit” genug ist, um über ein Web-Portal die Daten hochzuladen. Dann stellen wir über diesen Umweg unseren Marktplatz zur Verfügung.

Dies gilt aber ausschließlich für privatrechtliche Kunden und funktioniert nur, weil diese Kunden die formalen Anforderungen an Form und Inhalt der Ausschreibung nicht erfüllen müssen.

PUBLICUS: Das bedeutet, enPORTAL finanziert sich über den sogenannten Full Service?

enPORTAL: Wir als enPORTAL, die eigentlichen Systembetreiber und Entwickler, betreuen im Kerngeschäft größere Industriekunden in Deutschland (z. B. Chio Chips, Mont Blanc), also Unternehmen, die Strom und Gas benötigen, allerdings nicht nach VOL ausschreiben müssen. Und selbst frei agieren können.

Für die Kunden im Bereich der öffentlichen Hand ist unser Lizenzpartner KUBUS zuständig.

PUBLICUS: Wie viele Kunden im Bereich der öffentlichen Hand sind aktuell bei Ihnen registriert.

enPORTAL: Von KUBUS sind es über 1000.

PUBLICUS: Es funktioniert alles in Zusammenarbeit mit KUBUS?

enPORTAL: Die Zusammenarbeit mit KUBUS ist sehr positiv, weil KUBUS als „Beteiligter” in diesem öffentlich-rechtlichen Kreis unterwegs ist und sich dort sehr gut – auch in rechtlicher Hinsicht – auskennt. Das hat uns sehr viel Input für die Entwicklung gegeben. Während wir im Hintergrund nur der Systembetreiber sind, ist KUBUS der „operative” Part.

PUBLICUS: KUBUS schafft und genießt Vertrauen, so können auch etwaige Hemmnisse bei potentiellen Kunden abgebaut werden?

enPORTAL: Absolut. Es ist etwas völlig anderes, wenn eine Unternehmung auftritt, die den Gemeinde- und Städtetagen gehört. Dann besteht ein Vertrauensvorschuss, den wir per se nicht so bekommen würden. Insofern macht die Zusammenarbeit in doppelter Hinsicht Sinn.

Wir genießen das sehr. Die Zusammenarbeit hat jetzt fünf Jahre sehr gute Früchte getragen und es wird weiter gehen. Wir freuen uns darauf!

PUBLICUS: Wie hoch beziffern Sie Ihren aktuellen Marktanteil?

enPORTAL: Wir haben mittlerweile einen recht ordentlichen Marktanteil im Strombereich. Die öffentliche Hand hat ein Jahresbeschaffungsvolumen etwa von 45 Terrawattstunden (TWh). Davon werden etwa 2 TWh über das Portal ausgeschrieben. Der Anteil nimmt stetig zu, weil sich das Verfahren herumspricht und weil KUBUS im Städte-, Gemeinde- und Landkreisumfeld gut vernetzt ist.

PUBLICUS: Wie würden Sie Ihr Alleinstellungsmerkmal beschreiben?

enPORTAL: Wir haben das Glück, dass momentan – unserer Kenntnis nach – nur enPORTAL die elektronische Ausschreibung nach der VOL anbietet.

Ein Punkt ist hier noch hervorzuheben: Bei diesem elektronischen Verfahren gibt es neben dem reinen „Marktabklappern” noch ein „Abfallprodukt”, das nicht ganz unwichtig ist. Die Abnahmestellen in einer Kommune (bei einer kleinen etwa 200) werden entweder in „Excel-Friedhöfen” verwaltet oder – noch schlimmer – in irgendwelchen Leitz-Ordnern. Es gibt also immer nur mäßigen oder gar keinen Durch- und Überblick. Durch diese cloudbasierten Lösungen ändert sich das: Wir bieten als Nebenprodukt eine komplette Übersicht über alle Abnahmestellen nach Verbräuchen, Verträgen, Kosten mit allen Details an, mit denen dann diejenigen Kommunen, die ein Energiemanagement haben oder die Verbrauchsoptimierung betreiben, eine vernünftige Basis haben, um damit zu arbeiten. Bei einem Lieferantenwechsel ist die Übersicht schon da – und muss nicht mit großem Aufwand neu hergestellt werden.

PUBLICUS: Ihr Schlusswort zu enPORTAL?

enPORTAL: Für die Kommunen bietet sich mit der elektronischen Vergabe ein enormes Potential. Aus unserer Sicht ist dies eine Riesenchance – und zwar nicht nur im Energiebereich. Und es wird eine kleine Revolution in der Verwaltung und auch in der Art und Weise der Vergabe und Ausschreibung geben, die man nutzen sollte.

PUBLICUS: Graf von Wedel, Herr Otto, vielen Dank für das ausführliche und informative Gespräch.

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