19.02.2018

Vergütung von Mehrarbeit im Schulbereich

Bewertung der Sondersituationen bei Lehrern

Vergütung von Mehrarbeit im Schulbereich

Bewertung der Sondersituationen bei Lehrern

Finanzieller Ausgleich für Mehrarbeit. | © Paul - stock.adobe.com
Finanzieller Ausgleich für Mehrarbeit. | © Paul - stock.adobe.com

In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die allgemeine Arbeitszeitregelung für Beamte auch für Lehrer gilt. Die nach einem Wochenstundenmaß bemessene Unterrichtspflichtzeit der Lehrer wird dabei im Wege pauschalierender Betrachtung festgesetzt. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen vor diesem Hintergrund Mehrarbeit im Schulbereich festgestellt und vergütet werden kann hat das Verwaltungsgericht Regensburg (VG) in einem sehr lehrreichen Urteil vom 10.05.2017 – RN 1 K 16.1053 beschäftigt. Geradezu lehrbuchartig arbeitete das Gericht die insoweit über die Ländergrenzen in der Bundesrepublik Deutschland hinweg einheitlichen Abgrenzungskriterien heraus.

Sachverhalt und Verfahrensgang

Die Klägerin (verbeamtete Lehrerin in Diensten des beklagten Freistaates Bayern) begehrt finanziellen Ausgleich für im Rahmen eines Arbeitszeitkontomodells geleistete Mehrarbeit. Verschiedene Rechtsstreitigkeiten führten zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ruhestandsversetzung. Das Landesamt für Finanzen (LfF) übersandte eine Abrechnung für das Arbeitszeitkonto, das aber nur die Schuljahre 2002/2003 bis 2004/2005 enthielt. Die Klägerin entgegnete, die Schuljahre 2005/2006 und 2006/2007 fehlten; sie bat darum, auch noch über diesen Zeitraum zu entscheiden und den Ausgleich des Arbeitszeitkontos zu veranlassen. Entscheidende Frage war damit, ob die Klägerin in den streitgegenständlichen Schuljahren Mehrarbeit im Rahmen des verpflichtenden Arbeitszeitkontomodells für Lehrkräfte aufgrund der einschlägigen Verordnung für Lehrkräfte erbracht hatte. (Ein derartiger Anspruch bestünde jedoch nicht, wenn die seinerzeit tatsächlich geleisteten Unterrichtspflichtstunden, zusammen mit den der Klägerin gewährten Anrechnungsstunden für Schulverwaltungstätigkeiten, der damals zu erbringenden Wochenarbeitsleistung für Lehrkräfte an Grundschulen entsprochen hätten.) Im Streit stand zudem eine darüber hinausgehende Arbeitszeit, die einen Vergütungsanspruch auslösen hätte können; dafür müsste die wöchentliche Elternsprechstunde, die die Klägerin in ihren Stundenplänen für den streitbefangenen Zeitraum ausgewiesen hat, in diesem Zusammenhang eine vergütungsfähige Mehrarbeit darstellen.


Die Arbeitszeit der Lehrkräfte

Die nach einem Wochenstundenmaß bemessene Unterrichtspflichtzeit der Lehrer wird im Wege pauschalierender Betrachtung festgesetzt. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die allgemeine Arbeitszeitregelung für Beamte auch für Lehrer gilt. Der Tatsache, dass sich die Arbeitszeit von Lehrkräften nur teilweise, nämlich hinsichtlich der eigentlichen Unterrichtsstunden, exakt bemessen lässt, wird durch die in die allgemeine Arbeitszeitregelung eingebettete jeweilige Pflichtstundenregelung Rechnung getragen. Der Unterricht soll einschließlich der Vor- und Nachbereitungszeiten der gesetzlichen Regelarbeitszeit entsprechen. Der Zeitaufwand für die außerunterrichtlichen Aufgaben ist zwar nicht exakt messbar, er kann aber anhand jahrzehntelanger Erfahrungswerte je nach Schulart und Fach hinreichend genau geschätzt werden. Vorliegend waren die wöchentliche regelmäßige Unterrichtspflichtzeit der Lehrkräfte und die Ermäßigungen und Anrechnungen vom zuständigen Staatsministerium mit Bekanntmachung für Lehrer an Grundschulen auf 29 Unterrichtsstunden festgesetzt worden. Auf dieses Unterrichtskontingent von 29 Wochenstunden wurden im konkreten Einzelfall zwei Stunden für Schulverwaltungstätigkeit angerechnet. Dies entsprach in Summe der von der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt zu erbringenden Regelarbeitszeit, sodass eine vergütungsfähige Mehrarbeit im Rahmen eines Arbeitszeitmodells allein wegen der „allgemeinen“ Unterrichtserteilung nicht vorlag.

Mehrarbeit bei Lehrkräften

Die Klägerin hatte weiter vorgetragen, ihre Beteiligung an der sogenannten „Elternsprechstunde“, die in den Wochenstundenplänen der Klägerin für die Schuljahre 2005/2006 und 2006/2007 ausgewiesen war, führe zu einer vergütungsfähigen Mehrarbeit im Umfang von einer Stunde pro Woche zusätzlich. Im Streit stand somit, ob es sich dabei um Unterricht gehandelt hat, der insoweit allein berücksichtigungsfähig wäre. Da die Arbeitszeit von Lehrkräften lediglich hinsichtlich der festgelegten Unterrichtsstunden exakt messbar ist, kann bezüglich der übrigen Arbeitszeit, die für Vor- und Nachbereitung, pädagogische Gespräche, Verwaltungsarbeit usw. aufgewendet wird, nur eine grobe pauschalierende Schätzung erfolgen, da diese nach Schülerzahl, Fächern, individuellen Fähigkeiten und Erfahrungen differiert. Infolge der unterschiedlichen Belastungszeiten (unterrichtsfreie Zeit in Gestalt von Ferien oder Prüfungszeiten) muss bei dieser grob pauschalierenden Betrachtungsweise auf die jährliche Gesamtarbeitszeit abgestellt werden. Dementsprechend setzt sich die Arbeitszeit der Lehrkräfte konkret aus der Unterrichtspflichtzeit (Zahl der Unterrichtsstunden, die regelmäßig wöchentlich zu halten sind) und dem Zeitaufwand für die außerunterrichtlichen Aufgaben (beispielsweise Korrekturarbeiten, erforderliche Vor- und Nachbereitung des Unterrichts) zusammen. Die Rechtsprechung differenziert dabei explizit zwischen der eigentlichen Unterrichtszeit und der Arbeitszeit der Lehrkräfte im Übrigen: Sie trägt dem besonderen Umstand Rechnung, dass die Arbeitszeit der von ihr erfassten Lehrer nur zu einem Teil, nämlich hinsichtlich der eigentliche Unterrichtsstunden, exakt messbar ist, während die Arbeitszeit dieser Lehrer im Übrigen entsprechend deren pädagogischer Aufgabe wegen der erforderlichen Unterrichtsvorbereitung, der Korrekturen, Elternbesprechungen, Konferenzen und dergleichen nicht im Einzelnen in messbarer und überprüfbarer Form bestimmt, sondern nur – grob pauschalierend – geschätzt werden kann. Dieser Aufgabenbereich neben dem Unterricht ist umso weniger zeitlich exakt messbar, als die dafür aufzuwendende Zeit auch nach Schülerzahl, Schulfächern und individuell nach Fähigkeiten und Erfahrung des einzelnen Lehrers differiert.

Mehrarbeit für Elternsprechstunde?

Nach dem VG bestehen keine rechtlichen Bedenken, dass sich die Gewährung einer Vergütung für geleistete Mehrarbeit dementsprechend auf die allein zeitlich abgrenzbare und messbare Unterrichtserteilung bezieht. Denn bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch handle es sich bei einer Elternsprechstunde nicht um Unterricht, worunter die planmäßige Wissensvermittlung von Lernenden durch Lehrpersonal zu verstehen sei. Des Weiteren unterlägen Elternsprechstunden keiner Zeiterfassungspflicht, sodass auch aus diesem Grund eine Einbeziehung in ein Arbeitszeitkontomodell ausgeschlossen sei. Hinzukomme, dass im Stundenplan vorgesehene Elternsprechstunden, die im Einzelfall tatsächlich nicht in Anspruch genommen würden, der Lehrkraft als freigewordene Arbeitszeit für andere außerunterrichtliche Tätigkeiten zur Verfügung stünden, was wiederum Auswirkungen auf die zu leistende Wochenarbeitszeit hätte. Außerdem könne für die Teilnahme an Schulveranstaltungen, die keinen Unterricht darstellen (sonstige Schulveranstaltungen) und außerunterrichtliche Tätigkeiten (z. B. Teilnahme an Eltern- und Schülersprechterminen, Lehrerkonferenzen oder Fortbildungsveranstaltungen) allgemein keine Mehrarbeitsvergütung gewährt werden. Denn nur bei Unterrichtstätigkeit liege eine konkret messbare Mehrarbeit im Lehrerbereich vor. Mit der Tätigkeit eines Lehrers sind auch sonstige, nicht exakt messbare Tätigkeiten verbunden, wobei der zeitliche Umfang der zu erbringenden Dienstleistung über die Pflichtstundenzahl festgelegt wird. Das Abhalten von Elternsprechstunden durch Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen stellt damit keine vergütungsfähige Mehrarbeit im Rahmen eines Arbeitszeitkontos dar.

 

Dr. Udo Dirnaichner

Ministerialrat, Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst
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