22.02.2018

Tax Compliance in der öffentlichen Verwaltung?

Ja, denn steuerliche Haftungsrisiken sind auch in der Verwaltung nicht ausgeschlossen!

Tax Compliance in der öffentlichen Verwaltung?

Ja, denn steuerliche Haftungsrisiken sind auch in der Verwaltung nicht ausgeschlossen!

Auch die öffentliche Hand trägt eine steuerliche Pflicht. | © Sikov - stock.adobe.com
Auch die öffentliche Hand trägt eine steuerliche Pflicht. | © Sikov - stock.adobe.com

Die Einhaltung von Gesetzen und internen Regeln (Compliance) stellt nicht nur private Unternehmen, sondern auch öffentliche Einrichtungen vor immer größere Herausforderungen. Compliance-Verstöße werden strafrechtlich verfolgt und bergen erhebliche Haftungsrisiken für gesetzliche Vertreter bis hin zur Kündigung. Auch das Steuerrecht ist ein Gebiet mit erheblichen Compliance-Risiken und zwar nicht nur für Unternehmen, sondern auch für die öffentliche Hand.

Die öffentliche Hand erfüllt eine Vielzahl von Aufgaben, ohne die ein funktionierendes Gemeinwesen nicht denkbar wäre. Sie werden in der Regel aus Steuergeldern finanziert, deren Erhebung Aufgabe der Finanzverwaltung ist.

Öffentliche Einrichtungen können steuerpflichtig sein

Die europäische Mehrwertsteuersystemrichtlinie, der das deutsche Umsatzsteuerrecht verpflichtet ist und die Liberalisierung vieler, früher rein öffentlicher Tätigkeiten führen dazu, dass die öffentliche Hand schnell selbst zum Steuerpflichtigen wird. Die öffentliche Verwaltung erfüllt häufig nicht nur hoheitliche Aufgaben, sondern führt auch Leistungen aus, wie sie die Privatwirtschaft erbringen könnte. Nach dem Grundsatz der steuerlichen Gleichheit hat die öffentliche Hand für diese Leistungen die gleichen steuerlichen Lasten zu tragen, wie die Betriebe der Privatwirtschaft (Wettbewerbsneutralität). Dies betrifft Kommunen, Bundes- und Landesbehörden ebenso wie Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts.


Für den Zweck der Besteuerung werden sogenannte Betriebe gewerblicher Art gebildet, die der Umsatz- und Ertragsteuer unterliegen. Für diese Betriebe gewerblicher Art gelten die gleichen steuerlichen Regelungen wie für Privatunternehmen. Ab 2021 werden sich aufgrund des neuen Umsatzsteuerrechts für juristische Personen des öffentlichen Rechts die umsatzsteuerlich relevanten Bereiche wesentlich erweitern. Die Steuererklärungspflichten der öffentlichen Verwaltung steigen also weiter.

Vollständige und richtige Steuererklärungen sind wichtig

Die verspätete, unrichtige oder unvollständige Einreichung von Steuererklärungen kann erhebliche finanzielle Risiken bergen und darüber hinaus strafrechtliche Konsequenzen für gesetzliche Vertreter und Beschäftigte nach sich ziehen. Dies gilt für alle Steuerpflichtigen, für Unternehmen und Privatpersonen ebenso wie für öffentliche Einrichtungen.

In der Regel fällt es besonders öffentlichen Einrichtungen schwer vollständige Steuererklärungen abzugeben.

Die Beschäftigten in der Verwaltung sind in der Regel noch nicht für steuerliche Themen sensibilisiert. Zudem ist es nicht leicht steuerrelevante Leistungen und Hoheitsbereich voneinander abzugrenzen. Beschäftigte müssen auch in großen Strukturen steuerlich relevante Sachverhalte als solche erkennen und an die zuständige Abteilung weiterleiten. In der Regel sind die Verwaltungsabläufe nicht für steuerlich relevante Sachverhalte ausgestaltet. Auch Fehler bei der Beurteilung steuerlicher Sachverhalte sind nicht auszuschließen. Damit kann die Abgabe unvollständiger Steuererklärungen durch die Verwaltung nie ganz ausgeschlossen werden. Dabei liegen die steuerlichen Risiken nicht nur in der Umsatzsteuer oder in der Ertragsteuer, sondern auch in der Lohn-, Bauabzug- und Quellensteuer oder auch der Künstlersozialabgabe.

Tax Compliance System verringert das strafrechtliche Risiko

Die Finanzverwaltung geht in der jüngeren Vergangenheit vermehrt dazu über, bloße Berichtigungen von Steuererklärungen (§ 153 Abgabenordnung) als Selbstanzeige (§ 371 Abgabenordnung) zu werten. Das heißt, sie «unterstellt» vermehrt eine vorsätzliche Steuerhinterziehung oder zumindest eine grob fahrlässige Steuerverkürzung. Damit wird aus einer vermeintlichen bloßen Berichtigung von ungewollten Fehlern ein strafrechtliches Risiko.

Im Mai 2016 nimmt die Finanzverwaltung zur Abgrenzung zwischen Berichtigungspflicht und Selbstanzeige unter anderem wie folgt Stellung:

«Hat der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem eingerichtet, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ggf. ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann, jedoch befreit dies nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls.»

Danach kann nach Auffassung der Finanzverwaltung bei Vorliegen eines funktionierenden internen Kontrollsystems für Steuern ein Organisationsversagen in der Regel ausgeschlossen werden. Dies ist wichtig, denn der gesetzliche Vertreter haftet auch, wenn er notwendige Maßnahmen unterlassen hat, um steuerliche Rechtsverstöße zu verhindern. Personelle und finanzielle Haftungsrisiken lassen sich somit durch das Vorliegen eines konzeptionell überzeugenden internen Kontrollsystems steuern, dem sogenannten Tax Compliance Management System,

Aus diesem Grund sollte auch die öffentliche Verwaltung beginnen Tax Compliance Management Systeme einzurichten und zu leben. Der Zeitpunkt ist jetzt günstig, erfordert doch die Umstellung auf das neue Umsatzsteuergesetz, eine steuerliche Neubewertung aller Einnahmen und eine Neuorganisation vieler Teilprozesse. Damit bleibt die Frage, wie ein derartiges System ausgestaltet werden kann.

Anforderungen an ein wirksames Tax Compliance Management System

Relativ zeitgleich mit den Verlautbarungen der Finanzverwaltung hat das Institut Deutscher Wirtschaftsprüfer (IDW) einen Prüfungsstandard herausgegeben, den PS 980 «Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung von Tax Compliance Management Systemen». Dieser zeigt dem Berufsstand der Wirtschaftsprüfer unter anderem auf, welche Anforderungen an ein wirksames Tax Compliance Management System zu stellen sind und welche Bestandteile ein Wirtschaftsprüfer mindestens vorfinden muss, um die Ordnungsmäßigkeit eines derartigen Systems bestätigen zu können.

Auch ein Tax Compliance Management System in der öffentlichen Verwaltung sollte diese Vorgaben des IDW berücksichtigen, um effektiv und effizient zu sein. Es sollte nur so viel wie nötig regeln, aber so praktikabel wie möglich sein. Mit der Orientierung am IDW PS 980 erfüllt es auch die Anforderungen der Finanzverwaltung. Es ist deshalb zu empfehlen die Bestandteile eines Tax Compliance Management Systems nach IDW PS 980 zu implementieren:

1. Tax Compliance Kultur

Es sollte deutlich sein, dass in der Verwaltung eine Kultur der Sorgfalt und Rechtstreue herrscht, die steuerliche Pflichten einschließt. Der Vorstand, Präsidenten oder Bürgermeister kann diesen unbedingten Willen zur Erfüllung steuerlicher Anforderungen in einem Leitbild allen Beschäftigten gegenüber zum Ausdruck bringen. Steuerthemen sollten Inhalt von Führungsrunden und des internen Berichtswesens sein.

2. Tax Compliance Ziele

Ausgehend vom Leitbild kann ein Zielkatalog formuliert werden, der den Beschäftigten verdeutlicht, warum die Einhaltung steuerlicher Pflichten wichtig für die öffentliche Einrichtung ist. So sollen z. B. Steuernachzahlungen, Imageschäden oder Haftungsrisiken vermieden werden.

3. Tax Compliance Risiken

Steuerliche Risiken sollen identifiziert werden. In einer sogenannten Risiko-Kontroll-Matrix können diese, gegliedert nach Fachbereichen oder Prozessen mit ihrer Relevanz und möglichen finanziellen Belastung, dargestellt werden.

4. Tax Compliance Programm

Ausgehend von den festgestellten Risiken werden konkrete Maßnahmen zu ihrer Vermeidung festgelegt und im Laufe des Projekts implementiert. Die Reihenfolge der Umsetzung erfolgt nach einer Priorisierung.

5. Tax Compliance Organisation

Das Kernstück eines wirksamen Tax Compliance Management Systems ist die Festlegung von klaren Verantwortlichkeiten. Für das allgemeine Verständnis der zu erledigenden Aufgaben kann in einem «Handbuch Steuern» die steuerrechtlichen Grundlagen in allgemeinverständlicher Form für alle Steuerarten zusammengefasst werden. Darauf aufbauend werden in einer Dienstanweisung Steuern für alle Arbeitsschritte Verantwortlichkeiten und Termine festgelegt. Diese können mit Hilfsmitteln, Checklisten und zu verwendende Auswertungen ergänzt werden, um die Aufgabenerfüllung für die einzelnen Fachbereiche zu erleichtern. Bei großen Organisationen empfiehlt sich eine Trennung zwischen den operativen Fachbereichen und den Kernprozessen Steuern (Steueranmeldungen).

6. Tax Compliance Kommunikation

Es ist eine Informationsstrategie sowohl intern als auch gegenüber Dritten zu entwickeln.

7. Tax Compliance Überwachung

Das System und seine Wirksamkeit sollten regelmäßig überprüft und aktualisiert werden.

Für alle Bestandteile des Tax Compliance Management Systems sind eine ausreichende Dokumentation und systematische Kontrollen unerlässlich. Auch wenn öffentliche Einrichtungen noch immer vor großen Herausforderungen bei der Einführung eines Tax Compliance Management Systems stehen, so sind die Vorteile klar ersichtlich. Persönliche und finanzielle Haftungsrisiken lassen sich deutlich verringern. Zudem bietet sich jetzt die Chance, dass ein wirksames Kontrollsystem Steuern mit der Umsetzung des neuen Umsatzsteuergesetzes verbunden wird.

Silvia Michel ist Partnerin, Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin bei der Berliner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Trinavis. Sie berät regelmäßig öffentliche Einrichtungen in allen Fragen des Steuerrechts.

 

Silvia Michel

Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Partnerin, Crowe Horwath Trinavis, Berlin
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