10.02.2016

Veranstaltungssicherheit

Leitfaden für Feuerwehr, Sicherheitsbehörden, Veranstalter und Andere

Veranstaltungssicherheit

Leitfaden für Feuerwehr, Sicherheitsbehörden, Veranstalter und Andere

Das Thema Veranstaltungssicherheit ist zum Dauerbrenner geworden.|© Branddirektion München
Das Thema Veranstaltungssicherheit ist zum Dauerbrenner geworden.|© Branddirektion München

Spätestens seit den dramatischen Ereignissen der Love Parade in Duisburg im Jahr 2010 ist das Thema Veranstaltungssicherheit bei Veranstaltern und Behörden ein Dauerbrenner. Viel ist geschrieben, noch mehr ist diskutiert worden. Klare „Leitplanken”, die praxisorientiert und praxisnah Orientierung zur Planung und Prüfung von Veranstaltungen geben, gibt es wenig. Die Branddirektion München arbeitet mit einer 2012 vom Bayerischen Innenministerium zur Anwendung empfohlenen Handreichung, die die wesentlichen sicherheitstechnischen Belange behandelt und 2015 zu einem Leitfaden ausgebaut wurde. Der Artikel stellt den Weg und die Philosophie dahinter vor.

Allgemeingesellschaftliche Relevanz

Die Sicherheit von Veranstaltungen ist ein Thema von allgemeingesellschaftlicher Relevanz – egal ob Fußballbundesligaspiel in Dortmund, Marathon in Hamburg, Messe in Leipzig, Open-Air Konzert in Kassel oder der Besuch des Oktoberfestes in München als weltweit größtes Volksfest: Nahezu jeder Mensch in Deutschland sowie unzählige Gäste aus der ganzen Welt besuchen jedes Jahr die unterschiedlichsten Veranstaltungen an den unterschiedlichsten Orten. Das Gefühl des gemeinsamen Erlebens ist in den letzten Jahren ungebrochen, sodass immer neue Ideen für Veranstaltungen entstehen und sich zumeist größter Beliebtheit erfreuen.

Die Geschehnisse auf der Love Parade in Duisburg im Jahr 2010 haben jedoch die Freude an den Veranstaltungen getrübt und die Unsicherheit auf Seiten der Veranstalter, der Genehmigungsbehörden und der Gefahrenabwehr verstärkt. Das Bayerische Innenministerium hat umgehend nach dem Unglück von Duisburg reagiert und die Konsequenzen aus den Geschehnissen in einer Arbeitsgruppe aufgearbeitet. Die Branddirektion München war intensiv an dieser Arbeitsgruppe beteiligt und konnte das eigene Wissen und die eigenen Fähigkeiten einbringen. Die bereits im Vorfeld durch die Branddirektion herausgegebene „Handreichung für die Sicherheit von Großveranstaltungen” hat die in Deutschland bestehende rechtliche Handlungslücke außerhalb des § 43 der Musterversammlungsstättenverordnung (MVStättV) für Veranstaltungen im Freien durch eine praxisbezogene Herangehensweise und unter Einbeziehung der polizeilichen und ordnungsrechtlichen Gefahrenabwehr verkleinert.


Betonung der Anforderungen der kommunalen Behörden

Die Sicherheit von Veranstaltungen ist jedoch für die Branddirektion München weiterhin ein Kernthema. Jährlich werden im Brandschutzabschnitt „Veranstaltungssicherheit” der Abteilung Einsatzvorbeugung mehr als 2.000 Veranstaltungen bearbeitet und das Einvernehmen zu mehr als 70 Sicherheitskonzepten von unterschiedlichsten Veranstaltungen hergestellt. Diese Erfahrung hat uns nicht nur zu Experten für Veranstaltungssicherheit im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in der Bundesrepublik Deutschland (AGBF Bund) gemacht. Sie hat auch zu unserer Partnerschaft mit dem – durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte – interorganisationale Verbundprojekt „BaSiGo – Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen” sowie in die Arbeitsgruppe Veranstaltungssicherheit der Technischen Hochschule Köln geführt. Als größte kommunale Feuerwehr Deutschlands konnten wir in diesen Projekten besonders die Anforderungen der kommunalen Behörden betonen und deren Interessen zur Geltung bringen.

Aktualisierter Leitfaden 2015

Mit Abschluss des Projektes BaSiGo in 2015 wollten wir nun die im Forschungsprojekt durch wissenschaftliche und praxisbezogene Expertise erstellten Ergebnisse mit dem Ziel nutzen, einen nicht nur in Bayern, sondern bundesweit umsetzbaren aktuellen Leitfaden zur Veranstaltungssicherheit zu erstellen und die Handreichung aus dem Jahr 2012 fortzuschreiben. Der Leitfaden soll keine anderen in Deutschland erstellten Papiere zur Veranstaltungssicherheit ersetzen, sondern diese durch aktuelle Erkenntnisse und erfolgreich in der Praxis angewandte Lösungsansätze ergänzen.

Das Ziel der Branddirektion München ist es, Praxis und Wissenschaft so zu verbinden und die Ergebnisse aufzubereiten, dass das Wissen universell anwendbar, leicht verständlich und der Prozess „Veranstaltungssicherheit” damit transparent gestaltet werden kann. Im Leitfaden wird dementsprechend zuerst die Zielsetzung konkretisiert und in das System „Veranstaltung” mit den beteiligten Akteuren sowie den Veranstaltungsphasen zur Einteilung der Bearbeitungsschwerpunkte eingeführt. Anschließend folgt eine klare Rollenverteilung zur Festlegung der Verantwortlichkeit, um im Anschluss die Inhalte des Sicherheitskonzeptes als Kern der Bearbeitung zu erläutern und dann das Genehmigungsverfahren zu beschreiben. Darauf aufbauend geht es um die Planung und Umsetzung für Veranstaltungsereignisse anhand der drei sicherheitsbezogenen Betriebsarten der Veranstaltung und abschließend die Nachbereitung der Veranstaltung durch die beteiligten Akteure.

Konkrete Anforderungen an die Veranstaltungssicherheit

Konkret heißt das, dass aus den Erfahrungen der Veranstaltungsbearbeitung in München vor allem das Thema der Verantwortung und Zuständigkeit aufgegriffen wird. Zur verbesserten Kommunikation wurde außerdem die Veranstaltung in Phasen und Betriebsarten unterteilt. Dies dient insbesondere der Rollenklarheit im Veranstaltungsverlauf und ist damit Voraussetzung für die korrekte Wahrnehmung von Verantwortung unter Beachtung der Zuständigkeiten. Die tatsächliche Durchführung der Veranstaltung wird damit in verschiedene, sicherheitsrelevante Arten des Betriebes aufgegliedert und damit die Reaktion hierauf präzisiert. Das Kernelement dieses Leitfadens bildet weiterhin die Erstellung und Formulierung eines Sicherheitskonzeptes, das oftmals bei Erstellern und Prüfern aufgrund uneinheitlicher Regelungen zu Schwierigkeiten führt. So sind Struktur und Inhalt nun interdisziplinär abgestimmt und beinhalten die Belange von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Ordnungsamt und Verkehrsbehörde vollumfänglich. Um die Praxisnähe zu erhalten, sind zahlreiche ausformulierte Beispiele enthalten. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Kategorisierung von Veranstaltungen aus Brandschutzsicht. Hierzu wird der Sicherheitskoeffizient Brandschutz der Branddirektion München vorgestellt, erläutert und die Methode zur Adaption auf die eigenen Verhältnisse vor Ort erläutert. Auch hier sind umfangreiche Beispiele enthalten, die beispielsweise erläutern, wann die „Brandgefahr” bei einer Veranstaltung „günstig”, „normal”, „ungünstig” oder „sehr ungünstig” ist. Abschließend ist eine konkrete Checkliste zur Nachbereitung einer Veranstaltung enthalten. Dies dient dem Anspruch aus jeder Veranstaltung für die kommende(n) zu lernen und besser zu werden; ganz der Idee des Regelkreises in der FwDV 100 folgend.

Nach der Wiesn ist vor der Wiesn

In München hat die kontinuierliche Bearbeitung und Nachbereitung von Veranstaltungen dazu geführt, dass die Herausforderung, Veranstaltungen zu ermöglichen, zum Selbstverständnis bei der Branddirektion geworden ist. Die jährliche Verbesserung des hohen Sicherheitsstandards auf dem Oktoberfest ist zu einem Thema der gesamten Branddirektion München geworden, an dem sich alle Abteilungen intensiv mit Ideen beteiligen und diese aktiv gestalten, um zur stetigen Verbesserung beizutragen; gemäß dem Motto: „Nach der Wiesn ist vor der Wiesn.” Die Verbesserung der Sicherheit zum Wohle und im Interesse der Besucher einer Veranstaltung ist das Ziel dieses Leitfadens. Der Leitfaden kann neben anderen veranstaltungsspezifischen Informationen kostenlos und vollumfänglich heruntergeladen werden. Das Bayerische Innenministerium hat nach Prüfung des Leitfadens in Aussicht gestellt, diesen zeitnah in einem Schreiben an die kommunalen Spitzenverbände und die Bayerische Polizei zur Anwendung zu empfehlen, wie dies für die Handreichung von 2012 damals auch erfolgte.

 

Brandrat Dipl.-Ing. (FH) Johannes Thomann

Brandrat Dipl.-Ing. (FH), Abschnittsleiter Veranstaltungssicherheit, Branddirektion München
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