10.02.2016

Kommunaler Versicherungsschutz

Viele Fragen im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen

Kommunaler Versicherungsschutz

Viele Fragen im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen

Im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen ergeben sich viele versicherungsrechtliche Fragen.|© Glaser - Fotolia
Im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen ergeben sich viele versicherungsrechtliche Fragen.|© Glaser - Fotolia

Die Kommunen stehen mit Blick auf die zahlreichen Menschen, die sich auf der Flucht befinden und in Deutschland aufgenommen werden, vor vielfältigen Entscheidungen. Die Frage nach einem adäquaten Versicherungsschutz im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylsuchenden und Kriegsflüchtlingen wurde bislang nur am Rande diskutiert.

Neben dem Neubau von Flüchtlingsunterkünften werden bekanntlich auch leerstehende kommunale Gebäude, Turnhallen oder Privatwohnungen als Wohnraum für die Flüchtlinge genutzt. Es ist zu fragen, welche Auswirkungen dies auf den Versicherungsschutz hat. Der Beitrag geht auf wesentliche Gesichtspunkte im Zusammenspiel der veränderten Rahmenbedingungen und der bestehenden kommunalen Absicherung ein.

Überblick

Nach Aussagen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) liegt die Zahl der versicherten Flüchtlingsunterkünfte mittlerweile im fünfstelligen Bereich. Hierzu kommen noch mehrere tausend private Unterkünfte, welche als Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. In den Medien wurde in der Vergangenheit teilweise von erheblichen Aufschlägen bei den zu zahlenden Versicherungsbeiträgen berichtet, wenn Gebäude zur Flüchtlingsunterbringung genutzt werden. Eine faktenbasierte Betrachtungsweise ist daher notwendig.


Bei der Beschäftigung mit der Adäquanz des Versicherungsschutzes in Bezug auf den Zuzug von Kriegsflüchtlingen und Asylsuchenden bietet sich zunächst eine Systematisierung des Sachverhaltes an. Eine grundlegende Unterscheidung in Haftungs- und Sachsubstanzrisiken erscheint hierbei zielführend.

Umgang mit Haftungsrisiken

Unter Haftungsrisiken verstehen wir hierbei folgende vorstellbare Schadenszenarien:

  1. Schadensverursachung an Rechtsgütern der Vertriebenen durch die Kommune:Bei dieser Fallkonstellation kommt ein Flüchtling selbst durch die Kommune oder kommunale Mitarbeiter zu Schaden. Beispielsweise wäre eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Kommune bei der Unterbringung der Flüchtlinge in kommunalen Sammelunterkünften denkbar. Auch eine unbeabsichtigte Schädigung durch die kommunalen Mitarbeiter selbst wäre hier vorstellbar. Dieses Schadenszenario ist im Regelfall in den marktüblichen Haftpflichtversicherungskonzepten der Kommunen abgesichert. Gemäß Ziffer 1.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) des GDV besteht Versicherungsschutz „für den Fall, dass der Versicherungsnehmer wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses (Versicherungsfall), das einen Personen-, Sach- oder sich daraus ergebenden Vermögensschaden zur Folge hatte, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird”. Klarstellend wird wie folgt oder in ähnlicher Weise ergänzt: „Beitragsfrei eingeschlossen in die Versicherung ist […] die persönliche Haftpflicht Ihrer verfassungsmäßig bestellten Vertreter, der Mitglieder der Vertretungskörperschaften und ihrer Ausschüsse sowie die persönliche Haftpflicht der Beamten, Ehrenbeamten, Beschäftigen (Versicherten) aus ihrer dienstlichen Verrichtung Dritten gegenüber” (Auszug aus Ziffer 2.3 der AHB 1.08 des GVV Kommunal Versicherung VVaG).Sofern ehrenamtliche Helfer im Auftrag der Kommune tätig sind, genießt diese Personengruppe im Regelfall ebenfalls Versicherungsschutz über die kommunale Haftpflichtversicherung. Ein direkter Handlungsbedarf kann daher bei der Verwendung marktüblicher Versicherungsbedingungen nicht abgeleitet werden.
  2. Schadensverursachung an Rechtsgütern der Kommune durch Flüchtlinge:Bei diesem Szenario wird die Sachsubstanz der Kommune oder einer ihrer Mitarbeiter beeinträchtigt. Sofern ein gesetzlicher Haftpflichtanspruch privatrechtlichen Inhalts gegen den oder die Verantwortlichen geltend gemacht werden kann, wird die Durchsetzung dieser Ansprüche zumeist an den geringen finanziellen Mitteln der Flüchtlinge scheitern. Beim Eintritt eines derartigen Falles wird es in der Praxis zumeist zu einem Verzicht auf die zivilrechtlichen Ansprüche von Seiten der Kommune kommen. Zu prüfen wäre daneben eine Ersatzpflicht über eine bestehende Sachversicherung der Kommune (siehe Besprechung der Sachsubstanzrisiken).
  3. Schadensverursachung an Rechtsgütern „Dritter”:Unter diesem Punkt sind etwaige ersatzpflichtige Sach- oder Personenschäden durch Flüchtlinge anzusprechen. Beispielsweise sind hier Eingriffe in den Straßenverkehr, auch ohne eigenes Kraftfahrzeug, zu nennen, welche Schadenspotenzial hervorbringen können. Auch hier wird analog zum vorgenannten Schadenszenario die Durchsetzbarkeit von Schadensersatzforderungen zumeist an den finanziellen Mitteln scheitern. Regelmäßig werden Flüchtlinge auch keine Privathaftpflichtversicherung vorhalten, die in diesem Fall eintrittspflichtig wäre. Daher schließen einige Kommunen vorbeugend Privathaftpflichtrahmenverträge für die von ihnen betreuten Flüchtlinge ab. Dies ist eine freiwillige Maßnahme und obliegt der Einzelentscheidung der kommunalen Amtsträger. Als Anbieter der Rahmenverträge fungieren hier einige Kommunalversicherer als auch die Kommunalen Schadenausgleiche (KSA) in den jeweiligen Regionen.
  4. Schadensverursachung an angemieteten Gebäude von Dritten:Oftmals sichern die Kommunen die Unterbringung von Asylsuchenden und Kriegsflüchtlingen in eigenen, aber auch durch angemietete Gebäude. Hier stellt sich wiederum die Frage nach einer adäquaten Absicherung, falls das Mieteigentum eines Dritten hierbei zu Schaden kommen sollte. Die Kommune ist nach § 540 Abs. 2 BGB gegenüber dem Vermieter auch für ein Verschulden der untergebrachten Personen verantwortlich.Schäden an angemieteten Gebäuden sind im Rahmen der allgemeinen Haftpflichtversicherungsbedingungen (AHB des GDV) gemäß Ziffer 7.6 grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Durch besondere Vereinbarungen werden derartige Schäden oftmals wieder in den Versicherungsschutz aufgenommen. Je nach vorhandenem Vertragskonzept gelten Mietsachschäden bis zur Höhe der allgemeinen Deckungssumme mitversichert, oder es besteht eine Einschränkung in Form einer summenmäßigen Begrenzung (Sublimit). In diesem Punkt wäre eine Analyse der zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen anzuregen, um vor einem potenziellen Schadenfall gegebenenfalls noch Anpassungen vornehmen zu können.

    Auch bei der Betrachtung der Sachsubstanzrisiken erscheint eine Gliederung in verschiedene Fallgruppen eine sinnvolle Herangehensweise.

Umgang mit Sachsubstanzrisiken

1. Neubau von Flüchtlingsunterkünften

Festzuhalten ist, dass der Versicherungsbeitrag für die Sachversicherung der neu errichteten Containerdörfer zunächst unabhängig von der Herkunft der Bewohner der Gebäude ist. Die Risikokalkulation der Versicherer basiert in erster Linie auf der Nutzung der Gebäude und dem Vorhandensein von entsprechenden Brandschutzvorrichtungen. Die individuelle Risikoeinschätzung und Prämienfindung des jeweiligen Versicherungsunternehmens kann nach unseren Erfahrungen hierbei jedoch höchst unterschiedlich sein.

Der materielle Versicherungsschutz für die Gebäude umfasst zumeist die Standardgefahrenkombination Feuer, Leitungswasser, Sturm/Hagel. Je nach Wert der Einrichtungsgegenstände kommt auch noch eine Inhaltsversicherung mit gleichlautender Gefahrenkombination, teilweise ergänzt durch die Mitversicherung der Einbruchdiebstahlgefahr, in Betracht. Die erste Anfrage bezüglich des Neuabschlusses des Versicherungsschutzes richtet sich zumeist an den Versicherer des übrigen kommunalen Gebäudebestandes.

In vielen kommunalen Sachversicherungskonzepten findet sich auch folgende Regelung: „Neu hinzukommende Gebäude und darin befindliche bewegliche Sachen sowie Rohbauten sind bis zu der vereinbarten Entschädigungsgrenze (z. B. € 5 Mio.) mitversichert, soweit der Versicherungsnehmer seine sämtlichen versicherbaren Gebäude und beweglichen Sachen dem Versicherer in Deckung gegeben hat”. Eine Nachmeldung der Objekte ist jedoch trotzdem geboten, denn der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, diese Veränderungen dem Versicherer innerhalb einer Frist von zumeist zwölf Monaten ab Gefahrtragung schriftlich anzuzeigen. Erfolgt keine fristgemäße Anzeige, so besteht nach Ablauf der Meldefrist für diese Gebäude und beweglichen Sachen kein Versicherungsschutz mehr.

Weiterhin ist zu beachten, dass der beschriebene Automatismus nur Gültigkeit entfaltet, wenn der Versicherer generell die neuen Gebäude als versichertes Risiko im kommunalen Sachversicherungsvertrag ansieht. Hierzu ist ein Blick in die Versicherungsbedingungen unerlässlich. Bei Meldung des neuen Risikos durch die Kommune führt der Versicherer je nach Größe der Unterkunft eine Risikobesichtigung durch, um eine Zeichnungsentscheidung zu fällen bzw. um die Versicherungsprämie zu ermitteln.

2. Umnutzung von bestehenden kommunalen Gebäuden / Mitversicherung im Rahmenvertrag ?

Bei der Umnutzung kommunaler Gebäude, wie z. B. Schulen oder Sporthallen, zu Flüchtlingsunterkünften sind die individuellen versicherungsvertraglichen Vereinbarungen zu beachten. Hierbei sind insbesondere vertragliche Obliegenheiten in Bezug auf mögliche denkbare Gefahrenerhöhungen relevant, für die im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen sind.

In einem repräsentativen kommunalen Versicherungskonzept findet sich beispielsweise folgende Regelung: „Der Versicherungsnehmer hat jede Gefahrerhöhung, die ihm bekannt wird, dem Versicherer [….] anzuzeigen, und zwar auch dann, wenn sie ohne seinen Willen eintritt. Im Übrigen gelten die §§ 23 bis 29 VVG. Danach kann der Versicherer zur Kündigung berechtigt oder auch leistungsfrei sein”. Nun stellt sich die Frage, ob die veränderte Nutzung eines Gebäudes in jedem Fall eine Gefahrenerhöhung darstellt?

Teilweise wird dies nicht konkret in den Bedingungswerken ausformuliert, teilweise findet sich aber auch eine wie folgt lautende Vereinbarung: „Im Zweifel ist eine Gefahrerhöhung dann anzunehmen, wenn von der dokumentierten Objektbeschreibung abgewichen wird oder Neu-, Um-, An- oder Erweiterungsbauten durchgeführt werden. Der Versicherer hat ab Eintritt einer Gefahrerhöhung Anspruch auf den erforderlichen höheren Beitrag. Dies gilt nicht, soweit der Versicherer in einem Versicherungsfall wegen Gefahrerhöhung leistungsfrei geworden ist. Um etwa versehentlich nicht angezeigte oder bisher nicht bekannt gewesene Gefahrerhöhungen nachträglich feststellen zu können, kann der Versicherer verlangen, dass der Versicherungsnehmer das versicherte Wagnis prüft”. Hieraus kann man schließen, dass im Zweifelsfall eine bauliche Veränderung von Gebäuden zu einer Veränderung des versicherungstechnischen Risikos führt und ggf. eine Anpassung der Versicherungsprämie erfolgt.

Nach Aussagen des GDV zur Schadenhäufigkeit von Flüchtlingsunterkünften zeigen die Statistiken, dass der Schadenaufwand deutlich höher liegt, wenn Häuser nur kurzfristig von wechselnden Personen bewohnt werden, was aber gleichermaßen für Touristen, Montagearbeiter, Studenten und Flüchtlinge gilt. Die über Jahrzehnte hinweg erhobenen Feuerschäden bei Hotels und Pensionen seien fast fünfmal so hoch wie bei Wohngebäuden (www.gdv.de/2015/
11/die-herkunft-der-menschen-spielt-fuer-versicherungsschutz-keine-rolle/).

Um eine Diskussion in einem potenziellen Schadenfall zu vermeiden, sollte der Versicherer bei einer veränderten Nutzung der kommunalen Gebäude informiert werden. Liegt dies beim Neubau eines Gebäudes durchaus im Fokus, tritt die Meldung an den Versicherer bei der Umnutzung einer Immobilie häufig in den Hintergrund und wird daher leicht vergessen. Im Rahmen der Gesamtorganisation der Unterbringung der Flüchtlinge wird der Versicherungsschutz tendenziell als Nebenthematik betrachtet, die erst im Schadenfall in den Blickpunkt gerät. Nach unseren bisherigen Erfahrungen verzichten die meisten traditionellen Kommu-nalversicherer auf eine Kündigung aufgrund der Nutzungsänderung, sobald sie hiervon erfahren. Die gegebenenfalls zu vereinbarende Mehrprämie ist Verhandlungsbasis.

3. Unterbringung in bestehenden Wohnhäusern

Eine weitere Möglichkeit zur Unterbringung von Asylsuchenden und Kriegsflüchtlingen besteht in privaten oder kommunalen Wohnhäusern bzw. Wohnungen. Mit der Unterbringung in reinen Wohnhäusern ist keine Nutzungsänderung der betroffenen Gebäude verbunden. Eine Auswirkung auf den Versicherungsbeitrag sollte daher ebenfalls nicht zu verzeichnen sein. Tarifierungsmerkmal der Versicherer in der Wohngebäudeversicherung sind regelmäßig das Alter, die Lage und die Vorschäden des Objektes. Die Anzahl der Bewohner oder deren Herkunft sind hierbei unbedeutend.

Zusammenfassung

Die näher dargestellten Themenbereiche sind die in der Praxis am häufigsten diskutierten Fragen. Die versicherungstechnische Absicherung sowohl der entstehenden Haftungs-, als auch der Sachsubstanzrisiken ist umsetzbar. Die genauen Regelungen und geforderten Verhaltensweisen von Seiten der Versicherer bezüglich des kommunalen Versicherungsschutzes sind jedoch unterschiedlich. Daher sollte der direkte Dialog mit dem involvierten Versicherer gesucht werden.

 

Volker Mockenhaupt

Diplom-Betriebswirt, PwC | Insurance Risk Management, Düsseldorf
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