10.02.2016

Bezahltes Ehrenamt?

Ein Widerspruch in sich! – Die Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis

Bezahltes Ehrenamt?

Ein Widerspruch in sich! – Die Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis

Tendenz zur Monetarisierung des Ehrenamts erfordert dringend eine klare Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis.|© himself100 - Fotolia
Tendenz zur Monetarisierung des Ehrenamts erfordert dringend eine klare Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis.|© himself100 - Fotolia

Bürgerschaftliches Engagement gewinnt zunehmend an gesellschaftlicher Bedeutung. Es ist der Humus für eine aktive Zivilgesellschaft und damit ein wichtiger Innovationsmotor. Unser Gemeinwesen und unsere Demokratie leben von Voraussetzungen, die der Staat selbst nicht schaffen kann. Deswegen erscheint es aus staatlicher Sicht besonders wichtig, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in den unterschiedlichsten Bereichen des Ehrenamtes selbstbestimmt engagieren und ihre Freiheit nutzen, um unsere Gesellschaft mitzugestalten.

Bürgerinnen und Bürger verfügen über vielfältige Kompetenzen und ein Erfahrungswissen, das zum Wohle aller fruchtbar gemacht werden sollte. Dem Staat kommt hierbei die Aufgabe zu, förderliche Rahmenbedingungen für das Ehrenamt zu schaffen, sodass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger engagieren. Auf verfassungsrechtlicher Ebene findet dies zum Beispiel in einer neuen Staatszielbestimmung der Bayerischen Landesverfassung sichtbaren Ausdruck. In Art. 121 dieser Verfassung heißt es seit 1. Januar 2014: „Staat und Gemeinden fördern den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl.”

Wettbewerb um die Ehrenamtlichen

In letzter Zeit ist eine interessante Entwicklung zu beobachten: Der Wettbewerb um engagementbereite oder schon engagierte Bürgerinnen und Bürgern nimmt bei den zivilgesellschaftlichen Organisationen zu. Um neue Freiwillige zu gewinnen, wird verstärkt – wenn auch nicht mit einem Arbeitslohn vergleichbar – ihr Engagement vergütet. Dieser Tendenz zur Monetarisierung des Bürgerschaftlichen Engagements begegnen aber aus verschiedenen Gründen erhebliche Bedenken:


Ausgangspunkt hierfür ist eine Begriffsbestimmung ehrenamtlicher Tätigkeit: Ehrenamtlich ist eine Tätigkeit, die von Ehrenamtlichen freiwillig und unentgeltlich ausgeübt wird, dem Gemeinwohl dient und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt.

Eine klare Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis ist an dieser Stelle notwendig, um nicht durch die Hintertür des Bürgerschaftlichen Engagements in Wirklichkeit Arbeitsverhältnisse zu schaffen, die zu einer Umgehung von Rechtsnormen führen. Aus Sicht der Arbeitnehmer sind hier insbesondere Arbeitnehmerschutzvorschriften zu nennen. Auch besteht die Gefahr, dass Arbeitnehmern die Möglichkeit genommen wird, eine eigene Alterssicherung aufzubauen. Der Staat hat ein Interesse daran, keine Sozialversicherungsbeiträge zu verlieren. Des Weiteren darf im Hinblick auf Sinn und Zweck des Mindestlohngesetzes (MiLoG) und die Bereichsausnahme für ehrenamtlich Tätige in § 22 Abs. 3 MiLoG nicht ein neuer Niedriglohnsektor entstehen. Hieran kann niemand ein Interesse haben.

Entscheidende Bedeutung kommt im Rahmen der Begriffsbestimmung ehrenamtlicher Tätigkeit dem Merkmal „ohne Gewinnerzielungsabsicht” zu. Eine Gewinnerzielungsabsicht liegt insbesondere dann vor, wenn mit der von Ehrenamtlichen erbrachten Leistung Einnahmen erzielt oder Kosten eingespart werden sollen.

Wer sich ehrenamtlich engagiert, tut dies im Rechtssinne aus „Gefälligkeit”: Abhängig davon, ob die Tätigkeit mit oder ohne Rechtsbindungswillen ausgeübt wird, besteht entweder ein Gefälligkeitsvertrag meistens im Sinne eines Auftrages gem. § 662 BGB oder aber ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis. Beiden ist immanent, dass der Tätige, wie in der oben beschriebenen Definition, unentgeltlich handelt. Denn das macht den wesentlichen Unterschied zum Arbeitsverhältnis aus.

Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Personen, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet sind (BAG 20. 08. 2003 -5 AZR 610/02, NZA 2004, 39). Der angemessene Ersatz von Auslagen, die ehrenamtlich Tätigen durch Ausübung ihrer Engagements entstehen, berührt die Unentgeltlichkeit selbstverständlich nicht.

Ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung kann das Fehlen der Erwerbsabsicht gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sprechen. Der dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegende Arbeitsvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag (§ 611 BGB). Wesen des Arbeitsverhältnisses ist der Austausch von Arbeit und Lohn. Auch wenn die Erwerbsabsicht keine notwendige Bedingung für die Arbeitnehmereigenschaft ist, spricht ihr Vorliegen doch im Rahmen einer Gesamtwürdigung in der Regel gegen die Annahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit und für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.

Um es auf den Punkt zu bringen: Eine ehrenamtliche Tätigkeit liegt dann nicht vor, wenn Ehrenamtliche eine Vergütung erhalten, die über eine angemessene Aufwandsentschädigung hinausgeht. Ein bezahltes Ehrenamt gibt es dagegen nicht!

Hinweis der Redaktion: Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung der Verfasser wieder.

 

Dr. Andreas Frank

Ministerialrat, Leiter des Referats III 1, Grundsatzfragen der Generationenpolitik und der Abteilung III, Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales
 

Florian Köhn

Richter am Arbeitsgericht Nürnberg
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